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Mehr Jugendliche mit Handicap in Ausbildung- so kann es gelingen!

© AdobeStock | Robert Kneschke
Stand:  13.2.2025
Lesezeit:  02:45 min
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Im Interview: Philipp Ellguth, Konzernschwerbehindertenvertreter und freigestellte Vertrauensperson bei der Wacker Chemie AG

Ausbildung von Jugendlichen mit Behinderung: Welche betrieblichen Rahmenbedingungen legen den Grundstein für einen erfolgreichen Berufsabschluss, welche Rolle spielt dabei die SBV und was wünschen sich die Betroffenen selbst? Unser Gesprächspartner ist Philipp Ellguth, Konzernschwerbehindertenvertreter und freigestellte Schwerbehindertenvertrauensperson bei der Wacker Chemie AG am Standort Burghausen. Er ist seit 2003 bei Wacker beschäftigt und hat bis 2019 als Chemielaborant gearbeitet. Seinerzeit konnte er als erster Auszubildender mit Handicap durch die Integrationsvereinbarung seine Ausbildung bei dem Chemieunternehmen beginnen.

Herr Ellguth, der Standort Wacker Burghausen beeindruckt schon mit seiner Größe und Beschäftigtenzahl. Mögen Sie uns einen kurzen Einblick zu Wacker und zu Ihrer Schwerbehindertenquote geben? 

Philipp Ellguth: Burghausen ist ein großer und bedeutender Standort innerhalb der Wacker Chemie AG mit einer hohen Beschäftigtenzahl. Aktuell liegt unsere Schwerbehindertenquote bei 8,2% (Stand 09/24), d.h. wir betreuen zwischen 730 und 750 Kolleginnen und Kollegen. Wir legen großen Wert auf Inklusion und Chancengleichheit. Damit erfüllen wir nicht nur gesetzliche Vorgaben, sondern tragen auch zur Vielfalt und Innovationskraft unseres Unternehmens bei. Darüber hinaus betreuen wir viele Kolleginnen und Kollegen: Mitarbeiter, die sich in einem Antragsverfahren befinden, keine Gleichstellung erreichen, sich beraten lassen wollen oder zum Thema „Schwerbehinderung“ ganz allgemein Fragen haben. So kommen wir auf ca. 1000 Arbeitnehmer.

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Zu den erfolgreichen Initiativen gehören die Sensibilisierung für das Thema Inklusion sowie individuell angepasste Arbeitsplätze und kontinuierliche Unterstützung durch die SBV.

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Die Bayerische Staatsregierung zeichnete Wacker im Jahr 2018 für vorbildliche berufliche Inklusion aus. Mit welchen Maßnahmen konnten Sie bei der Staatsregierung punkten?

Philipp Ellguth: Die Staatsregierung zeichnete uns für unsere vorbildlichen Maßnahmen zur inklusiven Beschäftigung aus. Zu den erfolgreichen Initiativen gehören die Sensibilisierung für das Thema Inklusion sowie individuell angepasste Arbeitsplätze und kontinuierliche Unterstützung durch die SBV. Durch die gute Zusammenarbeit, mit HR, BR, JAV, Werksarzt und den zuständigen Stellen werden gemeinsam Lösungen angestrebt.

Und was ist aus Ihrer persönlichen Sicht das Besondere an der „inklusiven Arbeitswelt“, die sich Wacker auf die Fahne geschrieben hat?

Philipp Ellguth: Die inklusive Arbeitswelt bei Wacker zeichnet sich vor allem durch ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander aus. Jeder Mitarbeiter wird als Teil des Teams wahrgenommen, unabhängig von seiner Einschränkung. Diese Vielfalt fördert nicht nur die Teamdynamik, sondern treibt eine ständige Weiterentwicklung und Kreativität an. Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass der Mensch gesehen wird und nicht nur die Person als Mitarbeiter. Ebenso sind Prävention und Barrierefreiheit Schlüssel zum Erfolg. So können gesunde und auch Arbeitnehmer mit vorhandenen Einschränkungen vor zukünftigen (weiteren) Schäden geschützt werden und die Erwerbsfähigkeit aufrecht erhalten bleiben.

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Die Unterstützung durch die Ausbilder, den BR und der SBV erleichtern den Menschen den Start.

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Sie sind seinerzeit als erster Auszubildender mit Handicap im Zuge einer Integrationsvereinbarung eingestellt worden. Diese sah vor, mindestens zwei schwerbehinderten Jugendlichen jährlich die Möglichkeit einer Ausbildung bei Wacker Chemie zu geben. Gilt diese Vereinbarung immer noch?

Philipp Ellguth: Diese Vereinbarung gilt nach wie vor und ermöglicht jährlich jungen eingeschränkten Menschen, die Chance einen Beruf in einer breit gefächerten Firma wie Wacker zu erlernen. Die Unterstützung durch die Ausbilder, den BR und der SBV erleichtern den Menschen den Start. Darauf sind wir sehr stolz, da sie ein wichtiger Schritt in Richtung Inklusion und Chancengleichheit ist. Eine Übernahme nach der Ausbildung ist ebenfalls gegeben und ermöglicht eine Weiterbeschäftigung nach der Lehre.

Mit welchen Maßnahmen gelingt es Ihnen, Jugendliche mit einem Handicap für eine Ausbildung bei Wacker zu gewinnen? 

