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AGG-Verstoß: Die Vermutung einer Benachteiligung im Bewerbungsverfahren ist ausreichend

Schadensersatz eines schwerbehinderten Bewerbers wegen Benachteiligung nach dem AGG: Reicht es, dass der erfolglose Bewerber im Prozess lediglich die Vermutung eines Verstoßes durch den Arbeitgeber vorbringt? Konkret ging es um die Behauptung, der Arbeitgeber habe den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet. Dies reicht, so das BAG. Da ein Bewerber als Außenstehender regelmäßig keinen Einblick in innerbetriebliche Abläufe hat und er diese sich auch nicht in zumutbarer Weise verschaffen kann, muss er keine konkreten Anhaltspunkte für einen Verstoß darlegen.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 14. 06. 2023, 8 AZR 136/22

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Redaktion
Stand:  17.6.2024
Lesezeit:  01:30 min
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Das ist passiert

Der schwerbehinderte Bewerber mit Abschluss in Wirtschaftswissenschaften bewarb sich auf die Stelle als „Scrum Master Energy (m/w/d)“. Seine Schwerbehinderung hatte er erwähnt. Nach seiner Ablehnung machte er einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Er behauptete u.a., das Unternehmen habe die Interessenvertretung nicht gem. § 164 Abs.1 Satz 4 SGB IX unterrichtet. Diese Aussage war eine bloße Vermutung.  

Der Arbeitgeber verneinte den Entschädigungsanspruch und berief sich dabei auf die fehlenden fachlichen Qualifikationen, wie sie in der Stellenausschreibung genannt worden waren.  
 

Das sagt das Gericht

Der Kläger war wegen seiner Behinderung nach § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt worden. 

Dabei ging das Gericht davon aus, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat entgegen seiner Verpflichtung nicht gem. § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unmittelbar nach Eingang von der Bewerbung informiert hatte. Dies begründete die Vermutung einer behinderungsbedingten Diskriminierung. 

Der Kläger durfte die Behauptung, die Beklagte habe den Betriebsrat nicht entsprechend § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unterrichtet, auch in den Rechtsstreit einführen, obwohl er dies nur vermutete. Da er „mangels eigener Erkenntnisquellen keine sichere Kenntnis von einer fehlenden ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrats hatte und auch nicht erlangen konnte“, war eine derartige Äußerung zulässig. 

Bedeutung für die Praxis

Da Außenstehende sich keinen Einblick in betriebsinterne Abläufe verschaffen können, wird die Darlegungslast abgesenkt: Um Diskriminierungsindizien gem. § 22 AGG darzulegen, genügt die bloße Vermutung, dass der Arbeitgeber den Personalrat, den Betriebsrat oder die Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung eines Schwerbehinderten nicht unterrichtet hat. 

SBV- Tipp! 

Werden Ihre Rechte als SBV im Bewerbungsverfahren mit (schwer-) behinderten Menschen nicht gewahrt? Machen Sie Ihren Arbeitgeber auf dieses Urteil aufmerksam: Dieser setzt sich damit der Gefahr eines Schadensersatz- bzw. Entschädigungsprozesses nach AGG aus. Die abgeschwächte Beweislast des Bewerbers erhöht in einem Prozess deutlich dessen Erfolgschancen! 

Das Gericht setzte sich in dem Urteil auch mit dem Thema „AGG- Hopping“ auseinander: 

Das Entsenden von mehreren Bewerbungen an ein und denselben Arbeitgeber durch einen schwerbehinderten Arbeitnehmer erlaubt - für sich betrachtet - nicht den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten, welches zielgerichtet allein auf der Erwägung beruht, sich durch Entschädigungszahlungen im Falle einer Ablehnung der Bewerbungen einen auskömmlichen "Gewinn" zu sichern. Ein solches Vorgehen kann auch dafürsprechen, dass der Bewerber eine neue berufliche Herausforderung sucht und ihm dies ernst ist (Rn. 51,52). 

  Aus dem Umstand, dass der abgelehnte Bewerber "professionelle" Geltendmachungsschreiben verwendet, Vergleichsvorschläge unterbreitet und für den Fall der Nichtannahme mit Klage droht, lässt sich ebenfalls kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen ableiten. Dies lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an der Übernahme der Stelle bestand und dass sich der abgelehnte Bewerber bei der Auswahlentscheidung diskriminiert sieht und deshalb seine Rechte zulässigerweise wahrnehmen möchte (Rn. 54). (gs) 

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