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Beim Gasversorger Uniper geht es um eine schnelle Lösung

© AdobeStock | OFC Pictures
Stand:  18.7.2022
Lesezeit:  03:00 min
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Konzernbetriebsratsvorsitzender Harald Seegatz zwischen Verhandeln, Aufklären und Hoffen

Die Pressemeldungen in den letzten Tagen überschlugen sich: Der Gasimporteur Uniper ist in Schieflage geraten, nachdem Russland die Gaslieferungen nach Deutschland gedrosselt hat. Wie konnte es zu einer solchen Krise kommen? Welche Auswege gibt es? Und was bedeutet das alles für die Belegschaft? Wir haben mit dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden Harald Seegatz gesprochen.

Neben der deutschen Regierung spielt Finnland eine zentrale Rolle in den aktuellen Verhandlungen. Denn rund 80 Prozent der Uniper-Anteile hält der Energieversorger Fortum, der wiederum mehrheitlich vom finnischen Staat kontrolliert wird. Die Lage ist angespannt! Es geht schließlich nicht nur um die rund 5.000 Uniper-Mitarbeiter in Deutschland, sondern letztlich um die Energieversorgung des gesamten Landes.

Harald Seegatz | Betriebsratsvorsitzender von Uniper | © Uniper

Harald Seegatz

Harald Seegatz (53) ist seit 1985 im Kraftwerk Wilhelmshafen beschäftigt. Seit 1996 ist er Mitglied im Betriebsrat, Betriebsratsvorsitzender ist er seit 2006. Im Zuge der Übernahme wurde Seegatz stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Uniper Kraftwerke GmbH und ist zeitgleich Vorsitzender des Konzernbetriebsrats sowie stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Uniper SE.

Herr Seegatz, wir alle sind vom Gas abhängig, viele haben bis vor Kurzem allerdings noch nicht viel von Ihrem Unternehmen gehört. Wer ist Uniper? 

Harald Seegatz: Uniper ist Haupt-Gasimporteuer von Deutschland. Die Wurzeln des Unternehmens liegen in der Abspaltung von E.ON im Jahr 2015 sowie in der ehemaligen Ruhrgas AG. Neben Gasspeichern betreiben wir in Europa zusätzlich Kraftwerke – Kohle, Gas, Wasser, in Schweden auch Kernkraftwerke. Den größten Teil macht jedoch der Gashandel, also die weltweite Beschaffung, aus. Insgesamt haben wir rund 12.000 Mitarbeiter, 5.000 davon in Deutschland. 

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Wenn Uniper wegbrechen sollte, gibt es keinen in Deutschland, der diese Gas-Mengen besorgt.

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Welche Rolle spielt Uniper bei der Gasversorgung in Deutschland?

Harald Seegatz: Allein in Düsseldorf kümmern sich 1.000 Mitarbeiter um die Gasversorgung von Deutschland und Europa. Wenn Uniper wegbrechen sollte, gibt es keinen, der diese Mengen besorgt. Dann können wir die Stadtwerke oder große Unternehmen nicht mehr beliefern. Das Problem: Seit dem 14.06.2022 hat Russland die Gaslieferungen gedrosselt. Durch die Nord--Stream-Pipeline 1 fließt nur noch 40 Prozent und bei der derzeitigen Wartung ist der Gasfluss komplett zum Erliegen gekommen. Unsere Kunden haben aber längerfristige Verträge zu festen Preisen. Jetzt bekommen wir nicht mehr so viel Gas, müssen es teuer dazu kaufen oder aus unseren Speichern ziehen. Das wiederum will die Regierung nicht, weil die Speicher am 1. August einen speziellen Füllstand aufweisen müssen.

Kommt diese Situation komplett unerwartet?

Harald Seegatz: Natürlich hat sich die Krise angedeutet als zum Ende letzten Jahres die Gaspreise im Zuge des Russland-Ukraine-Konflikts explodiert sind. Dennoch wurde immer Gas geliefert. Die Drosselung ist in dieser Form auch nicht nötig, es gäbe andere Möglichkeiten. In puncto Zusammenarbeit mit Russland ist dadurch sehr viel zerstört worden.

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Das ist schon bewusst so gesteuert.

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Von welchen Möglichkeiten sprechen Sie?

Harald Seegatz: Während der regulären Wartung des Gasverdichters könnten mehr Gasströme über andere Pipelines geleitet werden. Das ist also schon bewusst so gesteuert. Außerdem dachten alle, Nord-Stream 2 geht kurz nach Weihnachten in Betrieb. Dann hätten wir auch in Zukunft an keine Alternativen denken müssen. Der Weg hat sich im Nachhinein als falsch herausgestellt.

Gab es bei Ihnen im Betriebsrat Pläne für ein Szenario, wie jetzt eingetreten ist?

Harald Seegatz: Nein, schließlich waren unsere Beziehungen zu Russland in den vergangenen 50 Jahren immer gut. Da gab es keinerlei Probleme. Nicht mal während des Kalten Krieges wurde angedacht, die Lieferungen zu drosseln.

