Leckere Tapas, duftende Pinienhaine und unglaubliche 3.000 Sonnenstunden in Jahr – Spanien zieht als attraktives Einwanderungsland insbesondere auch hiesige Rentner an. Innerhalb der EU belegt Spanien den zweiten Platz in Bezug auf die Anzahl deutscher Rentenempfänger, die dort leben (183.000). Italien führt diese Liste mit 354.000 Empfängern an. Den dritten Platz belegt Österreich mit 98.000 deutschen Ruheständlern.
Doch nicht nur aus dem Ausland, auch innerhalb Spaniens nimmt die Zahl der “Silver Surfer” stetig zu. Die Generationenkluft zwischen den zahlenden Erwerbstätigen und den Rentenempfängern wird dabei immer größer. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Spanien mit etwa 1,3 Kindern pro Frau eine der niedrigsten Geburtenraten in der Europäischen Union und sogar weltweit aufweist. Im Vergleich dazu betrug dieser Wert in Deutschland, das ebenfalls seit Jahren mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hat, 2022 bei rund 1,5. Wie viele andere Länder steht Spanien somit vor einer gewaltigen Rentenproblematik. Ein zügiges Handeln war nötig! Trotz scharfer Kritik der Opposition hat die spanische Regierung im März 2023 eine Rentenreform verabschiedet – ein Schritt in Richtung mehr Generationengerechtigkeit. Lassen Sie uns einen Blick hinter die Renten-Kulissen des beliebten Reiseziels der Deutschen werfen.
Wie gestaltet sich die Altersstruktur der spanischen Bevölkerung?
Im Jahr 2022 umfasste die Bevölkerung Spaniens etwa 47,6 Millionen Menschen; Platz vier nach Einwohnerzahl im EU-Vergleich. Das Land zählt mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von etwa 84 Jahren i(2022) weltweit zu den Ländern mit der höchsten Lebenserwartung.
Im selben Jahr betrug der Anteil der Altersgruppen in der spanischen Bevölkerung geschätzte 13,8 % im Alter von 0 bis 14 Jahren, etwa 65,9 % im Alter von 15 bis 64 Jahren und ungefähr 20,3 % im Alter von 65 Jahren und älter. Die Prognosen bis 2050 deuten jedoch auf erhebliche Veränderungen dieser Zahlen hin – mit einer Steigerung von 16,3 % bei den “Ü65”, den über 65-Jährigen!
Ähnlich wie in Deutschland gilt auch in Spanien: Personen, die über einen längeren Zeitraum Beiträge in das Rentensystem eingezahlt haben, können früher in den Ruhestand gehen.
Wann gehen die Spanier in Rente?
Bereits im Jahr 2011 erzielte die spanische Regierung eine Einigung mit den Gewerkschaften, um das gesetzliche Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre anzuheben. Diese Anpassung erfolgt in Spanien im Rahmen einer stufenweisen Übergangsphase, bei der das Renteneintrittsalter jedes Jahr um einige Monate verschoben wird. Die festgelegte Grenze von 67 Jahren wird dabei im Jahr 2030 erreicht. Wer beispielsweise im Jahr 2023 in Spanien in den wohlverdienten Ruhestand treten möchte, kann dies regulär vier Monate nach seinem 66. Geburtstag tun.
Ähnlich wie in Deutschland gilt auch in Spanien: Personen, die über einen längeren Zeitraum Beiträge in das Rentensystem eingezahlt haben, können früher in den Ruhestand gehen. In Spanien genügen hierfür 37 Beitragsjahre und neun Monate, um bereits mit 63 Jahren die Renten-Ruhe zu genießen – eine Zeitspanne, die im Vergleich zu Deutschland erheblich kürzer ist. Um Anspruch auf eine gesetzliche Rente zu haben, müssen Erwerbstätige jedoch mindestens 15 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt haben. Bei uns passiert das schon nach 5 Jahren!
Die spanische Regierung reagiert mit der Rentenreform auf eine Forderung der Europäischen Union.
Wie gestaltet sich die Rentenreform in Spanien?
Die spanische Regierung reagiert mit der Rentenreform auf eine Forderung der Europäischen Union, die weitere Mittelauszahlungen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds an entsprechende Maßnahmen geknüpft hatte. Ziel ist es, die finanzielle Tragfähigkeit des Rentensystems sicherzustellen, insbesondere vor dem Hintergrund der bevorstehenden Ruhestandswelle der geburtenstarken Jahrgänge, der sogenannten "Babyboomer". Die Reform zielt darauf ab, die Einnahmen der Rentenkasse zu verbessern und gleichzeitig die unteren Renten anzuheben.
