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Unter welchen Voraussetzungen führt eine Minderleistung zur verhaltensbedingten Kündigung?

Unterschreitet ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum die Durchschnittsleistung einer entsprechenden Vergleichsgruppe, kann das auf gesundheitliche oder altersbedingte Leistungsdefizite oder auf betriebliche Umstände   zurückzuführen sein. Wird die Durchschnittsleistung um mehr als 1/3 unterschritten, kann im Einzelfall aber auch eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.  

LAG Köln, Urteil vom 03.05.2022,  4 Sa 548/21 

Stand:  6.9.2022
Lesezeit:  02:00 min
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Der Arbeitnehmer streitet mit seiner Arbeitgeberin um die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung wegen quantitativer Minderleistung. Der Arbeitnehmer ist bei der Arbeitgeberin, die ein Großhandelslager im Bereich der Lebensmittellogistik betreibt, als Kommissionierer beschäftigt. 

Die Kommissionier-Aufträge werden über ein Warenwirtschaftssystem ausschließlich systemtechnisch vergeben. Eine gezielte Vergabe von Aufträgen an einzelne Mitarbeiter ist nur in Ausnahmefällen (z.B. Kühlschäden oder Transportausfälle) möglich. In der geltenden Betriebsvereinbarung zur Prämienentlohnung (BV „Prämie) ist eine Basisleistung (100%) festgelegt, die der Normalleistung entspricht und mit dem Grundlohn vergütet wird. Die Leistungsprämie soll im Durchschnitt für jeden Bereich der Kommissionierung über alle Kommissionierer etwa 120% betragen.  

Seit seiner Versetzung vom Lager für Frischware (das Lager Frischware wurde fremdvergeben) in das Lager für Trockensortiment erreichte der Arbeitnehmer in keinem Monat die Basisleistung. Aus diesem Grund fanden im Jahre 2019 zwei Personalgespräche statt. 

Im Januar 2020 erhielt der Arbeitnehmer eine Abmahnung wegen „bewusster Zurückhaltung seiner ihm zur Verfügung stehenden Arbeitskraft und Arbeit nicht unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fertigkeiten“. Die Arbeitgeberin warf ihm vor, eine Leistung erbracht zu haben, die einer Basisleistung von 72,86% entsprach, bei einer Leistung von 116,1% der Basisleistung der vergleichbaren Mitarbeitergruppe. Im März 2020 erhielt der Arbeitnehmer wegen nachweislich anhaltender unterdurchschnittlicher Leistung eine weitere Abmahnung.  

Gegen die im Mai 2020 ausgesprochene Kündigung erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß angehört. Er gab keine Stellungnahme ab. Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. 

Die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung hätte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgerecht aufgelöst, so das LAG Köln. Auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistung könne eine Kündigung rechtfertigen.  

Grundsätzlich müsse der Arbeitnehmer tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht sei nicht starr, sondern dynamisch und orientiere sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab sei nicht anzusetzen. Der Arbeitnehmer könne seine Arbeitspflicht jedoch nicht selbst willkürlich bestimmen. Er müsse vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Ob der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nachkommt, sei für den Arbeitgeber nicht immer erkennbar. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, müsse nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft. In einer Vergleichsgruppe sei stets ein Angehöriger der Gruppe das “Schlusslicht”. Die Ursachen dafür seien vielfältig. Andererseits sei das deutliche und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichbaren Mittelwerts oft der einzige für den Arbeitgeber erkennbare Hinweis darauf, dass ein Arbeitnehmer Reserven nicht ausschöpft, die mit zumutbaren Anstrengungen nutzbar wären.  

Daher gilt im Verfahren die abgestufte Darlegungslast: Zunächst müsse der Arbeitgeber zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen könne. Das könnten auch nur objektiv messbaren Arbeitsergebnisse sein, die zeigen, dass die Leistungen des Arbeitnehmers die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Davon könne dann gesprochen werden, wenn, gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt sei. Das sei bei einer langfristigen Unterschreitung der Durchschnittsleistung um deutlich mehr als 1/3 ersichtlich der Fall.  

