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EvoBus will jährlich 100 Millionen einsparen – Betriebsrat ist gefragt
2019 war es noch ein Rekordjahr, jetzt machen sich Beschäftigte von EvoBus große Sorgen. Warum? Der Daimler-Konzern hat einen harten Sparkurs angekündigt – 100 Millionen Euro sollen pro Jahr eingespart werden. Wie vielen Arbeitnehmer droht die Kündigung? Und was kann der Betriebsrat tun, um das zu verhindern? Wir haben mit den Betriebsratsvorsitzenden am Standort Neu-Ulm gesprochen. Auch über Chancen, die deutsche Standorte bieten.
Information
Die EvoBus GmbH entwickelt und produziert Omnibusse und ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Daimler Truck AG. Mitte 2022 hatte die Unternehmensleitung darüber informiert, dass ein Einsparungsprogramm von 100 Millionen Euro jährlich geplant sei. Konkret soll dies durch eine Deckelung der Produktion an den Standorten Mannheim und Neu-Ulm funktionieren. Zudem ist angedacht, den gesamten Rohbau von Mannheim nach Holýsov in Tschechien zu verlagern. Mindestens 1.000 Stellen in Mannheim und nochmal rund 600 in Neu-Ulm sind bedroht.
Andrea Reith: EvoBus wurde 1995 gegründet. Aus zwei „kranken“ Unternehmen, Kässbohrer Fahrzeugwerke und die Omnibussparte von Daimler-Benz, wurde ein gesunder Bushersteller. Obwohl das Unternehmen noch sehr jung ist, hat es eine wahnsinnige Tradition. Produktionswerke gibt es in Neu-Ulm, Mannheim, Tschechien, Frankreich, Spanien und in der Türkei.
Matthias Hänisch: Wir produzieren vom Stand- und Überlandbus bis zum Reisebus. In Neu-Ulm sind es knapp unter 3.500 Mitarbeiter, insgesamt hat EvoBus rund 18.000 Beschäftigte.
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Matthias Hänisch: Letztlich fällt dem Unternehmen nichts anderes ein, als Arbeitsplätze aus Deutschland in Billiglohnländer zu verlagern. Mit der Deckelung der Produktion und der Verlagerung des gesamten Rohbaus geht es nur um das Drücken von Lohnkosten. Dabei wird häufig vernachlässigt, dass bereits ein Personalabbau stattgefunden hat. Seit Ende 2019 haben wir 450 Kollegen im Stammpersonal verloren.
Andrea Reith: Jein! 2019 war für uns eine Rekordjahr und bis März 2020 sah es so aus, als könne dieses getoppt werden. Dann kam der Lockdown, die Reisebranche und damit auch der Reisebusmarkt sind komplett eingebrochen. Im restlichen 2020 gab es null Auftragseingang aber jede Menge Stornierungen. Viele kleinere Unternehmen standen vor einem Dilemma: Sie konnten ihr Geschäft nicht mehr betreiben, haben ums Überleben gekämpft und konnten sich daher keinen Bus im Wert eines Einfamilienhauses leisten. Bislang hat sich der Reisemarkt noch nicht erholt. Hätten wir nicht den Konzern, der hinter uns steht, wäre eine Insolvenz sicherlich nicht unrealistisch.
Matthias Hänisch: Im Schnitt wurden vor der Pandemie in Neu-Ulm jährlich 2.400 bis 2.600 Fahrzeuge produziert. Dieses Jahr sind es 810, nächstes Jahr sind rund 1.400 in Planung. Es war und ist keine Produktkrise, denn das ist extrem gut. Der Markt ist einfach nicht mehr in vollem Umfang da.
Matthias Hänisch: Anfang November haben erste Sondierungsgespräche mit der Unternehmensleitung stattgefunden. Außer den drei Forderungspaketen gibt es keinen anderen Vorschlag. Derzeit sind die Signale weiterhin, dass das Vorgehen alternativlos sei. Wir möchten eigentlich über die Sinnhaftigkeit verhandeln.
