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Buchautorin, Moderatorin und Betroffene: Sonja Koppitz über Depressionen
Sonja Koppitz hat Depressionen. Immer wieder wird sie von der tückischen Krankheit heimgesucht. Mittlerweile spricht die Moderatorin, Autorin und Podcasterin ganz offen über das Thema. Warum? Um den vielen anderen Mut zu machen, die ebenfalls Gefahr laufen, zu erkranken. Ihr Tenor: Auch, wenn die Krankheit schwer in Worte zu packen ist, hilft es enorm, sich auszutauschen. Denn: Man kann wie Sonja Koppitz lernen, mit Depressionen zu leben. Und auf diesem Weg können auch Betriebsräte eine Rolle spielen.
Es ist 2011 als Sonja Koppitz merkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Sie zieht sich zurück, fühlt sich überfordert, obwohl ihr der stressige Alltag in ihrem damaligen Job als Radiomoderatorin eigentlich nichts ausmacht. Es geht so weit, dass sie von der Arbeit heimkommt, sich auf den Boden legt und in Tränen ausbricht. Sonja Koppitz hat eine Depression. Erst nach rund drei Monaten sucht sie sich professionelle Hilfe. Das Paradox: In der Arbeit bleibt sie hochfunktional. Geht das Mikro an, liefert sie ab. „Wie soll ich etwas erklären, das ich selbst nicht verstehe?“, fragt sie selbst nach dem Warum.
Mit ihrer psychischen Erkrankung ist Sonja Koppitz nicht allein, ganz im Gegenteil: Laut Deutscher Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (dgppn) erfüllt mehr als jeder vierte Erwachsene im Zeitraum eines Jahres Kriterien einer psychischen Erkrankung.
Fachtagung: Psychischen Belastungen erfolgreich entgegentreten
Wer Sonja Koppitz live erleben möchte, kann dies während der Fachtagung vom 12. bis 15. September 2023 im Maritim Hotel in Würzburg. Im Eröffnungsvortag spricht sie zum Thema „Betriebsräte als Verbündete psychisch kranker Mitarbeiter?“.
Die 41-Jährige spricht heute bewusst offen über ihre Erkrankung. In mehreren Podcasts widmet sie sich dem Thema, hat zudem ein Buch unter dem Titel „Spinnst Du? Warum psychische Erkrankungen ganz normal sind“ herausgebracht. Darin erklärt sie unter anderem, dass sich bei ihr depressive Episoden schleichend anbahnen. „Es mündet oft in dem Bild, warum ich außerhalb funktioniere, es daheim aber nicht schaffe, aufzustehen oder Zähne zu putzen“, so die Berlinerin. „Dazu kommt, dass ich eigentlich ein sehr geselliger Mensch bin, in solchen Episoden meine Familie oder engsten Freunde aber nicht sehen will.“
Mit der Angst, es könne sich „wie schon vier oder fünf Mal“ zu einer ausgeprägten Depression entwickeln, lebt Sonja Koppitz ständig – kann heute jedoch viel besser damit umgehen. Warum? „Ich versuche, meinem Körper Gutes zu tun und das in den gesunden Phasen zu etablieren, damit es mir während der Krankheit leichter fällt, gesunde Entscheidungen zu treffen.“ Hierzu zähle wenig Überraschendes, wie sie selbst zugibt: Sport treiben, sich gesund ernähren, Stress vermeiden, Ruhepausen einhalten, wenig Alkohol trinken, sich künstlerisch betätigen oder in die Natur gehen. Klingt einfach, ist es nicht immer, schließlich hat der Tag nur 24 Stunden. Mentale Gesundheit – nicht nur laut Sonja Koppitz ein Vollzeitprojekt, zu dem es selbstverständlich auch gehört, Beziehungen und Freundschaften zu pflegen.
„Ist die Krankheit da, ist das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen!“ Deshalb empfiehlt Sonja Koppitz allen – und damit meint sie tatsächlich alle – einen Schritt vorher anzusetzen: „Es bringt nichts, im Privaten behutsam zu sein, wenn ich am Arbeitsplatz völlig überlastet bin.“ Und dabei können banale Dinge wie Lärm in Großraumbüros, fehlende Pflanzen oder der Umgang mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten eine Rolle spielen. Außerdem fordert sie: „Wenn es einem schlecht geht, muss man das sagen dürfen, ohne Angst zu haben.“ Sollte selbstverständlich sein, ist es viel zu selten.
Hat das „Monster“ namens Depression seine Fesseln um jemanden geschlungen, ist der richtige Umgang oft auch für Arbeitgeber schwer. Nicht zuletzt bei einer Wiedereingliederung. Was ist möglich, damit Menschen nicht direkt wieder in eine Depression stürzen? Eine Frage, die Arbeitgeber individuell betrachten müssen. „Ich hätte damals ja nicht nur eine halbe Sendung moderieren können. Wichtig ist, dass offen und ohne Berührungsängste miteinander gesprochen wird.“ In keinem Fall dürfe es Betroffenen zum Nachteil ausgelegt werden – Sonja Koppitz ist genau das passiert: „Mir wurde gesagt, ich solle dankbar sein, mit der Erkrankung hier noch arbeiten zu dürfen.“ Der Preis für Offenheit? Vielleicht hätte es niemand gemerkt, wenn sie es nicht öffentlich gemacht hätte.
© Sonja Koppitz
In der Betriebsratsarbeit sieht Sonja Koppitz eine große Chance für psychisch Erkrankte: „Ich würde mir von Betriebsräten wünschen, dass sie immer für eine Anlaufstelle sorgen und das plakativ veröffentlichen. Damit jeder zu jeder Zeit weiß, wo einem geholfen wird.“ Der Betriebsrat gewissermaßen als Bindeglied, besonders dann, wenn man in Chefetagen kein Gehör geschenkt bekommt. „Ich wusste damals nicht, was ich machen soll“, erinnert sich Sonja Koppitz. „Also habe ich es einfach gesagt.“ Letztlich nicht die schlechteste Idee, ist sie doch so zum Vorbild geworden – für mehr als ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung. (tis)
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