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Der Betriebsrat kann verlangen, dass ihm der Arbeitgeber die Arbeitnehmer benennt, welche nach § 84 Abs. 2 SGB IX die Voraussetzungen für die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfüllen (Leitsatz des Gerichts).
Bundesarbeitsgericht vom 07.02.2012 – 1 ABR 46/10
Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten eine „Betriebsvereinbarung über die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX“. Nach deren § 4 Abs. 1 erhält der Betriebsrat quartalsmäßig ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die die Voraussetzungen für ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) erfüllen.
In der Folgezeit verweigerte der Arbeitgeber die Erfüllung dieser Verpflichtung und berief sich zur Begründung auf datenschutzrechtliche Belange. Nach seiner Ansicht bestehe eine Pflicht zur Übergabe des Mitarbeiterverzeichnisses an den Betriebsrat nur bei einem zuvor erklärten Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer. Der Betriebsrat könne über die Erfüllung der Pflichten aus § 84 Abs. 2 SGB IX auch dann wachen, wenn der Arbeitgeber ihm zunächst nur anonymisiert die Anzahl der Mitarbeiter mitteile, deren Arbeitsunfähigkeitszeiten länger als sechs Wochen betragen haben.
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Betriebsrat Recht. Dieser kann – unabhängig von der bestehenden Betriebsvereinbarung und unabhängig von einer Zustimmung der Arbeitnehmer – bereits aus dem Gesetz nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX beanspruchen, dass ihm der Arbeitgeber quartalsweise ein Verzeichnis mit Namen der Arbeitnehmer aushändigt, die im zurückliegenden Jahreszeitraum länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Einem solchen Verlangen stehen datenschutzrechtliche Belange oder Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer nicht entgegen.
Nach den Ausführungen des Gerichts hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und auf Verlangen die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG). Zu diesen Aufgaben des Betriebsrats gehört auch die Überwachung, ob der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Einleitung des BEM nachkommt (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX). Dazu benötigt der Betriebsrat die Namen derjenigen Mitarbeiter, welche die Voraussetzungen eines BEM erfüllen.
Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers reicht hier ein anonymisiertes Mitarbeiterverzeichnis nicht aus. Ein solches lässt nur die bloße Anzahl der Arbeitnehmer erkennen, welche die Voraussetzungen für ein BEM erfüllen. Daran lässt sich aber nicht überprüfen, ob der Arbeitgeber das BEM-Verfahren entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung einleitet.
Auch die Übergabe einer Mitarbeiterliste, in der nur diejenigen Mitarbeiter aufgeführt sind, welche nicht nur die Voraussetzungen für ein BEM erfüllen, sondern darüber hinaus der Weitergabe der Daten an den Betriebsrat zustimmen, wäre nicht in gleicher Weise geeignet, den Arbeitgeber bei der Einhaltung seiner BEM-Verpflichtung zu überwachen. Mangels Kenntnis des konkreten Arbeitnehmers könnte der Betriebsrat nicht durch Nachfrage überprüfen, ob der Arbeitgeber überhaupt die Durchführung eines BEM angeboten und den Arbeitnehmer ordnungsgemäß belehrt hat.
Zudem kann der Arbeitgeber die Datenweitergabe nicht von einer Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig machen, weil das Gesetz in § 84 Abs. 2 SGB IX lediglich eine Zustimmung des Mitarbeiters für die Durchführung des BEM verlangt; jedoch nicht schon für das bloße Angebot eines BEM durch den Arbeitgeber.
Die vom Betriebsrat geforderte quartalsweise Überlassung einer Aufstellung mit den Namen der betroffenen Arbeitnehmer hält sich im Rahmen des gesetzlichen Auskunftsanspruchs (§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) und wurde vom Gericht nicht beanstandet.
Datenschutzrechtliche Gründe stehen nach Ansicht des Gerichts der Übermittlung der Namen der Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber die Durchführung eines BEM anbieten muss, nicht entgegen. Das Erheben von Daten über die krankheitsbedingten Fehlzeiten durch den Arbeitgeber und ihre Übermittlung an den Betriebsrat ist auch bei fehlender Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zulässig.
Nicht entschieden werden musste laut Gericht, ob das vom Grundgesetz gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Übermittlung der Namen von Arbeitnehmern mit krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen im vorangegangenen Jahreszeitraum an den Betriebsrat entgegensteht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Denn Arbeitgeber ist nicht befugt, sich gegenüber dem Überwachungsrecht des Betriebsrats auf Grundrechte von Arbeitnehmern zu berufen.