Stellvertretung der SBV: Einsatz bei Verhinderung
Unabhängig davon, wie viele schwerbehinderte bzw. gleichgestellte Kollegen die Vertrauensperson vertritt, sie hat eine Stellvertretung an ihrer Seite. Dies ist gesetzlich vorgesehen, um sicherzustellen, dass schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer stets einen Ansprechpartner für ihre Anliegen haben (gemäß § 177 Abs. 1 SGB IX). Durch die Wahl einer Stellvertretung wird sichergestellt, dass das Amt kontinuierlich besetzt ist, beispielsweise wenn die Vertrauensperson aufgrund von Urlaub oder Krankheit verhindert ist.
Wichtig: Das Amt der SBV wird als Ein-Personen-Vertretung ausgeübt. Das bedeutet, dass sie nicht wie der Betriebsrat bei einer entsprechenden Anzahl von Wahlberechtigten als Mehrpersonengremium ausgestaltet werden kann. Nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vertritt die Stellvertretung die Vertrauensperson im Falle ihrer Verhinderung. Verhindert ist die Vertrauensperson:
- Bei Abwesenheit (z.B. Urlaub, Krankheit, Kur, Dienstreise, Fortbildung) oder bei Wahrnehmung anderer Aufgaben. Das heißt, der Stellvertreter ist kein reiner Abwesenheitsvertreter. Vielmehr wird er auch dann tätig, wenn die Verhinderung darin liegt, dass die Vertrauensperson zeitgleich bereits mit anderen Aufgaben beschäftigt ist. Dies können Amtsaufgaben sein, aber auch berufliche Aufgaben. Eine berufliche Verhinderung ist allerdings nur in Ausnahmefällen möglich, da die Tätigkeit der Vertrauensperson Vorrang vor der beruflichen Tätigkeit hat.
- Bei Befangenheit, wenn die Vertrauensperson selbst individuell und unmittelbar betroffen ist. Beispielsweise gilt die Vertrauensperson an der Teilnahme einer Betriebsratssitzung als zeitweilig verhindert, wenn der Betriebsrat über die Zustimmung zu ihrer Kündigung berät und beschließt. Für diesen Tagesordnungspunkt ist die Vertrauensperson von der Sitzung ausgeschlossen und wird durch den Stellvertreter vertreten.
Die Stellvertretung umfasst alle Angelegenheiten, in denen die Vertrauensperson selbst tätig wäre.
SBV-Tipp!
Um sicherzustellen, dass die Interessen der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten im Betrieb kontinuierlich vertreten werden, ist es wichtig, dass die Vertrauensperson und ihre Stellvertretung frühzeitig geplante Vertretungszeiten abstimmen und alle erforderlichen Informationen miteinander teilen. Damit die Stellvertretung auch für unvorhergesehene Vertretungsfälle gerüstet ist, sollte sie auch immer über die laufenden Angelegenheiten informiert sein. Dabei sind besondere Vertraulichkeitsabsprachen zwischen der SBV und einzelnen betreuten Kollegen zu beachten: Werden z.B. der Schwerbehindertenvertretung besondere persönliche Umstände Einzelner aufgrund eines engen und vertrauensvollen Miteinanders mitgeteilt, dürfen diese Informationen nicht ohne Weiteres an die Stellvertretung weitergeleitet werden. Hierzu ist die ausdrückliche Genehmigung des Betroffenen einzuholen.
Wichtig: Schwerbehinderte Kollegen wenden sich gelegentlich an die Stellvertretung, weil sie diese persönlich als Ansprechpartner vorziehen. Ein Verhinderungsgrund der Vertrauensperson liegt hier nicht vor, also auch kein Recht auf Arbeitsbefreiung zur Amtswahrnehmung für den Stellvertreter. Bei einer entsprechenden Beratungstätigkeit würde er unerlaubt von seiner beruflichen Arbeitstätigkeit fernbleiben.
Die Vertrauensperson ist mit der Wahl demokratisch zur Amtswahrnehmung legitimiert worden. Diesen Wählerwillen sollte auch der Stellvertreter respektieren.
Wie viele Stellvertreter hat eine Schwerbehindertenvertretung?
