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Konflikte – unvermeidbarer Bestandteil unseres Alltags

© Schulz von Thun Institut
Stand:  3.8.2023
Lesezeit:  05:00 min
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Stephan Bußkamp über Konfliktfähigkeit als Kernkompetenz des Betriebsrats

„Menschen, die miteinander zu schaffen haben, machen einander zu schaffen!“ Ein Grundgesetz im beruflichen und persönlichen Miteinander. Häufig kollidiert es mit dem Verständnis, dass Harmonie ein ursprünglicher Zustand sei, der sich von selbst einstellt. Diplom-Psychologe Stephan Bußkamp vertritt die Meinung, dass die alltägliche Herausforderung darin liegt, in der Sache und im Miteinander immer wieder zueinander zu finden. Beim renommierten Schulz von Thun Institut beschäftigt sich Stephan Bußkamp mit kommunikationspsychologischen Modellen und Methoden für alle, die es mit Menschen und mit sich selbst zu tun haben.

Stephan Bußkamp | © Schulz von Thun Institut

Stephan Bußkamp

Diplom-Psychologe

Seit 1991 gehört Stephan Bußkamp dem Arbeitskreis Kommunikation und Klärungshilfe des Schulz von Thun Instituts an, dem es allen voran um eine Verbindung von souveräner Professionalität und entwickelter Menschlichkeit geht. Das Schulz von Thun Institut bietet Menschen Unterstützung, die im professionellen und zwischenmenschlichen Miteinander Schwierigkeiten haben: Psychologen, Lehrer, Eltern, Ärzte, Polizisten, Führungskräfte aus Profit- oder Non-Profit-Kontexten. Häufig geht es darum diese Menschen in ihren jeweiligen Bezügen zu unterstützen, einen guten Dialog über Schwieriges zu führen. Ziel ist die Klarheit in der Sache und im Miteinander herauszuarbeiten, um herauszufinden, was für ein konstruktives und zielorientiertes Miteinander möglich ist.

Stephan, Du bist Kommunikations- und Konfliktexperte – wen berätst Du?

Stephan Bußkamp: Im Grunde alle, die mit Menschen und sich selbst zu tun haben. Konflikte sind ein unvermeidbarer Bestandteil unseres Alltags, weil wir Menschen ganz unterschiedliche Persönlichkeiten und Rollen haben. Daraus ergeben sich unterschiedliche Zielvorstellungen. Betriebsräte haben von ihrem Rollen-Selbstverständnis beispielsweise häufig andere Ziele als Führungskräfte. Ein reibungsloses Miteinander ist also keine Grundvoraussetzung, sondern viel Arbeit. Deshalb ist Harmonie für uns häufig „ein Abfallprodukt“ von Auseinandersetzungen und kein ursprünglicher Zustand im Miteinander. Konfliktmanagement ist daher eine Kernkompetenz für alle Menschen in entsprechenden Positionen.

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Ein reibungsloses Miteinander ist keine Grundvoraussetzung, sondern ein Produkt von Sorgfalt und Arbeit.

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„Konflikt“ ist zumeist ein negativ behafteter Begriff. Kann ein Konflikt auch mal Positives bewirken?

Stephan Bußkamp: Konflikte haben etwas Janusköpfiges, etwas Ambivalentes. Ein wesentliches Element von Konflikten ist, dass Menschen aufgrund der erwähnten unterschiedlichen Rollen, Lernerfahrungen und Persönlichkeiten, Situationen anders begreifen. In der Moderation von Konflikten versuchen wir entsprechend, die Menschen in einen Dialog zu führen und herauszufinden, wie sie die Sache und das Miteinander verstehen und wo es in diesen unterschiedlichen Ebenen Konsens und Dissens gibt. Über den herausgefundenen Dissens kann man dann ermitteln, was im Miteinander möglich ist. Über die Unterschiede lassen sich möglicherweise neue Wege herausfinden. Der erarbeitete Konsens bestimmt dann das Maß der Harmonie, das konstruktive Miteinander.

Eine wichtige Rolle nimmt folglich die Kommunikation ein.

Stephan Bußkamp: Sie ist das „A und O“! Mit ihrer Hilfe können wir aus dem Naturereignis Konflikt ein Kulturereignis erschaffen. Dabei gilt es, zwei Herausforderungen zu meistern. Erstens: Wie kann es gelingen, Gespräche so vorzubereiten, zu leiten und zu strukturieren, dass die relevanten Themen tatsächlich angemessen angesprochen werden? Zweitens: Ein Spannungsfeld in der Kontaktgestaltung eines Konfliktgespräches ist es, konsequent die Umsetzung der eigenen Ziele und Interessen im Blick zu haben, gleichzeitig sein Gegenüber im Sinne eines konstruktiven Miteinanders.

Warum ist es für Betriebsräte besonders wichtig, Konfliktfähigkeit mitzubringen?

Stephan Bußkamp: Alles, was im Miteinander nicht besprochen und geklärt ist, hat das Potenzial, zur Eskalation zu führen. Mit Blick auf die inhaltlichen Ziele und das konstruktive Miteinander ist es gut, diese Gefahren und Unabwägbarkeiten zu kennen. Bei einer Eskalation können aus klärbaren Interessenkonflikten zerrüttete Beziehungen entstehen.

Was bringt es mir konkret, an meiner Konfliktfähigkeit zu arbeiten?