Dann sei es Sache des Arbeitnehmers, gegebenenfalls das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpfe. Hier könnten altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch Krankheit, aber auch betriebliche Umstände eine Rolle spielen.  

Vorliegend hätte der Arbeitnehmer jedoch weder die von der Arbeitgeberin vorgelegten Zahlenwerte und ihre Aussagefähigkeit plausibel bestritten, noch erklärt, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Sein Bestreiten sei nicht substantiiert und daher unbeachtlich. 

Nach den vorgelegten Aufzeichnungen aus dem Warenwirtschaftssystem sei davon auszugehen, dass die Leistungen des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum, die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer um deutlich mehr als 1/3 unterschritten hätten. Die Leistungen hätten sich ersichtlich nach Erhalt der Abmahnungen nicht gesteigert. 

Der Arbeitnehmer hätte vorgetragen, dass u.a. er besonders häufig „schlechter“, weil zeitaufwändige Aufträge durch - unstreitig mögliche - Eingriffe in die Verteilung – erhalten hätte. Konkrete Beispiele oder aber Mitarbeiter, die in die Zuordnung eingegriffen haben sollen, wurden nicht benannt.  

Anhaltspunkte für diese Behauptung konnte das Gericht nicht erkennen. U.a. hätte auch die Vernehmung des Zeugen H (Betriebsratsmitglied), ergeben, dass nicht ansatzweise ersichtlich sei, dass zulasten des Arbeitnehmers manuelle Auftragszuteilungen erfolgt seien. 

Ebenso wenig hätte der Arbeitnehmer plausibel dargelegt, warum er mit seiner unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft.  

Altersbedingte Leistungsdefizite könnten hier eine Rolle spielen. Jedoch sei der Vortrag des Arbeitnehmers, die Arbeitgeberin habe sein erheblich über dem Altersschnitt liegendes Alter von 50 Jahren (Anmerkung: 48 Jahre im Kündigungszeitpunkt) und die damit natürlicherweise einhergehende langsame allgemeine körperliche Schwächung in keiner Weise berücksichtigt, nicht geeignet, in dieser Pauschalität die Aussagekraft des Zahlenwerks hinsichtlich der Bildung der Vergleichsgruppe in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen sei die Arbeitgeberin dem Vortrag konkret entgegengetreten, als sie darlegte, dass die Leistung der Gruppe der 40 - 50-Jährigen im Schnitt eine Leistung von 112% erbringe und die Gruppe der über 50-Jährigen sogar einen Schnitt von 121,3%. Daraus könne der Schluss gezogen werden, das Lebensalter stehe der Erbringung einer durchschnittlichen Kommissioniertätigkeit ersichtlich nicht entgegen.  

Der Arbeitnehmer könne damit nicht widerlegen, dass die Schlechtleistung auf Pflichtverletzungen beruhe. Die Revision wird nicht zugelassen. 

Das LAG Köln verweist in seiner Urteilsbegründung auf die auch bisher schon geltenden Rechtsgrundsätze bei der quantitativen Minderleistung. Deutlich wird durch die Entscheidung wieder einmal, dass der betroffene Arbeitnehmer durch die abgestufte Darlegungs- und Beweislast nur dann eine möglicherweise ungerechtfertigte verhaltensbedingte Kündigung vermeiden kann, wenn er im Falle einer krankheits- oder altersbedingten Leistungsreduzierung klar und eindeutig vorträgt, welche Einschränkungen bestehen und wie sie sich auf die Arbeitsleistung auswirken. Dieser Vortrag muss seitens des Arbeitnehmers durch passende Beweismittel (Sachverständigengutachten, ärztliches Attest, …) untermauert werden. Oft scheuen sich Arbeitnehmer, gerade altersbedingte Gründe für eine Leistungsminderung einzuräumen. Dabei ist eine personenbedingte Kündigung aufgrund krankheits- oder altersbedingter Leistungsminderung für den Arbeitgeber sehr oft schwieriger durchzusetzen als eine verhaltensbedingte Kündigung. Für das richtige strategische Vorgehen im Einzelfall ist der Rechtsanwalts Ihres Vertrauens der richtige Ansprechpartner. (sf) 

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