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Will ein Arbeitnehmer gegen eine ausgesprochene Kündigung vorgehen, so muss er innerhalb von drei Wochen Klage erheben nachdem ihm die Kündigung zugegangen ist (§ 4 Satz 1 KSchG). Anderenfalls gilt die Kündigung als wirksam. Eigentlich ganz einfach. Eine Besonderheit gilt es jedoch im Falle des besonderen Kündigungsschutzes von schwerbehinderten Beschäftigten zu beachten: § 4 Satz 4 KSchG.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2008 – 2 AZR 864/06
Mit Schreiben vom 13. Juni 2005 wurde einem taubstummen Automechaniker (Grad der Behinderung von 100) zum 30. Juni 2005 gekündigt. Eine Zustimmung des Integrationsamtes holte der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung nicht ein. Unklar ist, an welchem Tag genau der Arbeitnehmer die Kündigung erhielt (am 29. Juni oder später).
Die fehlende Zustimmung veranlasste den schwerbehinderten Arbeitnehmer zum Gang vor das Arbeitsgericht, wo seine Klage am 21. Juli 2005 einging. Schließlich sei die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam.
Der Arbeitgeber hielt dagegen, die fehlende Zustimmung sei egal. Denn der gekündigte Schwerbehinderte habe seine Klage zu spät eingereicht. Ihm sei die Kündigung am 29. Juni zugegangen, so dass die Klageeinreichung am 21. Juli (gerade) nicht mehr innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist lag, welche bei Kündigungen eingehalten werden müsse. Wegen dieser Fristversäumung könne sich der Arbeitnehmer nicht mehr auf das mangelnde Zustimmungserfordernis berufen.
Das ließ der betroffene Schwerbehinderte nicht auf sich sitzen und argumentierte: Die Kündigung sei ihm erst nach dem 29. Juni zugegangen, so dass die Klage vom 21. Juli noch innerhalb der drei-Wochen-Frist lag. Ganz abgesehen davon habe die dreiwöchige Klagefrist noch gar nicht begonnen. Diese Frist laufe erst, wenn ihm, dem Arbeitnehmer, die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung bekannt gegeben worden ist. Daran fehlt es aber, weil eine Zustimmung nie existiert hat.
Hinsichtlich dieser Kündigung bekam der schwerbehinderte Arbeitnehmer in allen Instanzen Recht.
Der Kündigung fehlte die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes nach § 85 SGB IX.
Diesen Fehler hat der schwerbehinderte Arbeitnehmer mit seiner Klageerhebung am 21. Juli 2005 auch noch rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht.
Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer nur drei Wochen ab Zugang der Kündigung Zeit, um dagegen Klage zu erheben (§ 4 Satz 1 KSchG).
Ausnahmsweise kam es im vorliegenden Fall auf die Einhaltung dieser dreiwöchigen Frist aber nicht an. So war es nicht entscheidend, ob die Kündigung dem Schwerbehinderten nun am 29. Juni oder später zuging.
Denn hier greift die Besonderheit des § 4 Satz 4 KSchG: „Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichtes erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab."
Sprich: Da die Kündigung hier wegen der Schwerbehinderung des Betroffenen der Zustimmung des Integrationsamtes bedurfte, lief die dreiwöchige Klagefrist frühestens ab Bekanntgabe der Zustimmung an den Arbeitnehmer. Die Zustimmung konnte ihm aber nicht bekannt gegeben werden, weil diese ja nie existiert hat. Damit konnte die dreiwöchige Klagefrist erst gar nicht beginnen.
Vielmehr kann der Arbeitnehmer in diesem Fall die Unwirksamkeit der Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung gerichtlich geltend machen.
Mit dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung zur Klagefrist bei Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ohne die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes bestätigt.
Wichtig ist die Unterscheidung folgender Fallvarianten:
1) Wird dem Arbeitnehmer die Zustimmung des Integrationsamtes VOR Kündigungszugang zugestellt, dann gilt ganz normal die dreiwöchige Klagefrist ab Kündigungszugang (§ 4 Satz 1 KSchG);
2) wird dem Arbeitnehmer die Zustimmung erst NACH Kündigungszugang zugestellt, dann läuft die dreiwöchige Frist ab Bekanntgabe der Behördenentscheidung (§ 4 Satz 4 KSchG; bis zu diesem Zeitpunkt kann der Arbeitnehmer auf eine mögliche Unwirksamkeit der Kündigung vertrauen und daher von der Klageerhebung absehen);
3) wird dem Arbeitnehmer gekündigt OHNE eingeholte Zustimmung des Integrationsamtes, so beginnt die dreiwöchige Klagefrist nicht zu laufen; vielmehr kann der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung gerichtlich geltend machen.
Verwirkt ist ein Recht regelmäßig dann, wenn ein längerer Zeitraum verstrichen ist, in dem der Anspruchsberechtigte (hier der Arbeitnehmer) nichts unternommen hat, um sein Recht durchzusetzen und sich zugleich der Verpflichtete (hier der Arbeitgeber) bereits darauf einstellen durfte und eingestellt hat, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werde. Wann dies genau zutrifft, wird je nach Einzelfall unterschiedlich beurteilt.