Die Liste an Technologie-Unternehmen in den USA, die einen Personalabbau angekündigt oder schon umgesetzt haben, zieht sich über nahezu sämtliche namhafte Unternehmen aus der Branche. Allein Amazon, Microsoft und Google streichen dem Vernehmen nach zwischen 10.000 und 20.000 Stellen. Der Grund: Schwache Konjunktur, hohe Inflation und kriegsbedingter Auftragsrückgang. Beispiel Meta: Der Facebook-Mutterkonzern baut offenbar zum ersten Mal in seiner 18-jährigen Firmengeschichte im großen Stil Arbeitsplätze ab. Knapp 11.000 der insgesamt 87.000 Mitarbeiter müssen gehen, kündigte Firmengründer Mark Zuckerberg an.
SAP: Auch deutsches „Vorzeigeunternehmen“ betroffen
Nach den US-Riesen hat auch der baden-württembergische Softwarekonzern SAP bekannt gegeben, dass Stellen wegfallen und reiht sich damit ein in die Entlassungswelle in der globalen Technologiebranche. Aufgrund einer Restrukturierung sollen bis zu 3.000 der aktuell 112.000 Stellen gestrichen werden – in Deutschland sollen rund 200 Mitarbeiter betroffen sein. Damit will der Konzern 350 Millionen Euro im Jahr einsparen. Wegen des Rückzugs aus dem Russland-Geschäft und höheren Ausgaben für Forschung und Entwicklung verzeichnete SAP im vergangenen Jahr einen Gewinnrückgang. Das Betriebsergebnis fiel 2022 währungsbereinigt um sieben Prozent auf 8,03 Milliarden Euro.
Alle anderen tun es, warum tun wir es also nicht?
Stanford-Professor sieht „Nachahmungseffekt“
Jeffrey Pfeffer, seines Zeichens Professor an der Stanford Graduate School of Business, bereiten die Entlassungen Sorgen. Im Grunde seien diese ein Fall von sozialer Ansteckung, bei dem Unternehmen nachahmen, was andere tun. Ganz nach dem Motto: „Alle anderen tun es, warum tun wir es also nicht?“ Und das, obwohl Entlassungen häufig (wissentlich) nicht zu den gewünschten Effekten führen: Studien beweisen, dass Arbeitsplatzreduzierungen nicht zwangsläufig zur Kostensenkung beitragen, schließlich kosten Abfindungen Geld und Kürzungen verringern die Arbeitsmoral und Produktivität. Ganz zu schweigen von teuren Rekrutierungsmaßnahmen, sollte sich der Trend umkehren. Noch verheerender sind indes die Folgen für den Einzelnen, die Jeffrey Pfeffer aufgrund von Entlassungen sieht: Die Forschung habe gezeigt, dass der dadurch verursachte Stress einen großen Tribut an der psychischen und physischen Gesundheit fordert. Nicht selten führt dieser Stress zu ungesunden Verhaltensweisen wie Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum oder übermäßigem Essen. Noch schlimmer: Entlassungen sollen die Wahrscheinlichkeit von Selbstmord um das Zweieinhalbfach erhöhen. Und das auch in Ländern mit besserer sozialer Absicherung als in den USA, wie etwa Neuseeland.
Was tun als Betriebsrat?
In Deutschland machen sich angesichts der immer neuen Negativ-Schlagzeilen nicht nur Arbeitnehmer Gedanken, sondern zunehmend auch Betriebsräte. Auf der einen Seite kämpfen viele Unternehmen mit dem Fachkräftemangel, was zu Arbeitsverdichtung der Belegschaft und – beispielsweise wegen Lieferverzögerungen – einem Absinken der Wettbewerbsfähigkeit führt. Auf der anderen Seite steht die Sorge, dass eine Entlassungswelle auch hier größere Kreise ziehen könnte.
Was also tun? Die gute Nachricht vorweg: Die Sorge vor Rezession sinkt, was die Bereitschaft zu Neueinstellungen erhöht: Das ifo-Beschäftigungsbarometer kletterte im Januar 2023 auf 100,2 Punkte – ein Plus von 0,6 Punkten, wie eine Umfrage unter 9.000 Firmen ergab. Der höchste Stand seit August 2022! Besonders für kleine und mittlere Betriebe der IT-Branche seien die Entlassungen bei den Branchenriesen eine Chance, neue Mitarbeiter einzustellen, so das ifo-Institut.
Auch das Thema Tarifverträge kann jetzt einen neuen Stellenwert bekommen – es ist an der Zeit, dafür zu kämpfen!
Es gilt also, Fachkräften ein Arbeitsumfeld zu bieten, das mit attraktiven Arbeitsbedingungen lockt. Hierbei geht es nicht nur ums Geld – Sicherheit, Flexibilität und Arbeitsumfeld können ein gewichtiges Zünglein an der Waage sein. Und natürlich auch die Stimmung im Unternehmen. Wer arbeitet gerne in einem Laden, in dem das Betriebsklima vergiftet ist? Auch das Thema Tarifverträge kann jetzt einen neuen Stellenwert bekommen – es ist an der Zeit, dafür zu kämpfen!
Bayerische Staatskanzlei geht neue Wege
Die bayerische Staatskanzlei hat die Gunst der Stunde offenbar erkannt: „Ich möchte eine herzliche Einladung aussprechen, zu uns nach Bayern zu kommen!“, schreibt Judith Gerlach, bayerische Staatsministerin für Digitales, laut F.A.Z. auf dem Karriereportal LinkedIn. Warum nicht amerikanische Fachkräfte anlocken? Ein leichtes Unterfangen ist das sicher nicht. Der Einsatz für ein arbeitswertes Umfeld lohnt sich aber in jedem Fall! Nicht nur, um ein attraktives Angebot für Bewerber zu schaffen – sondern auch, um die Mitarbeiter zu halten. (tis/cbo)