„Die Schuld des Penis am Klimawandel!" – Ganz ehrlich, wer einen Newsletter mit dieser Überschrift von seinem Betriebsrat erhält, der wird bestenfalls neugierig, wohl eher aber arg kritisch reagieren. Auch der Walldorfer Softwarekonzern SAP fand diese und andere Schreiben seines Betriebsratsmitglieds nicht lustig und sprach ihm erst eine Abmahnung, Anfang August dann eine außerordentliche Kündigung aus. Der Fall landete vor Gericht, nun wird eine Einigung über einen Güterichter (vgl. den Kasten „Was ist ein Güterichter?") gesucht. Ende noch offen.
Was ist ein Güterichter?
Vor dem Arbeitsgericht wird im „Gütetermin" immer erst einmal eine Einigung zwischen den Parteien gesucht. Doch hier ist die Zeit meist knapp. Gerade wenn es um viele Streitpunkte geht oder die Kommunikation zwischen Beschäftigtem und Arbeitgeber gestört ist, kann die Suche nach einem Kompromiss länger dauern. Für diese Fälle sieht § 54 Absatz 6 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) ein sogenanntes Güterichterverfahren vor. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen. Das Güterichterverfahren ist ein freiwilliges Verfahren; es wird also nur durchgeführt, wenn die Beteiligten damit einverstanden sind. Es ist nicht öffentlich.
Meinungsfreiheit – und ihre Grenzen
Im Grunde geht es auch im SAP-Fall darum, welche Äußerungen von Betriebsräten ok sind – und welche unter Umständen nicht. Denn auf der einen Seite gibt es die Meinungsfreiheit, die sogar durch das Grundgesetz geschützt ist (vgl. Art 5 GG). Auch wenn der Betriebsrat als Gremium ansich nicht Grundrechtsträger ist, kann er sich doch darauf berufen – eine rein wissenschaftliche Diskussion. Auf der anderen Seite sind Beleidigungen natürlich nicht erlaubt, können eine grobe Pflichtverletzung im Sinne von § 23 Abs.1 Satz 1 BetrVG darstellen und sind und zum Teil sogar strafbar.
Eine Gratwanderung für Sie als Interessenvertreter? Nein – wenn Sie ein paar wichtige Spielregeln beachten.
Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (...)
Um es scherzhaft mit Mark Twain zu sagen: Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen - vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir. Das funktioniert zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber natürlich meistens so nicht. Betriebsräte sollen die Interessen ihrer Kollegen vertreten – und müssen daher grundsätzlich auch ein offenes Wort sprechen dürfen. Aber: Gemäß. § 74 Abs. 2 BetrVG haben sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat alles zu unterlassen, durch das der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden könnte.
So dürfen Betriebsräte die Arbeitnehmer beispielsweise nicht politisch beeinflussen, denn sie müssen parteipolitische Betätigungen im Betrieb unterlassen. Das Betriebsverfassungsgesetz lässt nach § 74 Abs. 2 Satz 3 politischen Meinungsäußerungen des Betriebsrats nur dann zu, wenn sie „betriebsbezogen" sind. Das Thema muss also einen bestimmten Bezug zum eigenen Betrieb haben.
Kritik ist ok, solange ...
Kritik gegenüber dem Arbeitgeber ist überhaupt kein Problem, solange sie sachlich bleibt.
Und natürlich muss es dem Betriebsrat möglich sein, dass er die Kollegen über laufende Verfahren oder Vorgänge informiert – auch wertend. Ironie und Provokation helfen dabei sicherlich, Interesse zu wecken und eine Diskussion anzuregen. Aber zuvor sollte sich jeder Betriebsrat überlegen, wo die berechtigte Kritik am Arbeitgeber aufhört und ab wann Äußerungen den Betriebsfrieden stören und dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit entgegenstehen.
Aufpassen sollte man etwa bei fragwürdigen Vergleichen. Unzulässig und überzogen ist beispielsweise ein Vergleich des Arbeitgebers mit dem Regime der früheren DDR („Methoden der Staatssicherheit"). Denn dies hat einen beleidigenden Charakter und ist deshalb nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Einem Betriebsratsmitglied, der diesen Vergleich zog, wurde prompt gekündigt – doch er gewann den Kündigungsschutzprozess. Die Richter entschieden in der Interessenabwägung, dass ein Arbeitnehmervertreter auch die Möglichkeit haben müsse, die Meinung des Gremiums deutlich darzustellen.
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse
Bei Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen hört der Spaß auf: Dies ist in § 78 BetrVG gesetzlich geregelt. Möchte der Arbeitgeber, dass über eine Angelegenheit Stillschweigen gewahrt wird, muss er den Betriebsrat aber grundsätzlich ausdrücklich darauf hinweisen, dass er eine Information als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ansieht. Sei es die geheime Cola-Rezeptur oder eine Kundenliste: Zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen können Tatsachen, Erkenntnisse und Unterlagen gehören, die im Zusammenhang mit dem technischen Betrieb oder der wirtschaftlichen Betätigung des Unternehmens stehen und die nicht offenkundig sind. Aber: Eine Angelegenheit kann nicht willkürlich zum Geschäftsgeheimnis gemacht werden! Die Bekanntgabe muss z.B. einen Nachteil gegenüber der Konkurrenz bewirken.
Übrigens: Bei der aktuellen wirtschaftlichen Situation des Betriebs und der möglichen Konsequenzen für den Bestand der Arbeitsplätze handelt es sich i.d.R. um Informationen wirtschaftlicher Art, die den Betrieb und seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen. Der Betriebsrat darf darüber grundsätzlich in der Betriebsversammlung informieren, vgl. § 45 BetrVG.
Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Schweigen muss der Betriebsrat auch über persönliche Informationen und Daten von Beschäftigten. Eine Weitergabe würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht des jeweiligen Arbeitnehmers verletzen.
Äußern vor der Kamera?
Wenn die Aufträge zurückgehen oder das Unternehmen in Schieflage gerät, treten Betriebsräte häufig vor die Kamera. Und das ist auch gut so. Die Sicht der Arbeitnehmervertreter ist in diesem Fall in der Regel eine andere als die des Arbeitgebers; der Betriebsrat kann helfen, öffentlichen Druck aufzubauen. Aber bitte immer in den aufgezeigten Grenzen!
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