Wann spricht man von Long Covid?
Treten bis zu drei Monate nach einer Corona Infektion noch Symptome wie Erschöpfung, eingeschränkte Belastbarkeit (Fatigue), Kurzatmigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme (Brain fog) oder Schlafstörungen auf, dann spricht man von Long Covid. Auch psychische Erkrankungen oder Depressionen machen den Betroffenen die Bewältigung ihrer Aufgaben im Alltag schwer zu schaffen. Gehen diese Symptome über die drei Monate hinaus, dann wird diese Krankheit als Post-Covid Syndrom bezeichnet. Für eine Diagnose ist die Hausarztpraxis oder ein Facharzt erstmal die richtige Anlaufstelle.
Achtung: Long COVID kann auch die Folge eines Arbeitsunfalls (z.B. Schule, Arbeit in Ehrenämter oder bei Erster Hilfe Leistung ) oder einer Berufskrankheit (z.B. Krankenhaus, Labor oder Pflege) sein. In diesen Fällen sollte man sich an die gesetzliche Unfallversicherung oder die Berufsgenossenschaft wenden.
Ein einheitliches Krankheitsbild Long Covid gibt es bislang nicht.
Wie können Long Covid Betroffene wieder in den Job zurückkehren?
Die Symptome von Long Covid sind tückisch und können in Wellen auftreten. Den Betroffenen geht es ein paar Tage gut und plötzlich erleiden Sie Rückfälle mit verschiedenen Symptomen. Im Schnitt fallen Betroffene für ca. 100 Tage im Job aus. Sie sind auch anfälliger für weitere Infektionen als ihre gesunden Kollegen, was dann wiederum die Fehltage erhöht.
Aufgrund der hohen Fallzahlen von Long Covid-Betroffenen sollten Arbeitgeber und Betriebsrat ein besonderes Augenmerk auf diese Mitarbeiter haben. Im Betrieb ist bekannt, dass es Corona-Infektionen gab? Eine Möglichkeit ist es, Rücksprachen und beratende Gespräche im Einzelfall anzubieten. Das ist bei anderen Krankmeldungen nicht der Fall. Hier werden die Kranken mit ihrem Krankheitsverlauf durch Anonymität geschützt. Aber Achtung: Den Datenschutz nicht vergessen!
Führungskräfte nehmen bei der Unterstützung der Betroffenen eine besondere Schlüsselrolle ein. Begleitende Gespräche und Unterstützung bei der Arbeitsverteilung und bei den Arbeitszeiten sind für die Betroffenen sehr wichtig, damit es erst gar nicht zu einem BEM-Fall kommt!
Fakt ist: Diese Leidtragenden brauchen eine Anlaufstelle. Betriebsräte können z.B. anhand der GBU-Psyche (Gefährdungsbeurteilung) die Belastungen der Mitarbeiter messen und bewerten. Auch Betriebsärzte können unterstützend und beratend hinzugezogen werden.
Wichtig ist, dass die Betroffenen nicht allein gelassen und professionell begleitet werden. Am besten präventiv bevor sie die Voraussetzungen für ein BEM-Verfahren erreichen. Die Vorraussetzungen dafür sind: Die Summe der krankheitsbedingten Fehltage (42 Kalendertage bei ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit (AU); bei wiederholter AU werden die Arbeitstage gezählt, z.B.: 30 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche usw. §167 Abs. II SGB IX).
Long Covid ist noch nahezu unerforscht
Jetzt ist Individualität beim betrieblichen Eingliederungsmanagement gefragt:
- Die BEM-Maßnahmen sollten individuell auf den Betroffenen angepasst sein. Und das so variabel wie möglich! Berücksichtigt werden müssen die Arbeitszeit, die Arbeitsbelastung, Stressfaktoren und der Arbeitsplatz selbst. Absprachen mit dem Betriebsarzt oder dem Hausarzt zusammen mit dem BEM-Fallmanager und dem Betroffenen können helfen.
