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Zu den gebotenen Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX (früher: § 84 SGB IX) gehört auch die Durchführung einer ärztlich empfohlenen stufenweisen Wiedereingliederung. Die frühere Auffassung, dem Arbeitgeber stehe die Entscheidung hierüber frei, ist nach Einführung des § 167 SGB IX (früher: § 84 SGB IX) überholt. Im Weigerungsfall kommen Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gemäß § 280 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 167 Abs. 2 SGB IX (früher: § 84 SGB IX) in Betracht.
Landesarbeitsgericht Hamm vom 04.07.2011 – 8 Sa 726/11
Der klagende Arbeitnehmer war aufgrund einer depressiven Erkrankung arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem der Arbeitgeber eine ärztlicherseits vorgeschlagene stufenweise Wiedereingliederung unter Hinweis auf Sicherheitsbedenken abgelehnt hatte, bot der Arbeitnehmer unter Vorlage einer ärztlichen Arbeitsfähigkeitsbescheinigung erfolglos seine Arbeitskraft an und legte weiter eine Bestätigung der Krankenkasse vor, welche aufgrund einer Vorstellung des Arbeitnehmers beim Medizinischen Dienst (MDK) die Fähigkeit zur Wiederaufnahme der Arbeit bestätigte. Doch auch in Folge verweigerte der Arbeitgeber erneut wegen bestehender Sicherheitsbedenken die Arbeitsaufnahme.
Der Arbeitnehmer verlangt die Zahlung von Arbeitsvergütung vom Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt von Annahmeverzug und/oder Schadensersatz.
Das Gericht sprach dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu für die Zeiten, in denen er unter Vorlage einer vom behandelnden Facharzt ausgestellten „Arbeitsfähigkeitsbescheinigung" erfolglos seine Arbeitskraft angeboten hat. Denn in diesem Fall hätte der Arbeitgeber die fehlende Arbeitsfähigkeit beweisen müssen.
Zugleich rechtfertigt sich nach Ansicht des Gerichts das Zahlungsbegehren des Arbeitnehmers auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen unzureichender Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 280 BGB i.V.m. § 167 Abs. 2 SGB IX (früher: § 84 SGB IX).
Auch wenn die Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung während bestehender Arbeitsunfähigkeit erfolgt und dementsprechend den Arbeitgeber während dieses Zeitraums keine Beschäftigungs- und Vergütungspflicht trifft und die sozialrechtlichen Vorschriften weder einen klagbaren Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung noch eine diesbezügliche sozialrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers begründen, steht dem Arbeitgeber in arbeitsrechtlicher Hinsicht die Entscheidung nicht frei, sich auf eine ärztliche empfohlene stufenweise Wiedereingliederung einzulassen oder nicht.
Wie sich aus der Vorschrift des § 167 Abs. 2 SGB IX (früher: § 84 SGB IX) ergibt, trifft den Arbeitgeber unter den dort genannten Voraussetzungen die Verpflichtung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements. Ziel dieser Maßnahme ist die Suche nach Möglichkeiten, dem länger oder häufiger erkrankten Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz zu erhalten und geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen. Zu denjenigen Maßnahmen, welche im Zuge eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zur Verfügung stehen, gehört auch die stufenweise Wiedereingliederung. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements oder der in diesem Zuge als geeignet in Betracht kommenden Maßnahmen, so zieht dies eine Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 280 BGB nach sich.
Soweit demgegenüber eingewandt wird, es fehle an einer nebenvertraglichen Rechtspflicht, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen begründen könne, da das BEM lediglich ein Verfahren zur Suche nach bestehenden Möglichkeiten darstelle, überzeugt dies nicht. Allein die Tatsache, dass § 167 SGB IX (früher: § 84 SGB IX) selbst keine Rechtsfolgenregelung umfasst, rechtfertigt nicht die Annahme einer rechtlichen Unverbindlichkeit und Folgenlosigkeit eines Gesetzesverstoßes. § 167 Abs. 2 SGB IX (früher: § 84 SGB IX) dient dem Schutz länger erkrankter Arbeitnehmer vor nachteiligen Auswirkungen auf die Möglichkeit der Beschäftigung und stellt damit zugleich ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar.
Zudem standen entgegen der Auffassung des Arbeitgebers der Durchführung der ärztlicherseits empfohlenen stufenweisen Wiedereingliederungsmaßnahme keine unabweisbaren Sicherheitsbedenken entgegen.
Allerdings folgt allein aus dem Verstoß des Arbeitgebers gegen die Verpflichtung zur Durchführung eines effektiven betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements nicht zwingend, dass der Arbeitnehmer hierdurch die Arbeitsfähigkeit zum Zeitpunkt der vorgesehenen Beendigung der Wiedereingliederungsmaßnahme wiedererlangt hätte. Jedoch hat der Arbeitgeber auch keine Anhaltspunkte dafür benannt, dass die vorgeschlagene stufenweise Wiedereingliederung etwa wegen der Besonderheit des Krankheitsbildes oder aus sonstigen Gründen ohnehin nicht geeignet gewesen wäre, eine zeitnahe Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit zu bewirken.