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Wie Betriebliches Eingliederungsmanagement tatsächlich gelingen kann
Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen, Kommunikationsfähigkeit und ganz viel Empathie. Laut Margit Möring sind das die drei wichtigsten Eigenschaften für Akteure, die am Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) beteiligt sind. Die Betriebsrätin ist in ihrem Unternehmen seit dem Aushandeln der Betriebsvereinbarung vor über zehn Jahren als BEM-Beauftrage engagiert. Neben der Aufgabe, den Prozess und vor allem dessen Initiierung zu überwachen, dürfen und sollten Betroffene nämlich einen Betriebsrat zur Unterstützung mit in die Gespräche nehmen. Was viele nicht wissen: Unternehmen müssen Arbeitnehmern ein BEM anbieten, wenn sie in einem Jahr mehr als sechs Wochen krankheitsbedingt gefehlt haben.
Margit Möring: Wer einmal ernsthaft und lange krank war, weiß, wie schnell man in eine Abwärtsspirale geraten kann. Die Rückkehr an den Arbeitsplatz ist für viele gleichbedeutend, zu denken, die Person sei wieder gesund und voll einsatzfähig. Doch das ist nicht immer der Fall. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement und BEM, so wie wir es heute leben, steckte damals noch in den Kinderschuhen. Wir haben in unserem Unternehmen heute einen guten Stand erreicht, der kontinuierlich ausgebaut wird. Persönlich bin ich ein Mensch mit äußerst positiver Einstellung, der Themen nicht scheut und Lösungen erarbeiten möchte, die für alle akzeptabel sind.
Margit Möring: Ja, weil das Arbeiten mit Menschen eine sinnvolle Aufgabe ist und zum Wohl jedes Einzelnen wie auch zum Allgemeinwohl im Betrieb beiträgt. Vertrauen, Kompetenz und damit auch Akzeptanz zu schaffen, sehe ich während jedes BEM-Verfahrens als eine schöne Aufgabe an. Als Betriebsrätin verstehe ich mich als Bindeglied zwischen Mitarbeiter, Vorgesetzten und Arbeitgeber. So können wir Mitarbeiter individuell begleiten und haben an der Wiedereingliederung ins Arbeitsleben einen gewissen Anteil. Genau das hebt die Aufgabe von der gesamten Arbeit in den Ausschüssen oder im Gremium besonders hervor.
Margit Möring: Die zwei mit dem BEM beauftragten Betriebsräte besprechen in regelmäßigen Abständen mit den Personalreferenten der Unternehmensbereiche, welche Mitarbeiter den gesetzlichen Anspruch auf ein BEM-Verfahren haben. Vor Beginn des Verfahrens sind wir Ansprechpartner und informieren umfangreich über unsere Betriebsvereinbarung und den gesetzlichen Hintergrund – und beantworten alle Fragen. Ausführliche Informations-/Erstgespräche sind wichtig, denn erkrankte Mitarbeiter müssen Vertrauen aufbauen und erkennen, dass es Angebote gibt, mit denen sie im besten Fall leidensgerecht am Arbeitsleben teilnehmen können.
Margit Möring: Durch die Analyse der Fähigkeiten, Kenntnisse und Qualifikationen, die man mit dem betroffenen Mitarbeiter macht, stellt sich schnell heraus, wie eine Lösung aussehen kann. Jeder einzelne BEM-Fall ist anders, aber die Grundstruktur ist bei uns geschaffen – das schätze ich sehr. Bestenfalls gibt es mehr als eine Lösung, die im BEM-Team auf die gesundheitsgerechte und betriebsbedingte Machbarkeit geprüft werden. Schwierig wird es, wenn die Qualifikation oder die persönliche Eignung die Einsatzmöglichkeiten an einem anderen Arbeitsplatz einschränken. Den betroffenen Mitarbeiter gesundheitsgerecht zu inkludieren, verlangt ein Stück weit Empathie und gute Kenntnisse über adäquate Arbeitsplätze im gesamten Unternehmen. Natürlich muss man sich dabei überlegen, ob es auch menschlich passen würde und ohne das Zutun des Betroffenen geht ohnehin nichts. Nicht jeder kann und möchte beispielsweise einen Bildschirmarbeitsplatz.
Margit Möring: Vor allem darf in einem großen Unternehmen als Betriebsrat die Basis zur Belegschaft nicht verloren gehen. Jeder Betriebsrat, der BEM-Verfahren begleitet, kennt die Sorgen, Nöte und Existenzängste, die bei langer Krankheit vorherrschen. Man braucht also mehr als Empathie. Kenntnisse über das Zusammenwirken von unterschiedlichen Gesetzen zum Beispiel. Wann macht es etwa Sinn, einen Antrag auf Schwerbehinderung oder Gleichstellung zu stellen? Aber auch zu wissen, was es bedeutet, dass das BEM-Verfahren auf eine Negativ-Prognose seitens des Arbeitgebers hinauslaufen kann.
