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News Betriebsrat Interessenvertretung in Frankreich

Interessenvertretung in Frankreich

Oh là là, Grande Nation

Ganz Europa blickt aktuell nach Frankreich, wo mit der EM das Fußballereignis des Jahres stattfindet. Ein guter Zeitpunkt, einmal die Interessenvertretung unserer französischen Nachbarn unter die Lupe zu nehmen.

Stand:  6.6.2016
Lesezeit:  02:30 min
Interessenvertretung in Frankreich | © Fotolia.com | Ekaterina Pokrovsky

Was fällt einem spontan ein, wenn man an Frankreich denkt? Der Eiffelturm, vielleicht das Baguette – und natürlich die Streikwellen, die erst vor kurzem wieder über die Nachrichtenkanäle flimmerten. Denn die Franzosen haben eine völlig andere Streikkultur als wir, so viel steht fest. Aktuell setzen gerade die Gegner der Arbeitsmarktreform die französische Regierung mit Streiks und Blockaden unter Druck.

Gewerkschaften und Streikrecht

In Frankreich gilt das Streikrecht im Gegensatz zu Deutschland quasi als individuelles Menschenrecht. Streiks sind dort nicht das letzte Mittel, sondern vielmehr Teil der Verhandlungen. So etwas wie eine gewerkschaftlich garantierte Friedenspflicht gibt es, anders als bei uns, in Frankreich nicht. Es genügt ein politischer Anlass oder ein kleiner Zusammenschluss von Menschen, um die Arbeit niederzulegen – und das ist in der Regel sogar rechtmäßig. Die Kehrseite der Medaille ist, dass es keine gewerkschaftlichen Streikkassen gibt, und damit für den Arbeitsausfall keinen Lohnausgleich.

Interessant ist außerdem an französischen Gewerkschaften, dass sie geringe Mitgliederzahlen haben: Nur etwa 8 % der Arbeitnehmer sind Mitglied einer Gewerkschaft. Dabei sind sie in den Unternehmen zu finden: In Unternehmen mit mindestens 50 Arbeitnehmern kann eine Gewerkschaft Beschäftigte des Unternehmens gegenüber dem Arbeitgeber als Gewerkschaftsdelegierte (délégués syndicaux) benennen. Diese sitzen z.B. beim Abschluss von Firmentarifverträgen in der Verhandlungskommission.

Personaldelegierte

Neben den Gewerkschaftsdelegierten gehören in Frankreich die Personaldelegierten (délégués du personnel) zur Arbeitnehmervertretung. Sie werden in allen Betrieben gewählt, die mindestens elf Arbeitnehmer beschäftigen. Ihre Anzahl richtet sich nach der Belegschaftsstärke.

Aufgabe der Personaldelegierten ist es, dem Arbeitgeber alle individuellen oder kollektiven Anliegen vorzutragen, die sich auf die Einhaltung der Arbeitsgesetze oder die Beachtung der Tarifverträge beziehen.

Ebenso wie die Gewerkschaftsdelegierten haben Personaldelegierte einen bestimmten Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit und genießen einen besonderen Kündigungsschutz.

Und die Betriebsräte?

Als „französischer Betriebsrat" gilt wohl der Unternehmensausschuss (comité d'enterprise). Dieser verfügt allerdings über weniger Befugnisse als Betriebsräte in Deutschland. Etwas befremdlich ist zudem für uns, dass der Chef des Unternehmens bzw. sein Vertreter den Vorsitz im Unternehmensausschuss führt. Dass der Firmenchef die Betriebsratssitzung leitet ist ein Bild, dass man sich hier nicht wirklich vorstellen kann – und will!

Allerdings gehen die Rechte des „französischen Betriebsrats" auch nicht so weit wie bei uns. Zu den Aufgaben des Unternehmensausschusses gehören zum einen die Beratung der wirtschaftlichen und organisatorischen Angelegenheiten des Unternehmens, über die der Arbeitgeber informiert. Eine weitere Aufgabe sind Sozialeinrichtungen (wie Betriebskindergärten oder Werkskantinen) sowie Betriebsausflüge und Betriebsfeiern.

Ebenso wie die Gewerkschaftsdelegierten ist auch der Unternehmensausschuss erst ab mehr als 50 Beschäftigte im Unternehmen vorgesehen. Die Anzahl seiner Mitglieder hängt von der Zahl der Arbeitnehmer des Unternehmens ab. Und einen Anspruch auf bezahlte Freistellung gibt es auch, und zwar 20 Stunden pro Monat für seine ordentlichen Mitglieder.

Neue Interessenvertretung

Seit August 2015 erlaubt ein Gesetz Unternehmen mit bis zu 300 Arbeitnehmern die Zusammenlegung der Arbeitnehmervertretungsorgane zu einer einheitlichen Vertretung (délégation unique du personnel). Diese übt sämtliche Befugnisse sowohl des Betriebsrats als auch der Personalvertreter und des Ausschusses für Sicherheits- und Gesundheitsschutz aus. Unternehmen mit über 300 Beschäftigten können nach Absprache mit den Sozialpartnern ebenfalls die Vertretungsorgane zusammenlegen.

Zudem erhalten erstmals auch Arbeitnehmer in Betrieben mit weniger als 11 Angestellten eine Interessenvertretung. Dies geschieht über die Einrichtung von paritätisch besetzten Regionalausschüssen.

Und die Zukunft?

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In Frankreich gehen seit März tausende Menschen auf die Straße, um gegen eine geplante Reform des Arbeitsmarktes zu demonstrieren. Im Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit will die Regierung die 35-Stunden-Woche lockern, betriebsbedingte Kündigungen erleichtern und eine Obergrenze für Abfindungen einführen. Die Arbeitslosigkeit in Frankreich liegt seit Jahren bei etwa 10 %. Nach ersten, heftigen Protesten der Gewerkschaften und Demonstrationen von mehr als 200.000 Schülern und Studenten wurden die umstrittenen Vorschläge bereits abgeschwächt. Trotzdem wird weiter demonstriert. Im Mai blockierten streikende Arbeiter einen erheblichen Teil der Raffinerien des Landes. Dadurch bildeten sich im Westen und im Norden des Landes sowie teilweise im Großraum Paris lange Schlangen an den Tankstellen, der Sprit wurde knapp.

Ende offen? Offiziellen Angaben zufolge soll das Gesetzgebungsverfahren Mitte Juni abgeschlossen sein ...

Frankreich in Zahlen

Frankreich ist mit ca. 66,6 Mio. Einwohnern (Deutschland: 83 Mio.) die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt und neben Deutschland das wichtigste Industrieland Europas.

Besondere Stärken der französischen Wirtschaft sind Dienstleistung und Tourismus, Luftfahrt, Energie, Landwirtschaft und Ernährung, Luxusartikel, pharmazeutische Produkte, Chemie und Elektronik.

Deutschland und Frankreich sind wichtige Handelspartner, auch wenn das deutsche Handelsvolumen mit den USA im Jahr 2015 erstmals seit 40 Jahren knapp größer war als der Warenaustausch mit Frankreich. 2015 belief sich das Handelsvolumen mit Frankreich (Einfuhr und Ausfuhr) auf insgesamt 173,2 Mrd. € (2014: 169,4 Mrd. €).

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