Philipp Ellguth: Die Wacker Chemie AG steht für Diversität und Offenheit und ist für diese Werte bekannt. Wir setzen auf frühzeitige Aufklärung und Ansprache in Schulen sowie Kooperationen mit Organisationen für Menschen mit Behinderungen. Auch Praktika und Workshops bieten wir an, um Jugendlichen einen Einblick in unsere Ausbildungsberufe zu geben. Mittlerweile wird über soziale Netzwerke mit jungen Menschen interagiert. So können wir viele junge Menschen erreichen.

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Die Schwerbehindertenvertretung spielt eine zentrale Rolle in diesem Prozess, indem sie als Schnittstelle zwischen den Jugendlichen, den Ausbildern, JAV, Betriebsrat und der Personalabteilung fungiert.

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Welche Rolle spielt dabei die SBV?

Philipp Ellguth: Die Schwerbehindertenvertretung spielt eine zentrale Rolle in diesem Prozess, indem sie als Schnittstelle zwischen den Jugendlichen, den Ausbildern, JAV, Betriebsrat und der Personalabteilung fungiert. Wir fördern den Austausch, stehen beratend zur Seite und unterstützen die Inklusion im Betrieb. Im Vorfeld kann dadurch auf die Bedürfnisse der eingeschränkten Person eingegangen werden.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit der Personalabteilung und den Ausbildern im Kontext mit der Ausbildung der Jugendlichen? 

Philipp Ellguth: Die Zusammenarbeit mit der Personalabteilung und den Ausbildern ist sehr positiv. Wir haben regelmäßige Meetings, um Fortbildungsbedarfe zu erkennen und sicherzustellen, dass die Auszubildenden die notwendige Unterstützung erhalten. Diese Zusammenarbeit ist entscheidend für den Erfolg der Inklusion.

Wacker ist ja nun ein vorbildlicher Konzern in Sachen Inklusion. Haben Sie einen Tipp an Kollegen aus Betrieben, die hier noch „Aufholbedarf“ haben, Stichwort: kleiner Aufwand- große Wirkung? 

Philipp Ellguth: Jede Firma bzw. Branche ist individuell zu betrachten. Am wichtigsten ist die Sensibilisierung für Inklusion. Nur durch Kommunikation können Missverständnisse oder Vorurteile abgebaut werden. Oft können durch einfache Anpassungen oder Unterstützungsangebote große Fortschritte erzielt werden. Auch das Vorstellen erfolgreicher Beispiele aus der eigenen Branche kann motivierend wirken. Unsere SBV ist in einem Arbeitskreis, bestehend aus den Firmen unseres Landkreises aktiv. Durch den Erfahrungsaustausch können wichtige Informationen zu verschiedenen Themen gewonnen und weitergegeben werden.

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Die Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur und dem Integrationsamt ist durchweg positiv.

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Die Arbeitsagentur und das Integrationsamt sind die „natürlichen Verbündeten“, wenn es um die Gewinnung behinderter Jugendlicher für eine Ausbildung geht. Wie sind Ihre Erfahrungen? 

Philipp Ellguth: Die Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur und dem Integrationsamt ist durchweg positiv. Diese Institutionen bieten wertvolle Unterstützung bei der Rekrutierung und Förderung von Jugendlichen mit Handicap. Durch gemeinsame Projekte konnten wir viele positive Erfahrungen sammeln. Egal ob beim Erfahrungsaustausch zu Hilfsmitteln oder bei Fragen jeglicher Art-  die Agentur für Arbeit und das Inklusionsamt stehen uns jederzeit mit einem offenen Ohr zur Verfügung. Ebenso ist der Integrationsfachdienst für uns ein wichtiger Ansprechpartner. Dieser ist in unserer Firma vor Ort und unterstützt uns ebenfalls bei der Arbeit zur Inklusion.

Mit welchen Argumenten können Schwerbehindertenvertretungen ihre Arbeitgeber überzeugen, um (mehr) Jugendliche mit Handicap auszubilden? 

Philipp Ellguth: Um Arbeitgeber zu überzeugen, können Schwerbehindertenvertretungen betonen, dass die Ausbildung junger Menschen mit Handicap nicht nur einen sozialen Beitrag leistet, sondern auch die Unternehmenskultur und das Betriebsklima bereichern. Zudem können Fördermöglichkeiten und staatliche Zuschüsse für die Inklusion angeführt werden. Der Einsatz von Hilfsmitteln oder der Umbau des Arbeitsplatzes machen es möglich: Menschen mit Handicap sind genauso „vollwertige Arbeitskräfte“ wie jeder andere auch!

Wenn Sie sich an Ihre Zeit als Auszubildender erinnern: Was sollten Vertrauenspersonen beherzigen, damit sich Jugendliche mit Einschränkungen von Anfang an im Betrieb gut aufgehoben fühlen?

Philipp Ellguth: Ich selbst hatte das Glück, eine Vertrauensperson an meiner Seite zu wissen, die mich zu 100% unterstützt und gefördert hat. Die Schwerbehindertenvertretungen sollten insbesondere auf eine offene und wertschätzende Kommunikation achten. Es ist wichtig, den Jugendlichen von Anfang an das Gefühl zu geben, gehört und respektiert zu werden. Durch das Verständnis für die besondere Situation eingeschränkter Menschen entsteht Vertrauen und es entwickelt sich eine gegenseitige Empathie. Auch die Schaffung eines klaren Ansprechpartners im Unternehmen kann helfen, dass sich diese Jugendlichen schnell wohlfühlen und inkludieren.

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