Haben Sie noch Hoffnung, dass in Sachen Gastlieferungen etwas zum Positiven gewendet wird?

Harald Seegatz: Man kann nicht vorhersehen, was ein einzelner Mensch in Russland entscheidet. Daher kann ich es schlecht sagen. Die Wege sind vorgezeichnet. Alles, um die Sanktionen entsprechend auszulegen, so dass der Verdichter in Betrieb genommen werden kann, damit nächste Woche wieder die 100 Prozent fließen.

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Viele Kollegen haben Zukunftsängste.

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Die Situation dürfte für die gesamte Belegschaft enorm belastend sein. Spürt man das vor Ort?

Harald Seegatz: Sehr! Es herrscht absolute Unsicherheit, weil wir finanziell in der Ecke stehen. Weil wir es nicht mehr lange aushalten werden. Weil wir das Unternehmen sind, das gerettet werden muss! Viele Kollegen haben Zukunftsängste, unter anderem die, die sich im Rahmen von Kraftwerksschließungen über einen Sozialplan auf Frührente eingestellt hatten.

Sie haben sich als Betriebsrat klar gegen eine Zerschlagung von Uniper positioniert. Wäre eine Verstaatlichung nicht der richtige Weg?

Harald Seegatz: Doch, wir unterstützen den Einstieg des Staates sogar. In dieser Situation Teile vom Unternehmen rauszunehmen, macht jedoch keinen Sinn. Dazu muss man wissen, dass Fortum (mit 80 % finnischer Hauptaktionär/Anm. d. Red.) Uniper unbedingt komplett übernehmen wollte. Jetzt, da es schwierig wird, wollen sie nur noch einen Teil, ziehen sich zurück und werfen der deutschen Regierung die Brocken hin.

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Im Moment hat das wenig mit typischer Betriebsratsarbeit zu tun.

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Welche Rolle spielt der Betriebsrat in dieser Krise?

Harald Seegatz: Wir haben schon seit 2015 Gewerkschaften, Betriebsräte und Aufsichtsrat in einer Begleitkommission mit externen Beratern zusammengeführt. Dieser Sonderweg ist, abgestimmt mit dem Unternehmen, von großem Vertrauen geprägt. Im Moment hat das wenig mit typischer Betriebsratsarbeit zu tun. Wir gehen häufiger an die Presse, um den Druck zu erhöhen und unseren Einfluss in maximaler Größe geltend zu machen. Durch die Übernahme, die Jahre gedauert hat, haben wir sehr viel Erfahrung gesammelt – die wenden wir jetzt an.

Sind es derzeit unruhige Nächte für Sie?

Harald Seegatz: Ja, sehr! Es beschäftigt einen permanent. Dann muss ich auch ganz klar zu mir sagen: Wir als Betriebsräte können momentan nicht viel ändern. Die Player sitzen in den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und Finnland. Wir können nur Aufklärung leisten und sonst nicht viel dazu beitragen, wenn der Hauptaktionär einen anderen Weg einschlägt.

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Es ist jetzt die Zeit, auf Dauer dafür zu sorgen, so einen Fall in den nächsten Jahren nicht nochmal zu haben.

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Was fordern Sie vom Hauptaktionär, dem finnischen Unternehmen Fortum?

Harald Seegatz: Der Weg, für den sich jetzt entschieden wird, sollte auch bestritten werden. Es steht ihnen frei, sich aus dem Unternehmen zurückzuziehen. Aber nicht auf die Art, sich nur das Positive rauszuziehen. Selbst bei einer Abspaltung muss in jedem Unternehmen eine Zukunft aufgezeigt werden. Ich finde es richtig, dass die deutsche Regierung einsteigt, da wir systemrelevant sind. Es wurde schon viel outgesourct, jetzt muss Deutschland seine Schlüsselunternehmen stützen. Es ist jetzt die Zeit, auf Dauer dafür zu sorgen, so einen Fall in den nächsten Jahren nicht nochmal zu haben.

Stichwort Gas-Alternativen: Gibt es überhaupt welche? 

Harald Seegatz: Zunächst geht es darum, Alternativen für das russische Gas zu finden. Parallel dazu müssen wir andere Energieformen weiterentwickeln. Hier in Wilhelmshaven entsteht ein absoluter Wasserstoffhype in allen Facetten. Aber auch hierzu muss die Infrastruktur in Form von Pipeline-Systemen installiert werden, wenn es schon in Deutschland produziert wird. Vielleicht kann 2030 schon mal ein Stahlwerk an ein Wasserstoffkraftwerk angeschlossen werden. Und 2040 wird dann womöglich geschaut, ob und wie viel Gas benötigt wird. Es wird also noch eine ganze Weile dauern.

Herr Seegatz, Ihr Wunsch für die Zukunft?

Harald Seegatz: Ich hoffe auf eine dauerhafte Unterstützung unseres Unternehmens. Dass wir als staatlicher Konzern die Gas-Zukunft von Deutschland mitgestalten, uns aber eigenständig weiterentwickeln können, um unabhängige Energiemodelle für die nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte zu realisieren. (tis)

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