Bei der Schließung eines Betriebes, der durch Tarifvertrag Teil eines Gemeinschaftsbetriebs ist, kann das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds trotz des besonderen Kündigungsschutzes gekündigt werden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.06.2019, 2 AZR 38/19
Drei Betriebsstätten mehrerer Gesellschaften eines Konzerns wurden im März 2016 durch einen „Strukturtarifvertrag" nach 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu einer betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit mit einem Betriebsrat zusammengefasst. Eine der drei Betriebsstätten sollte 2018 geschlossen werden. In diesem Zuge erhielt ein Mitarbeiter dieses Betriebs am 28. November 2017 eine betriebsbedingte Kündigung, die zum Zeitpunkt der Schließung, am 30.Juni 2018, wirksam werden sollte. Der Mitarbeiter war Ersatzmitglied des betriebsübergreifenden Betriebsrats und hatte zuletzt im April 2017 vertretungsweise an einer Betriebsratssitzung teilgenommen.
Das Ersatzmitglied klagte gegen die Kündigung, unter anderem mit der Begründung, die ordentliche Kündigung sei wegen des nachwirkenden besonderen Kündigungsschutzes für Betriebsratsmitglieder nach § 12 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ausgeschlossen, da der durch Tarifvertrag gebildete Gemeinschaftsbetrieb nicht als Ganzes untergegangen sei.
Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage des Arbeitnehmers ab. Eine Betriebsstilllegung liege auch vor, wenn nicht die gesamte, durch Tarifvertrag zusammengefasste Organisationseinheit stillgelegt werde. Es handele sich hier nicht um einen Gemeinschaftsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG, denn dafür fehle es an einer gemeinsamen Betriebsstätte, als auch an einer einheitlichen betriebsübergreifenden Leitungsstruktur. Lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genüge nämlich nicht. Bei der Schließung des Betriebs, in dem das Ersatzmitglied beschäftigt war, handele es sich deshalb um eine Betriebsstilllegung. Die Kündigung des Ersatzmitgliedes sei damit nach § 15 Abs. 4 KSchG rechtmäßig.
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