- Ein intensiver Kontakt mit der Führungskraft, das Umverteilen des Arbeitsaufkommens und Absprachen zum Wohlbefinden am Arbeitsplatz helfen den Betroffenen, den Alltag zu bewältigen. Die Führungskraft sollte für diese Gespräche sensibilisiert und bestenfalls geschult sein.
- Eine Sensibilisierung des Themas Long Covid bei der Belegschaft, unter welchen Symptomen Betroffene leiden können, führt zu mehr Verständnis und Unterstützung bei den Kollegen.
Videotipp zum Thema:
Was können Sie speziell als Betriebsrat tun?
Nehmen Sie das Thema Long Covid generell ins betriebliche Gesundheitsmanagement mit auf. Hier können Sie als Betriebsrat Ihr Initiativrecht nutzen, wenn bestimmte Maßnahmen eingerichtet werden sollen. Betrachten Sie das Thema ganzheitlich und stimmen sich als Betriebsrat im Gesundheitszirkel mit dem Arbeitgeber, Betriebsarzt, den Sicherheitsbeauftragten und Krankenkassen ab. Ziel ist es, weniger oder kürzere Arbeitsunfähigkeit bei Long Covid-Betroffenen zu erreichen und die Betroffenen vor den psychischen Folgen ihrer Erkrankung zu schützen.
So individuell wie möglich:
- Prüfen Sie als Betriebsrat, ob wirklich alle Betroffenen ein Angebot zum betrieblichen Eingliederungsmanagement erhalten haben. Denn trotz der gesetzlichen Regelung zum Eingliederungsmanagement bekommen laut einer Auswertung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin nur 40 Prozent aller Berechtigten ein BEM-Angebot. Die Mehrheit – also 60 Prozent – erhält keine Hilfe.
- Denken Sie BEM einen Schritt weiter – am besten präventiv und mit einem offenen Suchprozess bei den Maßnahmen.
- Bieten Sie sich als Betriebsrat als Anlaufstelle für Ratsuchende an. Bevor die nötige Anzahl der Fehltage erreicht sind (§167 Abs. II SGB IX), können auch im Vorfeld präventiv Maßnahmen besprochen werden. Sie können auch Fehlzeiten vom Arbeitgeber fordern. Denken Sie an die organisatorischen Schutzvorkehrungen, da es sich um besonders sensible personenbezogene Daten handelt.
- Arbeiten Sie als Betriebsrat mit, die Fehlzeiten präventiv zu reduzieren. Wirken Sie im Monatsgesprächen auch immer wieder auf eine unterstützende Führung hin. Denn ein wertschätzendes und unterstützendes Führungsverhalten wirkt positiv auf die Entwicklung der Fehlzeiten aus.
- Wurden im BEM-Verfahren individuelle Maßnahmen für die Betroffenen festgelegt, dann sollten Sie diese nachhalten. Das hilft auch den Kollegen, die zukünftig von Long Covid betroffen sind.
Fazit: Das Ziel ist es, gesund zu arbeiten!
Auch wenn die Forschung rund um Long Covid noch in den Kinderschuhen steckt – eine betriebliche Gesundheitsförderung stärkt die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Kollegen im Unternehmen. Trotz Rückgang der Erkrankungen von Erwerbstätigen durch Arbeitsschutz und der modernen Medizin steigt die Zahl der Arbeitsunfähigen aktuell wieder an. Am 19. Januar 2023 erklärt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in der Presse „Wir haben eine Zunahme von psychischen Erkrankungen. Von Menschen, die aus der Bahn geworfen werden und deshalb nicht mehr arbeitsfähig sind. Deshalb ist „gesundes Arbeiten, übrigens auch flexible Arbeitszeitmodelle für Beschäftigte ganz, ganz wichtig, damit Menschen auch gesund bis zur Rente kommen können. Um psychische Belastungen zu verringern, braucht es „gute Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschäftigten“. Und dabei sind Sie als Betriebsrat gefragt! (sw)