Begonnen hat alles vor zwei Jahren vor dem Kammergericht in Berlin. Erzberger klagte gegen den TUI-Konzern. Sein Vorwurf lautet, dass die deutsche paritätische Mitbestimmung bei internationalen Unternehmen diskriminierend sei. Begründung: Von den ca. 50. 000 TUI-Beschäftigten arbeiten 80 % in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Diese bleiben bei Aufsichtsratswahlen deutscher Konzerne außen vor.
Diskriminierend und einschränkend?
Es bestehe tatsächlich die Möglichkeit, dass der Aufsichtsrat einseitig die Interessen der Arbeitnehmer in Deutschland berücksichtige, beschied auch das Kammergericht (Az. 14 W 89/15). Arbeitnehmer könnten „durch die deutschen Mitbestimmungsregelungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert werden“.
Der Senat sah es ferner als vorstellbar an, dass durch die deutschen Mitbestimmungsregelungen auch die Freizügigkeit verletzt wird: Eventuell würden Arbeitnehmer wegen des Verlusts ihrer Mitgliedschaft im Aufsichtsrat davon abgehalten, sich in anderen EU-Mitgliedstaaten zu bewerben.
Zur Klärung dieser Fragen riefen die Berliner Richter den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg an (EuGH, C-566/15).
Es steht viel auf dem Spiel
Zu Recht war der Aufschrei groß, für Deutschland geht es um viel. Denn, um es mit den Worten von Ex-Bundespräsident Joachim Gauck zu sagen: Mitbestimmung und die Akzeptanz von Mitbestimmung ist gelebte Sozialpartnerschaft. Auch Politik, Gewerkschaften und sogar Arbeitgebervertreter verteidigen die in Deutschland geltende Rechtslage. Die Konsequenzen einer Europarechtswidrigkeit wären verheerend.
Erstes vorsichtiges Aufatmen …
Ende Januar fand nun am Europäischen Gerichtshof die mündliche Anhörung statt. Diese brachte vor der Großen Kammer mit 15 Richtern ein erstes vorsichtiges Aufatmen: Denn die EU-Kommission stellte sich auf die Seite der Mitbestimmung. „Arbeitnehmermitbestimmung ist ein wichtiges politisches Ziel. Jede daraus möglicherweise resultierende Beschränkung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern kann durch die Notwendigkeit gerechtfertigt werden, das System der Mitbestimmung und dessen soziale Ziele zu schützen. Folglich ist die Kommission der Auffassung, dass die bestehenden deutschen Vorschriften als mit dem EU-Recht vereinbar angesehen werden können.“
Wie geht es weiter?
Ist die deutsche Mitbestimmung EU-rechtskonform? Gewiss ist im Moment leider nur, dass man keine sichere Prognose abgeben kann, wie der EuGH entscheiden wird.
Im Mai werden die Schlussanträge des Generalanwalts erwartet. Bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts werden dann noch einmal ein paar Monate vergehen. Sie wird im Sommer erwartet.
Paritätische Mitbestimmung
Derzeit gibt es in Deutschland mehr als 630 Unternehmen mit in der Regel über 2.000 Mitarbeitern, die nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 paritätisch mitbestimmt sind.