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Außerordentliche Kündigung: Recht auf Arbeitsverweigerung in der Pandemie?

Endlich Urlaub! Auch wenn die Freude groß ist – der bevorstehende Urlaub rechtfertigt auch in Pandemiezeiten keinen eigenmächtigen Rückzug ins Home-Office. Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, die Arbeit vor Ort im Betrieb zu erbringen, um die Urlaubsreise zur Familie nicht durch eine Ansteckung mit dem Sars-CoV-2-Virus zu gefährden, führte im vorliegenden Fall zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. Der Arbeitnehmer bezeichnete sich selbst als Risikopatient.

Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 11. März 2021, 6 Ca 1912 c/20

Stand:  10.5.2021
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Das ist passiert:

Der Arbeitnehmer war als Web-Entwickler beschäftigt; und bei seiner Arbeitgeberin als einziger Mitarbeiter für die Betreuung der Produktivsysteme zuständig. Er teilte mit, dass er Risikopatient sei und arbeitete in der Folgezeit wie die überwiegende Anzahl der Mitarbeiter im Home-Office.
Weil dem Arbeitnehmer eine veränderte Position angeboten worden war, erhielt er von der Arbeitgeberin die Anweisung, noch vor seinem fünfwöchigen Erholungsurlaub die zwei für seine bisherige Tätigkeit neu eingestellten Mitarbeiter vor Ort im Betrieb einzuarbeiten.
Der Weisung kam der Arbeitnehmer nur an zwei Tagen nach, wobei er am zweiten Tag die Einarbeitung eigenmächtig vorzeitig beendete. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin wies den Arbeitnehmer an, die Einarbeitung vor Ort in den Betriebsräumlichkeiten bis zum Urlaubsbeginn fortzusetzen. Dies hat der Arbeitnehmer explizit verweigert. Als er tatsächlich nicht mehr im Betrieb erschien, wiederholte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin seine Aufforderung in elektronischer Form.
Der Kläger teilte mit, dass er die Einarbeitung als erledigt betrachte. Er erklärte ferner, dass er wegen Corona nicht persönlich zur Arbeit gehen wolle, da seine Urlaubsreise in sein Heimatland bereits geplant sei, und er nicht das Risiko eingehen wollen, sich in der Firma noch zu infizieren. Auf nochmalige Nachfrage bekräftigte der Arbeitnehmer seinen Standpunkt.
Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer außerordentlich aus wichtigem Grund.

Das entschied das Gericht:

Das Gericht wertete das Verhalten des Arbeitnehmers als beharrliche Weigerung, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen und hielt die außerordentliche Kündigung für wirksam. Die Weisung der Arbeitgeberin, der Arbeitnehmer möge seine Arbeitsleistung in den zwei Wochen vor dem Antritt seines fünfwöchigen Urlaubs im Betrieb vor Ort erbringen, sah das Gericht sowohl durch den Arbeitsvertrag – der nicht auf die Tätigkeit im Home-Office ausgelegt war – als auch durch das arbeitsvertragliche Weisungsrecht gedeckt.

Das Gericht stellte fest, dass die Umstände vor Ort im Betrieb allen arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben entsprachen. Gleichermaßen hätte die Weisung der Arbeitgeberin die beiderseitigen Interessen in hinreichendem Maße berücksichtigt. Allein die Behauptung des Arbeitnehmers, er sei aufgrund einer Asthmaerkrankung Risikopatient, schließt eine Beschäftigung vor Ort nicht generell aus.

Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund Vorerkrankung ein attestiertes, derartig hohes Risiko für einen schweren Corona-Erkrankungs-Verlauf hätte, dass jegliche Beschäftigung im Büro mit anderen Mitarbeitern unverantwortlich wäre. Der Arbeitnehmer selbst begründete seine Arbeitsverweigerung nicht einmal mit seinem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, sondern mit der Gefährdung seiner Urlaubsreise. 

Das Gericht sah es als gerechtfertigt an, dass die Arbeitgeberin auf die Einarbeitung von Mitarbeitern in Präsenz bestand und bestimmen wollte, wann die Einarbeitung beendet ist. Aufgrund des fünfwöchigen Urlaubs war die Arbeitgeberin erkennbar darauf angewiesen, dass die beiden neuen Mitarbeiter in Bezug auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers als einzigen Kompetenzträger wirklich gut eingearbeitet werden.

In keinem Fall hätte die Arbeitgeberin bei der Ermessensausübung das Interesse des Arbeitnehmers berücksichtigen müssen, dass dieser auch tatsächlich zu einem bestimmten Urlaubsziel reisen kann, indem er sich vorab quasi in häusliche Quarantäne begibt. Die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung sei keine Vorbereitung für einen geglückten Urlaub.

Eine einschlägige Abmahnung hielt das Gericht im vorliegenden Fall nicht für erforderlich, da der Arbeitnehmer mehrfach erklärte, seiner Verpflichtung, die Arbeitsleistung vor Ort zu erbringen, nicht nachkommen zu wollen.

Praxishinweis:

Allgemeine Arbeitsschutzregeln und zahlreiche Corona-Regeln verpflichten den Arbeitgeber, die Örtlichkeit der Arbeitsleistung so zu gestalten, dass Arbeitnehmer weitgehend gegen Gefahr für Leben und Gesundheit geschützt sind. Aus dieser Verpflichtung des Arbeitgebers sollten Arbeitnehmer allerdings nicht ableiten, dass sie eigenmächtig dem Arbeitsplatz fernbleiben können, wenn sie der Auffassung sind, der Arbeitgeber komme seiner Verpflichtung nicht ausreichend nach. Dieser Schuss kann – wie am vorliegenden Fall erkennbar ist – schnell nach hinten losgehen. Insbesondere bei offensichtlich undurchdachter Argumentation! (sf)

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