Biopharmaceutical New Technologies – oder kurz: Biontech – ist ein globales Immuntherapie-Unternehmen, das sich die Entwicklung von Therapien gegen Krebs und anderer schwerer Erkrankungen auf die Fahnen geschrieben hat. Während der Coronapandemie war das Unternehmen als einer der ersten Impfstoffanbieter in aller Munde. Das vergangene Jahr 2024 endete hingegen mit einem Nettoverlust von rund 700 Millionen Euro, wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 gab es einen Gewinn von 9,4 Milliarden Euro, 2023 waren es noch etwa 930 Millionen Euro – auch die Umsätze fielen.
Weltweit könnten bis zu 1.350 Arbeitsplätze betroffen sein
Diese Entwicklung wird am Personal nicht spurlos vorbeigehen, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten. Insgesamt will Biontech in Europa und Nordamerika in den nächsten drei Jahren wohl bis zu 1.350 Arbeitsplätze kürzen. Betroffen sollen allen voran die bisherige Impfstoffproduktion, aber auch Forschung und Verwaltung sein. Am Standort in Marburg könnten 250 bis 350 Jobs wegfallen, in Idar-Oberstein etwa 100 bis 200 und in Mainz etwa 200, während gleichzeitig am Hauptsitz in Mainz rund 350 neue Arbeitsplätze entstehen sollen.
Hintergrund für die weitreichenden Umstrukturierungen soll zum einen die sinkende Nachfrage nach den unter anderem in Marburg hergestellten Covid-Impfstoffen sein. Zum anderen soll es an den hohen Investitionen in klinische Studien liegen. So arbeitet Biontech Unternehmensangaben zufolge an der Entwicklung von Krebstherapien auf mRNA-Basis, 2026 sollen erste Marktzulassungen folgen. Ebenso schreitet die Entwicklung von Präparaten gegen Blasenkrebs sowie zur Behandlung von Darmkrebs voran.
Drei Fragen an Alexander Wiesbach, Gewerkschaftssekretär bei der IG BCE:
Herr Wiesbach, die Mitarbeiter sind angesichts der Ankündigungen natürlich verunsichert: Was wirft der Betriebsrat und die Gewerkschaft dem Unternehmen konkret vor?
Alexander Wiesbach: Die Belegschaft des Biontech-Standorts in Marburg hat in Corona-Zeiten einen großen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie geleistet. Kaum ist diese vorüber, benötigt Biontech seinen größten deutschen Produktionsstandort offensichtlich nicht mehr. Das in Marburg erwirtschaftete Geld hat man aber gerne mitgenommen, auch staatliche Subventionen wurden bereitwillig entgegengenommen. Hier sei noch erwähnt, dass außer am Marburger Biontech-Standort bei keinem anderen deutschen Standorten eine Tarifbindung besteht.
Wir befinden uns aktuell in der wirtschaftlichen Informations- und Beratungsphase mit dem Arbeitgeber.
Wie lauten die nächsten Schritte?
Alexander Wiesbach: Wir befinden uns aktuell in der wirtschaftlichen Informations- und Beratungsphase mit dem Arbeitgeber. Aus diesem Grund wird der Betriebsrat, im engen Kontakt mit der Gewerkschaft und weiterem externen Sachverstand, einen Fragenkatalog erarbeiten, der anschließend dem Arbeitgeber zur Beantwortung übergeben wird. Solange der Wirtschaftsausschuss beziehungsweise die jeweiligen Gremien nicht ausreichend informiert und alle Fragen beantwortet wurden, sind weitere Verhandlungen ausgeschlossen.
Zudem ist auch die Sinnhaftigkeit der Entscheidung von Produktionsverlagerungen ins Ausland kritisch zu hinterfragen. In Marburg haben wir exzellent ausgebildetes Personal, eine intakte Infrastruktur und Europas größten Produktionsstandort von Biontech. Ob in Zeiten der möglichen Verhängung von Strafzöllen, von politischen Instabilitäten, von unsicheren Lieferwegen und Lieferketten sowie generellen Abhängigkeiten eine Produktionsverlagerung ins Ausland der Weisheit letzter Schluss ist, sei dahingestellt.
Was bedeuten die Ankündigungen für die Mitarbeiter in Marburg konkret?
Alexander Wiesbach: Die aktuell kommunizierten Zahlen würden eine Reduzierung der Marburger Kolleginnen und Kollegen um circa 50 Prozent bedeuten – das ist eine erschreckende und beängstigende Zahl! Aber, wie bereits gesagt, wir befinden uns in der Informations- und Beratungsphase. Dem Betriebsrat liegen bislang keine Informationen und Daten vor, wie man auf ein solche Zahl kommt und wie dies umgesetzt werden soll. (tis)