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In dem Verfahren ging es um eine Vorabentscheidung zur Übernahme von Anwaltskosten für die gerichtliche Durchsetzung des Schulungsanspruchs eines einzelnen Betriebsratsmitglieds. Dieses stand in mehreren Verfahren im Streit sowohl mit dem Arbeitgeber als auch dem Gremium.
Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2024, 30BVGa 8/24
Die Antragstellerin wurde als Betriebsratsmitglied vom Gremium zu verschiedenen Schulungen entsendet, der Arbeitgeber bestritt allerdings deren Erforderlichkeit. Eine
Beschlussfassung zur gerichtlichen Durchsetzung des Schulungsanspruchs lehnte der Betriebsratsvorsitzende ab. Daher leitete die Antragstellerin eigenständig neben zwei weiteren Verfahren auch ein Beschlussverfahren zur Durchsetzung der Schulungen beim Arbeitsgericht ein. Nach den ersten Terminen in allen drei Verfahren begehrte die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung gegen den Arbeitgeber, mit der er vorab zur Übernahme der Kosten eines noch zu beauftragenden Rechtsanwalts verpflichtet werden sollte. Ohne die vorherige Klärung der Kostenfrage müsse sie selbst die Rechtsanwaltskosten vorstrecken, wozu sie finanziell nicht in der Lage sei. Ohne Vorschuss finde sie aber keinen Rechtsanwalt, und das würde ihr die Verfahren so erschweren, dass dadurch ihre Betriebsratstätigkeit behindert würde.
Zunächst musste das Gericht klären, ob der Antrag überhaupt zulässig war. Denn normalerweise ist sowohl zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens als auch zur Beauftragung eines Anwalts ein Beschluss des Betriebsratsgremiums erforderlich. In Ausnahmen ist dieser entbehrlich, wenn um betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten eines einzelnen Betriebsratsmitglieds geht und die vorherige Einholung eines Betriebsratsbeschlusses nicht zumutbar ist. So lag der Fall nach Ansicht des Gerichts auch hier, weil ohne gerichtliche Durchsetzung des Schulungsanspruchs eine erhebliche Beeinträchtigung der Betriebsratstätigkeit gegeben sein könne und es der Antragstellerin nicht zugemutet werden konnte, einen entsprechenden Betriebsratsbeschluss zu erwirken, weil sie sich parallel auch mit dem Gremium im Streit befand.
Dennoch hielt das Gericht den Antrag im vorläufigen Rechtsschutz für unbegründet. Zwar könnten der Schulungsanspruch selbst und die Übernahme der erforderlichen Seminarkosten für einen konkreten Seminartermin im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Das gelte jedoch nicht für Frage der Kostentragungspflicht der Anwaltskosten zur Durchsetzung eben dieser Ansprüche. Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine nachträgliche Entscheidung über die Kostenübernahme erst im Hauptsacheverfahren die Rechte der Antragstellerin gefährde. Der Umstand einer erst späteren Entscheidung über die Kostenfrage berühre nicht die Betriebsratstätigkeit, sondern beträfe das Prozessrecht. Schließlich wäre die Dringlichkeit auch dadurch widerlegt, dass die Antragstellerin trotz richterlicher Hinweise auf die fehlende Vorabkostenerstattung erst mehrere Monate später den Antrag auf eine einstweilige Verfügung gestellt habe.
Dieser Fall hat mehrere Ebenen: Eine prozessrechtliche und eine betriebsverfassungsrechtliche. Auf der Prozess-Seite ist klar, dass die Beiordnung eines Anwalts eine Frage der Prozesskostenhilfe und eigentlich in dem dafür geregelten Verfahren zu klären ist und normalerweise nicht im Wege einer eigenständigen einstweiligen Verfügung. Hier fehlt es aufgrund mangelnder Dringlichkeit außerdem am sogenannten Verfügungsgrund.
Auf der Ebene der Betriebsverfassung ist es zunächst wichtig zu verstehen, dass die Betriebsrätin nicht einfach auf eigene Faust für sich Schulungen durchsetzen wollte, sondern dass sie vom Gremium zuvor per Beschluss dorthin entsendet worden war. Kein Schulungsbesuch ohne Beschluss. Dann ist es durchaus möglich und üblich, dass im Falle einer Ablehnung des Schulungsbesuchs durch den Arbeitgeber beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung beantragt wird. Natürlich im Normalfall mit Hilfe eines Anwalts, auch wenn es in erster Instanz beim Arbeitsgericht keinen Anwaltszwang gibt. Auch dazu braucht es wieder einen Beschluss des Gremiums. Zu einer Sache des einzelnen Mitglieds wird die gerichtliche Durchsetzung des Schulungsanspruchs nur dann, wenn das Mitglied aufgrund der Verweigerung der Durchsetzung seiner beschlossenen Entsendung in das Seminar in seiner Betriebsratstätigkeit behindert wird, und es ihm nicht zugemutet werden kann, einen Durchsetzungsbeschluss im Gremium zu erwirken. Das war hier deshalb der Fall, weil das Gremium selbst in den Streit mit dem Mitglied verwickelt war und daher nicht zu erwarten war, dass der Betriebsrat die Beiziehung eines Anwalts gegen sich selbst beschließen würde. Eine solche besondere Konstellation dürfte nicht häufig vorkommen.
Dabei ist die Vorab-Klärung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers eigentlich ein Nebenkriegsschauplatz. In den Hauptsacheverfahren dürfte er mit hoher Wahrscheinlichkeit unabhängig vom Ausgang nach § 40 BetrVG sowieso zur Übernahme der Kosten verpflichtet sein. Interessanter scheint noch die Frage, was am Ende von der Antragstellerin gewonnen wäre? Schlussendlich handelt es sich beim Betriebsrat um ein Kollektiv, das nur mehrheitlich funktioniert. Nichts kommt einem nicht hundertprozentig arbeitnehmerfreundlich gesinnten Arbeitgeber besser zu pass als ein zerstrittener Betriebsrat. Hier könnte womöglich das eigentliche Problem in diesem Fall liegen. (mb)