Stephan Bußkamp: Wie schon erwähnt: Harmonie ist kein Zustand, der sich in Beziehungen von selbst einstellt. Konflikte sind Teil der menschlichen Existenz, allgegenwärtiger Bestandteil unseres Alltags. Wenn ich selbstwirksam Zugriff auf die in professionellen und persönlichen Beziehungen schlummernden Konfliktpotenziale haben will, dann brauch ich dazu ein entsprechendes Bewusstsein und kommunikationspsychologische Werkzeuge. Zusätzlich braucht es nicht nur ein akademisches Verständnis, sondern man muss sich mit seinen Konfliktmustern auch noch selbst im Blick haben mit der Frage: Wo und wie bin ich selbst als Mensch mit einer Rolle Teil des Geschehens, was ist mein Beitrag?

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In der Regel gilt: Je größer die eigene emotionale Verstrickung, desto geringer die professionelle Haltung.

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Gibt es in Deinem Alltag eigentlich noch Konflikte?

Stephan Bußkamp: (lacht) Das werde ich immer mal wieder gefragt. Es gibt ein psychologisches Gesetz: Je größer die eigene emotionale Verstrickung, desto geringe die professionelle Haltung. Je mehr ich also in eine Beziehung eingebunden bin, je mehr sie mir bedeutet, desto größer ist die Gefahr, die eigenen kommunikativen Kompetenzen aus dem Blick zu verlieren. Leider, Gott sei Dank! Wenn ich mit meiner Frau oder meinen Kindern streite, wollen sie ja einen Menschen und keinen Profi, der beständig wie ein Oberlehrer die Phasen der Moderation steuert. Die emotionale Verstrickung kann auch in der Rolle des Betriebsrates eine Störgröße in der Moderation sein: Umso mehr ein aktuelles Anliegen mit den eigenen inneren Werten verbunden ist, ich mit meiner Rolle warum auch immer eigene Aktien im Spiel habe, desto größer ist die Gefahr aus alten Mustern heraus zu reagieren. Bei aller Professionalität bleibt man (zum Glück) Mensch. Das ist für Profis eine Zwickmühle: Sich als Mensch und Beteiligter zu zeigen, ohne gelehrsam neunmalklug im konfliktären Miteinander auf Entgleisungen und fehlerhaftes Verhalten hinzuweisen.

Hast Du einen praktischen Tipp, wie Betriebsräte „konfliktfähiger“ werden?

Stephan Bußkamp: Zuallererst herausfinden, was mich in meiner Arbeit als Betriebsrat leitet! Welche Werte? Diese Werte bestimmen darüber, wie ich mich in konflikthaften Situationen mit bestimmten Themen auseinandersetze.

Vereinfacht das Wissen über das Wesen von Konflikten das Leben generell?

Stephan Bußkamp: Ja, aber: Es wird auch deutlich, von wie vielen Herausforderungen ein gutes Miteinander beeinträchtigt wird. Das macht das Leben nicht immer einfacher, aber steuerbarer. Läuft etwas schief, hat man Ideen und weiß um die Möglichkeiten, damit umzugehen. 

„Klärungshilfe“ ist ein Begriff aus der Mediation, der bei Dir häufiger auftaucht. Was hat es damit auf sich?

Stephan Bußkamp: Es beschreibt ein rational logisches Verfahren, um schwerwiegende Konflikte zu einer guten Lösung zu bringen. Und das in drei Schritten: Die Vergangenheit verstehen. Die Gegenwart klären. Um die Zukunft zu planen. Im Gegensatz zur klassischen Mediation will die Klärungshilfe nicht nur eine Lösung des Konflikts, sondern schaut darüber hinaus auf den Konflikthintergrund. Es gibt häufig einen Konfliktanlass, das ist aber nicht immer die Konfliktursache. Wir streiten uns beispielsweise um Regelungen beim Umgang mit dem Thema Home-Office, dabei schwelt darunter vielleicht viel mehr. Nämlich die Frage, wie fühle ich mich behandelt und warum werde ich so behandelt. Womöglich verweist meine heftige Reaktion darauf, dass mir die Art der Behandlung aus einer anderen Situation in meinem Leben bekannt ist – eine Vorverletzung kann hier also mit ursächlich sein.

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Zur Konfliktklärung benötigt es einen ganzen Handwerkskoffer.

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Die angewandte Kommunikationspsychologie arbeitet mit vielen Modellen: Gibt es eins, das Betriebsräte in ihrer Tätigkeit verinnerlicht haben sollten?

Stephan Bußkamp: Zur Konfliktklärung benötigt es einen ganzen Handwerkskoffer. Ein übergreifendes Werkzeug, das ich gerne herausgreifen möchte, ist das Werte- und Entwicklungsquadrat, ein Metamodell, das sich in all unseren Kommunikationsmodelle wiederfindet. Häufig geht es bei Konflikten um Eigenschaften und Werte, die miteinander in einem Spannungsverhältnis stehen. Jeder Wert kann nur dann seine Wirkung entfalten, wenn er durch einen Gegenwert ausbalanciert ist. Die Durchsetzungsfähigkeit im Konflikt braucht an manchen Stellen im Konfliktgespräch die Sozialverträglichkeit und umgekehrt. Stehen sie nicht in einem guten Spannungsverhältnis wird aus der Durchsetzungsfähigkeit rücksichtslose Dominanz oder aus der Sozialverträglichkeit Selbstaufgabe. Es braucht je nach Verlauf des Gespräches mal mehr von dem einen oder mehr von dem anderen. Diese Fähigkeiten gilt es gut in der situativen Balance zu halten. (tis)

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