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Ist ein Abfindungshöchstbetrag im Sozialplan zulässig?

Stellt die Deckelung einer Sozialplanabfindung eine Altersdiskriminierung dar? Darüber hatte das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden. 

BAG,  Urteil vom 07.12.2021, Az. 1 AZR 562/20

Stand:  11.3.2022
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Das ist passiert: 

Die Betriebsparteien schlossen einen Sozialplan zur Schließung eines Werks. Dieser sieht für alle Arbeitnehmer, die betriebsbedingt gekündigt werden, einen Anspruch auf eine Abfindung vor, die sich nach der Formel „Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatseinkommen x Faktor“ berechnet. Der Faktor beträgt bis zur Vollendung des 40. Lebensjahrs 0,25, ab einem Alter – am Stichtag 30.6.2019 – von 41–50 Jahren 0,35, von 51–55 Jahren 0,75, von 56–58 Jahren 0,95, von 59–60 Jahren 0,85, von 61 Jahren 0,55, von 62 Jahren 0,25 und von 63–66 Jahren 0,15. 

Neben weiteren üblichen Anrechnungsbeträgen, z. B. für Kinder, ist geregelt:
„…Der sich insgesamt ergebende Abfindungsbetrag (Gesamtabfindung) wird auf einen max. Höchstbetrag von 75.000 € pro Arbeitnehmer beschränkt. Für Mitarbeiter, die 62 Jahre und älter am Stichtag 30.6.2019 sind, beträgt der Höchstbetrag 45.000 EUR.“
 

Das entschied das Gericht:

 Die Begrenzung der Sozialplanabfindung auf 75.000 EUR ist geeignet, Arbeitnehmer einer bestimmten Alterskohorte in besonderer Weise zu benachteiligen, da sie typischerweise bei diesen eingreifen kann. Die vorgesehene Berechnungsformel ermöglicht für 51- bis 60-jährige Arbeitnehmer eine – im Verhältnis zu den anderen Altersgruppen – besonders hohe Abfindung. Zum anderen fällt die Sozialplanabfindung aufgrund der Berechnungsformel umso höher aus, je länger die Betriebszugehörigkeit war. Hieraus ergibt sich, dass Arbeitnehmer der Altersgruppe 51–60 Jahre eher vom festgelegten Maximalbetrag betroffen sein können.
Eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG sei aber deshalb nicht gegeben, weil die Begrenzung der Sozialplanabfindung auf den Betrag von höchstens 75.000 EUR durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zu dessen Erreichung erforderlich und angemessen sind.
Mit der Festlegung einer maximal zu zahlenden Abfindung soll ersichtlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die für den Sozialplan zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel limitiert sind. Da die Abfindungen für Arbeitnehmer der Altersgruppe 51–60 Jahre wegen der höheren Faktoren und ihrer regelmäßig längeren Betriebszugehörigkeit typischerweise besonders hoch ausfallen, bezweckt die Regelung die Sicherstellung von Verteilungsgerechtigkeit. Vor dem Hintergrund begrenzter Sozialplanmittel soll möglichst allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden.
Die Höchstbetragsregelung ist nach dem BAG weiter auch geeignet, erforderlich und angemessen.
Sie ist geeignet, das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit unter Berücksichtigung des beschränkten Sozialplanvolumens zu erreichen. Durch die festgelegte Obergrenze der Abfindungshöhe wird ein – durch die Faktoren der Berechnungsformel ermöglichter – erheblicher Anstieg der Abfindung für die Altersgruppe der 51- bis 60-jährigen Arbeitnehmer verhindert und dadurch gewährleistet, dass auch für die anderen von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer noch Mittel zur Zahlung von Sozialplanabfindungen zur Verfügung stehen.
Die Bestimmung ist auch erforderlich, um möglichst allen betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe zu gewähren. 
Die Begrenzung der Sozialplanabfindung auf den Betrag von höchstens 75.000 EUR ist schließlich angemessen. Die Regelung führt nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der von ihr betroffenen Arbeitnehmer.
Sozialpläne haben typischerweise eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die dort vorgesehenen Leistungen sind kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlusts ausgleichen oder zumindest abmildern. Dabei müssen die Betriebsparteien die mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile nicht vollständig kompensieren. Der von ihnen vereinbarte Sozialplan darf lediglich den Normzweck nicht verfehlen, die wirtschaftlichen Nachteile zu mildern. Dies kann regelmäßig nur in typisierender und pauschalierender Form geschehen, weil die für den einzelnen Arbeitnehmer zu erwartenden Nachteile nicht konkret voraussehbar sind.
Die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 75.000 EUR stellt eine substanzielle Milderung der Nachteile der vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer dar. Die überproportionale Betroffenheit der vorletzten Altersgruppe von der Kappungsgrenze steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Bevorzugung durch die Berücksichtigung sowohl eines altersabhängigen Faktors als auch der Betriebszugehörigkeit für die Berechnung der Abfindungshöhe. In der Sache beschränkt der vereinbarte Höchstbetrag lediglich die durch diese Berechnungsweise bewirkte Begünstigung der Arbeitnehmer. 

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