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„Strompreisbremse“ der besonderen Art

Der Vertriebsleiter eines Energieversorgers hatte seinen Geschäftskunden große Kontingente an Strom verkauft, allerdings günstiger, als er ihn beschaffen konnte. Während sich die Abnehmer über diese „Strompreisbremse“ freuen konnte, hatte der Energieversorger das Nachsehen. Der feuerte seinen Vertriebsleiter und verlangte von ihm 3 Millionen Euro Schadensersatz.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 19.12.2024, 8 Sa 830/22

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Redaktion
Stand:  9.5.2025
Lesezeit:  01:30 min
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Das ist passiert:

Kurz vor Ausbruch des Ukraine-Krieges wollte der Kläger großvolumige Geschäfte mit zwei gewerblichen Stromkunden machen und kalkulierte für diese so günstige Tarife, dass beide innerhalb von Minuten das Angebot annahmen. Später räumte er ein, dabei sei er „übermotiviert“ vorgegangen und habe „dabei nicht alle Regeln eingehalten.“ Tatsächlich hätte er sich seinerseits auf dem Strommarkt mit der passenden Menge Strom eindecken müssen. Dummerweise war der Strompreis zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe aber gerade gestiegen und der Kläger konnte den Strom nicht ohne Verlustgeschäft beschaffen. Also wartete er zunächst ab, in der Hoffnung, der Strompreis werde auch wieder fallen. Pech im Unglück war schließlich, dass Russland die Ukraine überfiel und die Strompreise erst recht durch die Decke gingen. Der Kläger gestand nach einigen Monaten seinen Fehler ein und die Beklagte kündigte ihn darauf fristlos und forderte 3 Millionen Euro Schadensersatz.

Das entschied das Gericht:

Das Gericht bestätigte, wie schon die Vorinstanz die außerordentliche Kündigung, sah aber im Unterschied zur Erstinstanz beim Kläger keinen bedingten Vorsatz, sondern bloß grobe Fahrlässigkeit und verringerte dadurch den Schadensersatz auf „nur“ 202.000 Euro. Denn bei grober Fahrlässigkeit ist zwar in der Regel auch der volle Schaden wiedergutzumachen, aber im Unterschied zum Vorsatz nicht ausnahmslos. Hier können Haftungserleichterungen in Betracht kommen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind.

Nach Auffassung des Gerichts könne dem Kläger nicht unterstellt werden, es sei ihm egal gewesen, wie sich der Einkaufspreis für Strom zu Lasten seines Arbeitgebers entwickelt. Das mit der Hoffnung auf Besserung verbundene Abwarten des Strom-Einkaufs zeige im Gegenteil gerade, dass der Kläger auf die Hoffnung setze, der Schaden würde nicht eintreten oder wenigstens geringer ausfallen. Insbesondere sei die konkrete Entwicklung des Strommarktes nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges nicht voraussehbar gewesen und konnte deshalb nicht vom Kläger gebilligt worden sein. Daher handelte er nicht vorsätzlich. Aber: Spätestens mit dem Beginn des Ukrainekriegs und der damit verbundenen Frage der Versorgungssicherheit und den steigenden Energiepreisen sei das erhebliche Schadensrisiko offensichtlich geworden. Dass der Kläger in dieser Situation dennoch weiter tatenlos abgewartet hätte, sei vom Kläger grob fahrlässig gewesen und habe den Schaden vergrößert. Das Verschulden des Klägers wiege dabei schwer, da er die Beschaffung für die abgeschlossenen Verträge über Monate nicht vornahm und dies trotz des hohen Schadensrisikos dem Arbeitgeber auch nicht mitteilte.

Es dürfe nach Ansicht des Gerichts jedoch bei der Frage einer möglichen Haftungserleichterung nicht außer Betracht bleiben, dass die Tätigkeit des Klägers durchaus gefahrgeneigt gewesen sei. Der Strom- und Gasmarkt ist sehr wechselhaft und die Preise schwanken sehr kurzfristig. Trotzdem habe es zu den Aufgaben des Klägers gehört, Geschäftskunden zu akquirieren und damit auch attraktive Preise anzubieten. Der Kläger wäre außerdem nicht in der Lage, bis zum Eintritt in den Ruhestand auch nur ansatzweise die komplette Schadenssumme abzutragen. Selbst der Zinsbetrag würde bereits das gesamte Bruttogehalt aufzehren. Hinzu kommt die außergewöhnliche Entwicklung auf dem Strommarkt aufgrund des Ukrainekriegs, auf die die Parteien keinen Einfluss hatten, die den Schaden aber deutlich erhöht hat.

Unter Berücksichtigung aller Umstände befand das Gericht demnach eine Haftung des Klägers im Umfang von zwei Jahresgehältern für angemessen.

Bedeutung für die Praxis:

Interessanterweise kommt das Thema Versicherung in dieser Entscheidung nur beiläufig vor. Das Gericht bemerkte nur, dass deren Deckungssumme sowieso nicht gereicht hätte. Und deren Regulierung des Schadens wäre bei grober Fahrlässigkeit ohnehin fragwürdig. Trotzdem lohnt sich der Blick auf die Versicherung. Denn die hätte vermutlich genauer wissen wollen, wie es eigentlich überhaupt zu diesem hohen Schaden kommen konnte, welche Sicherungssysteme bei der Beklagten womöglich versagt haben. Und hier kommt auch der Betriebsrat ins Spiel. Wie sind die Regeln im Unternehmen, wenn es um hohe Summen geht; und wie werden diese überwacht? Welche Lehren zieht der Arbeitgeber für künftige Geschäfte mit Großkunden? Wie kann es sein, dass mehr Strom verkauft als eingekauft wird, und das monatelang keinem auffällt? Wie werden Arbeitnehmer vor möglichen eigenen Fehlern geschützt? Kurzum geht es um die Compliance im Unternehmen. Die Möglichkeiten des Betriebsrats reichen von den allgemeinen Informations- und Unterrichtungsrechten gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG bis hin zur echten Mitbestimmung zu Verhaltensregeln im Betrieb nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. (mb)

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