Margit Möring: In Bezug auf das BEM gibt das Gesetz den Rahmen vor. Auch das Präventionsgesetz, das seit Juli 2015 in Kraft getreten ist, trägt einen guten Anteil dazu bei. Mein frommer Wunsch richtet sich nicht an das BEM. Ich wünsche mir für alle Arbeitnehmer, dass es gar nicht erst so weit kommt, den gesetzlichen Anspruch auf ein BEM anstoßen zu müssen. Also Prävention und Eigenverantwortung im privaten und beruflichen Leben, eine gute Work-Life-Balance sowie ein gesunder Lebensstil.
Margit Möring: Vorsorge ist besser als Nachsorge! Das Stichwort lautet wieder Prävention. Wenn ich philosophieren darf, könnte ich mir eine an Präventionen gebundene Steuererleichterung für Arbeitgeber vorstellen, bei der Anreize geschaffen werden, entsprechende Angebote in Unternehmen zu etablieren. Hierzu würde ich den Freibetrag von 600 auf 1.000 Euro erhöhen und die aktuell ausgeschlossenen Gesundheits- und Vorsorgeuntersuchungen einbinden. Und generell sollte ein größerer Fokus auf altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung gelegt werden
Margit Möring: Ja, das kann ich tatsächlich bestätigen. Im BEM-Verfahren wird die Gesprächsführung mit betroffenen Mitarbeitern schwieriger und verlangt noch mehr Aufmerksamkeit und Empathie, weil oftmals mehrere Erkrankungen zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben. Man muss dann die Balance zwischen leidensgerechtem Arbeitsplatz und betrieblichen Belangen finden.
Margit Möring: Prozentual lässt sich das allerdings nicht genau bestimmen. Im ersten Moment sagt es sich immer schnell, dass es psychische Erkrankungen sind, die zugenommen haben. Das ist auch der Fall, dennoch stell ich häufig fest, dass andere Erkrankungen vorangegangen sind.
Margit Möring: Ist man ernsthaft erkrankt und muss einen langen Leidensweg mit Therapien und Behandlungen gehen, dann macht das mit jedem Menschen etwas. Diese Krankheiten nehmen stark zu. Psychische Erkrankungen haben sicherlich auch mit der medialen Belastung und den Umwelteinflüssen zu tun. Schauen wir den Menschen als Individuum an: Dann sind wir bei den Fähigkeiten, der persönlichen Eignung und dem Selbstbewusstsein. Auch individuelle Resilienzen des Einzelnen, mit äußeren Einflüssen umgehen zu können, spielen hier mit rein. Niemand ist immer in der Lage, eine Situation, die zur Belastung führt, zu beeinfluss oder ihr zu entfliehen. Unsere Gesellschaft und Lebensweisen verändern sich heute rasant und verlangen sehr viel von jedem Einzelnen auf unterschiedlichste Weise.
Margit Möring: Da wir schon sehr lange die Betriebsvereinbarung „BEM“ haben, sind den meisten Mitarbeitern die Anlaufstellen bekannt. Das war anfangs nicht so. Öffentlichkeitsarbeit oder zum Beispiel die Betriebsversammlung haben wir ganz gut genutzt. Heute gibt es oft Fragen, die mit dem Datenschutz und der Schweigepflicht zu tun haben. Wer nach einer Erkrankung an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann, ist erstmal froh, zurückzukommen. Der gesetzliche Anspruch auf ein BEM ist nicht jedem geläufig und viele kommen auch gerne zurück ins Arbeitsleben mit: „Na ja, irgendwie wird es schon gehen.” In irgendeiner Form sind es häufig Verlustängste finanzieller Art, die zu Verunsicherung führen. Bedenken kann man den BEM-Berechtigten nur nehmen, wenn man sich Zeit für ein Vier-Augen-Gespräch nimmt. Zumindest spüre ich nach den Gesprächen immer eine gewisse Erleichterung.
Margit Möring: Hier kann ich tatsächlich aus meiner langjährigen Erfahrung bei KAESER Kompressoren berichten. Wichtig ist eine gute Betriebsvereinbarung, in der der Prozess transparent und für jeden verständlich dargestellt ist. Dazu eine klare Basisstruktur, die alle möglichen Teilnehmer im BEM benennt: Personalverantwortliche, Betriebsarzt, Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung. Außerdem eine gute Öffentlichkeitsarbeit, ein gutes Gesundheitsmanagement für Prävention sowie der Arbeits- und Gesundheitsschutz. Wir haben am Standort Coburg viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Anforderungen und Berufe sind in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern mit unterschiedlichsten Qualifikationsanforderungen gegeben. Das sind die besten Voraussetzungen. Die Arbeitsplätze sind weitestgehend modern ausgestattet. Auf individuelle Hilfsmittel, falls nicht schon vorhanden, wird geachtet oder die Anschaffung geprüft. Auch Schulungen, die gegebenenfalls für eine andere Tätigkeit benötigt werden, hat die Personalentwicklung auf breiter Ebene erarbeitet. Wichtig ist, dass sich alle BEM-Akteure nicht darauf ausruhen, dass bisherige Verfahren gut gelaufen sind. Manchmal kann es erforderlich sein, Prozesse zu optimieren. (tis)
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