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Fachartikel Freistellung Der freigestellte Betriebsrat

Der freigestellte Betriebsrat

Tipps und Antworten rund um die Freistellung nach § 38 BetrVG

Wie soll man es zeitlich schaffen, gleichzeitig Arbeitnehmer und Betriebsrat zu sein? Beide Rollen bringen schon für sich genommen jede Menge Aufgaben und Pflichten mit sich. Dies hat der Gesetzgeber gesehen und verschiedene Regelungen geschaffen, die den Betriebsräten den Rücken freihalten. Eine davon ist die Freistellung nach § 38 BetrVG.

Gabriele Lengauer | ifb-Bildungsreferentin | © ifb

Gabriele Lengauer | ifb

Stand:  1.3.2024
Lesezeit:  06:15 min

Der Unterschied zwischen Arbeitsbefreiung (§ 37 Abs. 2 BetrVG) und Freistellung als Betriebsrat (§ 38 BetrVG) 

Der Gesetzgeber schützt die Position der Betriebsräte, indem er Ausnahmen zur vertraglichen Arbeitspflicht schafft – und damit zeitliche Freiräume für die Betriebsratsarbeit. Die Regelungen sollen einen möglichst fairen Ausgleich zwischen den Betriebsratsaufgaben und den Aufgaben als Arbeitnehmer ermöglichen. Daher sieht das Gesetz ein abgestuftes System von Arbeitsbefreiung und Freistellung für die Betriebsratsarbeit vor.

Was beinhaltet die Arbeitsbefreiung nach § 37 BetrVG? 

Immer dann, wenn konkrete Aufgaben der Betriebsratsarbeit anstehen, dürfen Betriebsratsmitglieder ihren Job erstmal ruhen lassen, um diesen Aufgaben nachgehen zu können. Eine solche Ausnahme von der Arbeitspflicht wird als „Arbeitsbefreiung“ bezeichnet. Die Regelungen dazu befinden sich in § 37 Abs. 2 BetrVG

Hierbei handelt es sich immer um Einzelfälle, die einen konkreten Anlass brauchen. Wenn gerade keine konkrete Betriebsratsarbeit ansteht, bleibt es bei der gewöhnlichen Arbeitspflicht. Wenn jedoch ein konkreter Bedarf an BR-Arbeit besteht, ist der Umfang der nötigen Arbeitsbefreiung zeitlich nicht begrenzt. 

Beispiel: 

Zu einer Betriebsratssitzung nach § 30 BetrVG dürfen und müssen alle Betriebsratsmitglieder erscheinen, die nicht tatsächlich oder rechtlich verhindert sind. Zur Wahrnehmung dieser Betriebsratsaufgabe darf die gewöhnliche Arbeit unterbrochen werden. Dies gilt für alle Betriebsratsmitglieder. 

Da es sich bei den anstehenden Betriebsratsaufgaben prinzipiell um Einzelfälle handelt, besteht auch grundsätzlich jedes einzelne Mal eine Abmeldepflicht beim zuständigen Vorsetzten. Die Betriebsratsmitglieder müssen sich die Arbeitsbefreiung zwar nicht genehmigen lassen – die Erlaubnis erteilt das Gesetz und nicht der Arbeitgeber! Aber die Abwesenheit vom Job und die voraussichtliche Dauer der Tätigkeit für die Betriebsratsarbeit müssen beim Vorgesetzten rechtzeitig angezeigt werden. So ist sichergestellt, dass der Betriebsablauf nicht gestört wird und der Arbeitgeber etwaige Vertretungsmaßnahmen treffen kann.

Freistellung nach § 38 BetrVG 

Ab einer Anzahl von mindestens 200 Mitarbeitern im Betrieb muss der Arbeitgeber eine bestimmte Anzahl an Betriebsratsmitgliedern generell und vollständig von der Arbeit freistellen. Dies schreibt § 38 BetrVG vor. Das Gesetz geht davon aus, dass in Betrieben ab einer Anzahl von 200 Mitarbeitern generell Betriebsratstätigkeiten in einem Umfang anfallen, der die volle Freistellung von Betriebsratsmitgliedern erforderlich macht. 

