Allgemein: Privatsphäre vs. Weisungsrecht
Zunächst einmal kann jeder Mitarbeiter frei entschieden, was angezogen wird. Die Auswahl von Bekleidung, Frisur und Schmuck gehört zur Privatsphäre des Arbeitnehmers und ist durch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz) geschützt. Mit dem Abschluss eines Arbeitsvertrages unterwerfen sich die Beschäftigten dem Weisungsrecht des Arbeitgebers und verpflichten sich, die Interessen des Betriebes zu wahren. Dazu können mitunter auch Vorgaben über das äußere Erscheinungsbild gehören.
Da Veränderungen des Stylings sich auch nach Dienstschluss auf das Privatleben auswirken, muss es für solche Vorgaben besonders wichtige Gründe geben. Nur wenn es zum Beispiel aus hygienischen Gründen oder zur Einhaltung notwendiger Sicherheitsvorschriften erforderlich ist, darf der Arbeitgeber über das Erscheinungsbild seiner Mitarbeiter bestimmen. Dazu gehört auch Dienst- oder Sicherheitskleidung. Das Tragen von Dienstkleidung – zum Schutz der Beschäftigten oder um diese für Kunden erkennbar zu machen – ist in vielen Betrieben üblich. Doch oftmals werden von Arbeitgeberseite, über die Bekleidungsvorschriften hinaus, Anforderungen an das sonstige Outfit und Styling während der Arbeitszeit gestellt.
Beispiele aus der Praxis:
Im Februar 2019 entschied das Arbeitsgericht Aachen, dass die Weisung des Arbeitsgebers rechtmäßig sei, wonach in einem Seniorenheim die Fingernägel des gesamten Personals kurz geschnitten und unlackiert sein mussten (ArbG Aachen, 21.02.2019 – 1 CA 1909/18).
In der oben angesprochenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Aachen waren die vom Arbeitgeber verordneten kurzen, unlackierten Fingernägel aus hygienischen Gründen gerechtfertigt. Kurze Fingernägel verhindern die Verbreitung von Keimen und minimieren das Verletzungsrisiko bei der Pflege. Das Persönlichkeitsrecht der Pflegekräfte muss in diesem Fall hinter den Gesundheitsschutz der Senioren zurücktreten.
In einem älteren Rechtsstreit entschied das Landesarbeitsgericht Köln, dass eine Sicherheitsfirma dem von ihr angestellten Wachpersonal keine Vorschriften über Haarfarbe und Nagellack machen durfte. Das Gericht sah keinen wichtigen Grund, warum dies für die Tätigkeit dringend erforderlich sei (LAG Köln, Urteil vom 18.08.2010, 3 TaBV 15/10).
Wie weit dürfen Chefs über das Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter bestimmen, wenn es um Körperschmuck, Haar- und Barttracht und Tätowierungen geht?
Leider gibt es dazu keine allgemein gültige Regel im Arbeitsrecht. Geht der Konflikt mit einem konservativ eingestellten Arbeitgeber bis vor das Arbeitsgericht, wird bei jedem einzelnen Fall geprüft, ob die Persönlichkeitsrechte eines Mitarbeiters für das unternehmerische Interesse eingeschränkt werden dürfen. Es muss eine gute Begründung vonseiten des Arbeitgebers geben.
Auf den Job kommt es an!
Bei bestimmten Berufen gibt es Vorschriften für die Arbeitssicherheit und Hygiene. Während Kunstnägel, kantiger Schmuck oder Nagellack in der Küche oder in Krankenhäusern und Pflege zu Diskussionen führen können, so ist er im Verkauf und in Dienstleistungsberufen sicher kein Problem. Auch die Sichtbarkeit des Körperschmucks ist ein Thema. Versteckt unter T-Shirt und Hemd kann niemand wirklich vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hat. Ein sichtbares Piercing ist bei der Arbeit zwar abzulegen, wenn der Arbeitgeber das verlangt. Die Firma hat aber nicht das Recht, das Piercing an sich komplett zu verbieten.
Dagegen sind Tattoos bei der Polizei oder im öffentlichen Dienst oft unerwünscht. Auch hier gibt es inzwischen unterschiedliche Urteile. Großflächige, sichtbare Tattoos sind hier nach Ansicht der Rechtsprechung oft ein Einstellungshindernis. Die Begründung: Die Polizei ist ein Repräsentant des Staates und sollte möglichst neutral auftreten. Eine Tätowierung kann nach Ansicht der Rechtsprechung und der Polizei schnell zu Provokationen führen.
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch aber nicht nach Tätowierungen fragen. Sie sind Privatangelegenheit des Bewerbers. Anders jedoch, wenn die Tätowierung gut sichtbar ist (beispielsweise am Hals, Dekolleté etc.). Entscheidend ist sicher auch, ob die Tätowierung eine bestimmte Symbolkraft hat oder eine gewisse Gesinnung erkennen lässt.
Beispiele aus der Praxis:
Ein tätowierter Bewerber hatte sich auf eine Stelle im Objektschutz der Berliner Polizei beworben. Der Arbeitgeber, das Land Berlin, lehnte ihn aufgrund seiner Tätowierungen ab. Die Tätowierungen waren sichtbar und zeigten Revolverpatronen, Totenköpfe und das Wort „Omerta“, ein im Bereich der organisierten Kriminalität genutzter Ausdruck für ein Schweigegelübde.
Auch das Tragen einer Brille kann unter Umständen im Job hinderlich sein wie beim Arbeiten im Kühllager: Der Arbeitnehmer hat ständig eine beschlagene Brille. Hier könnten Kontaktlinsen die Lösung sein. Umgekehrt kann das Tragen von Kontaktlinsen beim Umgang mit Gefahrstoffen gefährlich sein. In jedem Fall gehen die Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers vor.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Bevor ein Konflikt eskaliert, sollte sich der Arbeitnehmer zuerst an den Betriebsrat wenden. Oft lassen sich Kompromisse finden. Der Betriebsrat hat ein Recht zur Mitbestimmung bei der Einführung von Kleiderordnungen oder sonstigen Dresscodes aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Möchte der Arbeitgeber den Beschäftigten besondere Vorgaben zum Aussehen machen, ist es sinnvoll, diese in einer Betriebsvereinbarung klar zu regeln.(sw)