Neben der Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen ist auch immer mindestens ein Stellvertreter zu wählen (§ 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Wahl weiterer Stellvertreter kann beschlossen werden. Die Entscheidung darüber trifft im förmlichen Wahlverfahren der Wahlvorstand nach Erörterung dieser Frage mit der amtierenden Schwerbehindertenvertretung, dem Betriebs- bzw. Personalrat und dem Arbeitgeber (§ 2 Abs. 4 SchwbVWO). Im vereinfachten Wahlverfahren beschließt die Wahlversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit über die Zahl der Stellvertreter (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SchwbVWO).
SBV-Tipp!
In der Praxis haben sich wenigstens zwei Stellvertreter bewährt, um eine lückenlose Interessenvertretung der schwerbehinderten Beschäftigten zu gewährleisten. Die Reihenfolge der Stellvertreter bestimmt sich nach der Zahl der jeweils auf ihre Person entfallenen Wählerstimmen.
Heranziehung bei mehr als 100 schwerbehinderten Mitarbeitern im Betrieb
In Betrieben mit mehr als 100 schwerbehinderten Mitarbeitern besteht neben der üblichen Vertretung auch die Möglichkeit, den Stellvertreter zur Unterstützung der Vertrauensperson heranzuziehen. Dieses Recht gilt vor allem in größeren Betrieben, in denen die Aufgabenbelastung der Schwerbehindertenvertretung in der Regel umfangreicher und zeitintensiver ist, wie zuvor erläutert. Konkret kann in Betrieben mit in der Regel mehr als 100 schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Menschen das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zur Erledigung bestimmter Aufgaben herangezogen werden; bei mehr als 200 Schwerbehinderten bzw. Gleichgestellten auch der mit der zweithöchsten Stimmenzahl gewählte weitere Stellvertreter; bei mehr als 300 auch der Dritte und so weiter (§ 178 Abs. 1 Satz 4 bis 6 SGB IX).
Wichtig: Die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Heranziehung liegt bei der Schwerbehindertenvertretung. Die SBV kann der Stellvertretung konkrete Aufgaben dauerhaft zur Erledigung übertragen. Dazu bedarf es keiner Genehmigung durch den Arbeitgeber. Dieser ist darüber lediglich zu informieren. Die Reihenfolge der Heranziehung kann von der SBV nicht frei bestimmt werden, sondern ist zwingend festgelegt durch die im Wahlergebnis festgestellte Stimmenzahl der gewählten Stellvertreter.
Was passiert beim Ausscheiden der SBV aus ihrem Amt?
Wenn die Vertrauensperson vorzeitig aus dem Amt ausscheidet (z.B., weil sie das Unternehmen verlässt, in Rente oder in die Freistellungsphase der Altersteilzeit geht), dann rückt der erste Stellvertreter nach. Rückt der einzige Stellvertreter in die Funktion der Vertrauensperson nach oder scheidet er vorzeitig aus dem Amt aus, dann ist die Nachwahl eines oder mehrerer Stellvertreter erforderlich.
Kündigungsschutz und Schulungsanspruch: Rechte der Stellvertretung
Auch der Stellvertreter genießt besonderen Kündigungsschutz!
Dieser Schutz greift für den Fall der Vertretung oder Heranziehung (§ 179 Abs. 3 Satz 2 SGB IX). Er besteht auch nach Beendigung der Vertretung oder Heranziehung in beiden Fällen für ein Jahr fort (§ 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG über die Brücke des § 179 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 SGB IX)
Die Stellvertretung hat einen eigenen Schulungsanspruch
Der erste SBV-Stellvertreter hat ebenso wie die Vertrauensperson selbst einen Anspruch auf den Besuch aller Schulungen, die für seine SBV-Arbeit erforderlich sind (§ 179 Abs. 4 Satz 3 SGB IX).
Auch die zweiten, dritten und weiteren Stellvertreter der SBV haben einen Schulungsanspruch, sobald ihnen SBV-Tätigkeiten zur eigenständigen Erledigung übertragen werden (§ 179 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Eine solche „Heranziehung“ des zweiten Stellvertreters – und damit auch sein Schulungsanspruch – setzt voraus, dass im Betrieb bzw. in der Dienststelle in der Regel mehr als 200 schwerbehinderte bzw. ihnen gleichgestellte Menschen beschäftigt werden. Die Heranziehung des dritten Stellvertreters erfordert mehr als 300, die des vierten mehr als 400 usw. (§ 178 Abs. 1 Satz 4 bis 6 SGB IX).
Der Arbeitgeber trägt auch bei den Stellvertretern die Kosten der Schulungsteilnahme (§ 179 Abs. 8 Satz 2 SGB IX).
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