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Die sich aus dem Diabetes mellitus ergebende Teilhabebeeinträchtigung ist grundsätzlich nach den Bewertungsvorschlägen der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit“* einzuschätzen. Maßgeblich für den Grad der Behinderung ist insbesondere die erreichte Stoffwechsellage und der dabei erfolgende Therapieaufwand.
Bundessozialgericht vom 24.04.2008 – B 9/9a SB 10/06 R
(…)
bb) Der Begriff "einstellbar" in Nr. 26.15 AHP 1996 ist dahin auszulegen, dass er darauf abstellt, ob bei dem behinderten Menschen (nicht nur vorübergehend) tatsächlich eine stabile oder instabile Stoffwechsellage besteht und welcher Therapieaufwand dabei erfolgt.
Dem Begriff der Behinderung i. S. von § 2 SGB IX würde es widersprechen, die Einstellbarkeit danach zu beurteilen, ob bei optimaler ärztlicher Therapie und Mitwirkung des Patienten eine stabile oder instabile Stoffwechsellage erreicht werden kann. Zwar enthält die Feststellung einer Behinderung insoweit ein prognostisches Element, als es bei der voraussichtlichen Dauer des Zustandes um die Überschreitung der Sechs-Monats-Grenze geht; dabei ist jedoch von den tatsächlichen Gegebenheiten und nicht von theoretischen (hypothetischen) Verhältnissen auszugehen.
Der Begriff der "Einstellbarkeit" ist nach der Darstellung der Sachverständigen Prof. Dr. H und Dr. F kein sozialmedizinischer, sondern ein klinischer Begriff, der beschreiben soll, wie leicht oder wie schwer die allgemeinen Therapieziele beim Diabetes mellitus, nämlich das Vermeiden von Hyperglykämien (erhöhte Blutzuckerwerte) und Hypoglykämien (Unterzuckerung), erreicht werden können (…). Es wird demnach zum einen die Einstellungsqualität beurteilt, also ob bei dem behinderten Menschen eine stabile oder instabile Stoffwechsellage besteht. Zum anderen wird dabei der erforderliche Therapieaufwand berücksichtigt. Um eine bestimmte Einstellungsqualität zu erreichen, bedarf es eines bestimmten Therapieaufwands, der bei schwer einstellbarem Diabetes mellitus höher ist als bei leicht einstellbarem.
Entsprechend diesem Begriffsverständnis ist nach Auffassung des Senats bei der GdB-Bewertung des Diabetes mellitus neben der Einstellungsqualität auch der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirkt. Dagegen überzeugt der Bewertungsvorschlag der DDG nicht, soweit er ausschließlich auf die Anzahl der Insulininjektionen pro Tag abstellt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern insbesondere eine einzige Insulininjektion am Tag für sich genommen eine nennenswerte (zusätzliche) Teilhabebeeinträchtigung darstellt. Ebenso wenig vermag sich der Senat davon zu überzeugen, dass sich allein aus der Zahl der täglichen Insulininjektionen mit hinreichender Sicherheit und Genauigkeit auf das Ausmaß der durch einen Diabetes mellitus bedingten Teilhabebeeinträchtigung schließen lässt. Vielmehr ist jeweils auch das Ergebnis der therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die erreichte Stoffwechsellage zu betrachten. So wird der GdB relativ niedrig anzusetzen sein, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird. Mit (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) wird der GdB höher einzuschätzen sein. Dabei sind jeweils - im Vergleich zu anderen Behinderungen - die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in Betracht zu ziehen.
*Hinweis: Zum 01. Januar 2009 wurden die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) durch die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) abgelöst. Seit ihrer Einführung wurde die VersMedV bereits mehrmals geändert (z.B. auch mit Auswirkungen für Menschen mit Diabetes).
Die Änderungen stellt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales über ein gesondertes „Einlegeblatt zur Broschüre Versorgungsmedizin-Verordnung“ unter www.bmas.de in der Rubrik Service / Publikationen zur Verfügung.