Eine Freistellung nach § 38 BetrVG bedeutet: 

  • Die generelle Entbindung der Betriebsratsmitglieder von der arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung 
  • zum Zweck der Erfüllung von Betriebsratsaufgaben 
  • ohne konkreten Nachweis, dass der Arbeitsausfall zur Erledigung der Aufgaben als Betriebsrat erforderlich ist. 
Unterschiede Arbeitsbefreiung und Freistellung beim Betriebsrat | © ifb GmbH & Co.KG

Voraussetzungen für eine Freistellung als Betriebsrat nach § 38 BetrVG 

Die Regelungen über die formalen Voraussetzungen zur Freistellung befinden sich in § 38 BetrVG.  

Wie hoch ist die Anzahl an Freistellungen im Betrieb? 

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers fällt in Betrieben ab einer Anzahl von 200 Mitarbeitern generell so viel Betriebsratstätigkeit an, dass eine vollständige Freistellung von Betriebsratsmitgliedern notwendig ist. Daher muss der Arbeitgeber ab einer Anzahl von mindestens 200 Mitarbeitern im Betrieb eine bestimmte Anzahl an Betriebsratsmitgliedern generell und vollständig von der Arbeit freistellen. Dies schreibt § 38 BetrVG vor.

Die Anzahl der in vollem Umfang von der Arbeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder richtet sich nach der Anzahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. 

Anders als bei der Staffelung zur Größe des Betriebsrats (vergleiche § 9 BetrVG) kommt es im Rahmen von § 38 BetrVG für die Freistellung als Betriebsrat nicht auf „wahlberechtigte“ Arbeitnehmer an. Bei der Berechnung der Anzahl der im Betrieb beschäftigen Arbeitnehmer zählen daher auch Teilzeitkräfte, Leiharbeitnehmer, jugendliche Arbeitnehmer und Heimarbeiter. Mitarbeiter in Teilzeit zählen als „ein Arbeitnehmer“ (also nach Köpfen) und nicht nur entsprechend ihrer Arbeitszeit.

Sind zusätzliche Freistellungen möglich? 

Die gesetzliche Staffelung des § 38 BetrVG gibt die Anzahl der „mindestens“ freizustellenden Betriebsratsmitglieder an. Damit ist ein Spielraum eröffnet, mit dem Arbeitgeber auch über eine höhere Anzahl von Freistellungen zu verhandeln. Der Betriebsrat muss dann aber konkret darlegen, dass eine Erhöhung der Anzahl an Freistellungen zur ordnungsgemäßen Durchführung der anstehenden Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist.

Welche Auswirkung hat es, wenn sich die Mitarbeiterzahl im Betrieb ändert? 

Wenn sich die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer während der Amtszeit des Betriebsrats nicht nur vorübergehend verändert und es zu einer Überschreitung der Schwellenwerte kommt, erhöht sich die Anzahl der Freistellungen. Umgekehrt verringert sich bei einer Unterschreitung einer Schwelle die Anzahl der Freistellungen entsprechend.

Wie läuft die Wahl der Freigestellten ab? 

Die Freistellung nach § 38 BetrVG erfolgt nicht automatisch. Vielmehr müssen diejenigen, die freigestellt werden, erst vom Betriebsrat gewählt werden. Es können nur Betriebsratsmitglieder gewählt werden. Ist die Wahl erfolgt, werden die gewählten Betriebsräte anschließend durch eine Erklärung des Arbeitgebers freigestellt. 

Das Verfahren zur Bestimmung von Freistellungen im Überblick:

Verfahren zur Bestimmung von Freistellung | © ifb GmbH & Co.KG

Gibt es auch die Möglichkeit von Teilfreistellungen? 

Im Gesetz ist ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, dass Freistellungen für die Betriebsratsarbeit auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen können (§ 38 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Wer nur zum Teil freigestellt wird, bleibt für den anderen Teil grundsätzlich zur normalen Arbeitsleistung aus dem Arbeitsvertrag verpflichtet. 