Aktuell liegt der Beitragssatz bei 28,9 % des Einkommens, wovon 24,1 % von den Arbeitgebern und 4,8 %t von den Arbeitnehmern getragen werden. Selbstständige konnten bisher die Höhe ihrer Beiträge selbst festlegen, ab 2023 wird sie jedoch anhand der erwarteten Einkünfte berechnet. Seit 2011 fallen auch alle neu in den öffentlichen Dienst eintretenden Beamten unter die allgemeine Sozialversicherung, was das bisherige Pensionssystem für Beamte allmählich beendet.
Eine Besonderheit der Rentenreform liegt darin, dass die Renten aktuell an die Inflation gekoppelt und kontinuierlich angehoben werden.
Eine Besonderheit der Rentenreform liegt darin, dass die Renten aktuell an die Inflation gekoppelt und kontinuierlich angehoben werden. Die Regierung kündigte im Oktober 2022 eine Rentenerhöhung um 8,5 % im Jahr 2023 an, was verständlicherweise insbesondere von der überwiegend älteren Bevölkerung freudig aufgenommen wurde. Um die steigenden Ausgaben des Rentensystems durch die Rentner-Schwemme der Babyboomer zu finanzieren, werden vor allem die Einnahmen erhöht. Dafür bittet Spanien die Erwerbstätige mit einem Bruttoeinkommen von über 4.500 Euro pro Monat stärker zur Kasse. Bislang war der Rentenbeitrag ab diesem Betrag eingefroren, was Spanien zu einem der großzügigsten Systeme für Besserverdiener in Europa machte. Sozialabgaben-Paradis ade!
Die Rentenbeiträge der oberen Gehaltsklassen sollen von 2024 bis 2050 jährlich um die Inflationsrate plus 1,2 % steigen, begleitet von einem Solidaritätszuschlag für besonders hohe Gehälter. Die Maximalrente wird im Gegenzug ebenfalls erhöht, jedoch unterhalb des Beitragsanstiegs. Der Ausgleichsmechanismus, der auf alle Beiträge der einzahlenden Erwerbstätigen erhoben wird, steigt bis 2029 von derzeit 0,6 % auf 1,2 %. Mindestrenten werden dem gesetzlichen Mindestlohn angepasst, und es gibt Regelungen, um geringere Bezüge für Frauen auszugleichen.
Ein neuer Aspekt dabei ist, dass Beitragszahler nicht nur im Sinne eines Generationenausgleichs für die kommende Generation sparen, sondern vorwiegend für ihre eigene Rente. Aufgrund demografischer Daten wird diese Form der Renten-Eigenfinanzierung ab 2050 laut Experten nicht mehr erforderlich sein.
Fazit: Vergleich zu Deutschland
Die spanische Rentenreform präsentiert sich als gezielte Antwort auf aktuelle Herausforderungen, die von der Anpassung des Renteneintrittsalters über die Berücksichtigung der demografischen Entwicklung bis zur Koppelung der Renten an die Inflation reichen. Die Einbindung in europäische Kontexte, insbesondere im Zusammenhang mit dem Corona-Wiederaufbaufonds, unterstreicht die Notwendigkeit einer nachhaltigen finanziellen Planung. Im Vergleich zu Deutschland fällt auf, dass Spanien mit der Rentenerhöhung an die Inflation einen dynamischeren Ansatz verfolgt. Bemängelt wird das Vernachlässigen der Jugend in Spanien, die auch bei politischen Wahlen in der Minderzahl sind und das Geld für Bildung dringend benötigen würden. Die Erhöhung der Beitragssätze für Besserverdiener sowie die schrittweise Anpassung der Rentenbeiträge in den oberen Gehaltsklassen tragen zur finanziellen Ausgewogenheit bei, während Deutschland weiterhin auf einen Generationenausgleich setzt. Die Berücksichtigung von Mindestrenten und Ausgleichsmechanismen für Frauen zeigt in Spanien ein stärkeres Bemühen um soziale Gerechtigkeit. Ob dieser Ansatz auf die Dauer finanzierbar ist, bleibt abzuwarten. (sw)