Andrea Reith: Auf alle Fälle! Oberste Priorität für das Gremium ist die maximal mögliche Transparenz. Unsere Kollegen sollen darüber informiert sein, was wir diskutieren. Das Wichtigste sind also die Gespräche mit den Kollegen. Was haben sie für Ängste? Wir wiederum versuchen, unsere Position zu erklären, was auf Flugblättern nur schwer funktioniert.
Matthias Hänisch: Wenn ich nicht spreche, verliere ich die Mannschaft …
Matthias Hänisch: Unsere wertvollste Waffe ist, das Wissen von jedem Einzelnen im Unternehmen anzuzapfen. Das ist genau die Möglichkeit, Geld einzusparen, ohne die Arbeit ins Ausland zu verlagern. Denn uns ist auch klar, dass es nicht so weitergeht, allein wenn man an alternative Antriebsmöglichkeiten denkt.
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Andrea Reith: Das war eine spontane Reaktion, nachdem über die Forderungspakete informiert wurde. Sowohl in Mannheim als auch in Neu-Ulm. Für uns ein Signal, dass der Weg richtig ist und wir uns wehren wollen.
Matthias Hänisch: Es sollte ein Plan entstehen, der nicht nur das Einsparen von Personalkosten vorsieht. Damit auch strategisch etwas passiert. Wie macht man sich fit für die Zukunft? Wenn sie nur mit der Sense kommen, ist das für uns nicht erklärbar. Das hat nichts zu tun mit: „Wir stehen zu den deutschen Standorten!“
Andrea Reith: Das Wichtigste ist: Wir müssen einen Kompromiss finden, der für alle tragbar ist. So dass wir noch eine lange Zukunft in Deutschland haben.
Matthias Hänisch: Bei uns sind 600 Arbeitsplätze bedroht, da hängen natürlich Familien dran. Zudem haben sich beispielsweise zwei Bäcker und eine Metzgerei am Firmengelände niedergelassen. Die sind auch davon betroffen, schließlich leben sie unter anderem von EvoBus-Mitarbeitern. Es heißt immer, dass pro gekündigtem Mitarbeiter drei bis vier Personen mitbetroffen sind. Daher sind wir in engem Austausch mit der Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm
Andrea Reith: Die wirtschaftliche Situation war natürlich bekannt. Das Forderungspaket kam Ende Juni auf den Tisch und war in der Form mit den 100 Millionen nicht absehbar. Und dennoch haben wir es bisher keine Minute bereut, zu kandidieren.
Andrea Reith: Ich weiß nicht, ob man sich auf eine solche Situation strategisch vorbereiten kann. Die Vorerfahrungen helfen natürlich, aber es gibt keine Selbsthilfegruppe oder sowas. Ich bin eh nicht der emotionale Typ, eher rational und sachlich – das hilft. Unser Betriebsbetreuer der IG Metall hat eine enorme Erfahrung mit Krisen und ist daher eine echte Unterstützung. Wir stehen also nicht alleine da. Und die Rückdeckung der Belegschaft und des Gremiums haben wir ebenfalls.
Andrea Reith: Kurzfristig würde ich den Wunsch äußern, die nächsten Monate für das Suchen nach vernünftigen Lösungen zu nutzen. Die mittelfristige Strategie der Firma muss sein, sich hinsichtlich Digitalisierung und neuer Antriebstechniken so aufzustellen, dass die nächsten Generationen langfristig Busse in Deutschland bauen können.
Matthias Hänisch: Letztlich möchten wir ein Ergebnis unterschreiben, hinter dem beide Seiten stehen. Es sollte der Grundstein dafür sein, dass sich EvoBus-Mitarbeiter – abgesehen von der geopolitischen Lage – zukünftig keine Gedanken mehr machen müssen, ob Busse in Deutschland gebaut werden können. (tis)
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