Die Teilfreistellung hat Vor- und Nachteile, die jedes Betriebsratsgremium im Vorfeld diskutieren sollte. Der Vorteil von einer Teilfreistellung liegt darin, dass die entsprechenden Betriebsratsmitglieder zum Teil „normale Arbeitnehmer“ bleiben und so oft leichter den Kontakt zu den Kollegen aufrecht erhalten und besser nachvollziehen können, wo die Probleme und Bedürfnisse der Belegschaft liegen. Aber auch für das Betriebsratsmitglied selbst kann eine Teilfreistellung persönlich von Vorteil sein, denn man bleibt „mit einem Bein“ im eigenen Beruf.

Ein großer Nachteil der Teilfreistellung liegt hingegen in der Doppelbelastung von Job und Mandat. Sowohl im eigentlichen Beruf als auch im betrieblichen Ehrenamt werden Mitarbeiter mit hohen Erwartungen konfrontiert, die sich nicht immer auf ein beliebiges „Teilzeit-Maß“ herunterrechnen lassen. So könnte das Gefühl entstehen, dass man nun trotz Teilfreistellung zwei „Vollzeitjobs“ schaffen muss.

Wann endet die Freistellung als Betriebsrat? 

Die Freistellung nach § 38 BetrVG erfolgt in der Regel für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats. Sie endet also erst mit dem Ablauf der Amtszeit. Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied kann diese Position aber auf mehrere Arten wieder verlieren: 

Das BR-Mitglied kann die Freistellung freiwillig abgeben. Dies ist ebenso wie eine Amtsniederlegung jederzeit möglich, da die Freistellung eine freiwillige Rechtsposition ist. 

Die Freistellung findet auch dann ein Ende, wenn die Amtszeit endet. Die Funktion der Freistellung ist immer an die Eigenschaft der Betriebsratszugehörigkeit geknüpft. Sämtliche Gründe des § 24 BetrVG, die zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat führen, beenden auch die Freistellung. 

Der Betriebsrat als Gremium kann ein freigestelltes Mitglied außerdem jederzeit aus der Freistellung abberufen. Hierzu ist kein besonderer Grund nötig, allerdings müssen die Formvorschriften der §§ 38 Abs. 2 Nr. 8, § 27 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG eingehalten werden.

Welche besondere Rechtsstellung haben freigestellte Betriebsräte? 

Mit der Freistellung wird das entsprechende Betriebsratsmitglied unmittelbar von der arbeitsvertraglichen Verpflichtung befreit. Aber Vorsicht: Das bedeutet nicht, dass sämtliche Anordnungen des Arbeitgebers ignoriert werden dürfen. Vorgaben, die sich nicht direkt auf den Inhalt der Arbeitsleistung beziehen, z. B. ein betriebliches Rauchverbot oder die Kleiderordnung, gelten uneingeschränkt auch für freigestellte Betriebsratsmitglieder. Auch am Leistungsort ändert sich durch die Freistellung grundsätzlich nichts. Wer vor der Freistellung seinen Arbeitsplatz im Betrieb hatte, kann während der Freistellung also nicht etwa eigenmächtig entscheiden, die BR-Arbeit von zu Hause aus zu erledigen. Freigestellte BR-Mitglieder müssen sich deshalb auch grundsätzlich beim Arbeitgeber abmelden, wenn sie Betriebsratsaufgaben an einem Ort außerhalb des Betriebs wahrnehmen.

Welches Gehalt bekommt ein freigestellter Betriebsrat? 

Beim Arbeitslohn gilt für freigestellte Betriebsräte zunächst nichts anderes als für sonstige Betriebsratsmitglieder. § 37 Abs. 2 BetrVG schreibt vor, dass ein Arbeitsversäumnis auf Grund von erforderlicher Betriebsratstätigkeit nicht zu einer Minderung des Arbeitsentgelts führen darf. Der freigestellte Betriebsrat erhält also den Lohn, den er bekommen hätte, wenn er seine berufliche Tätigkeit fortgeführt hätte.

Wichtig: 

Nach dem sogenannten Entgeltschutz gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.

Durch eine Freistellung als Betriebsrat, insbesondere eine Vollfreistellung, ergeben sich jedoch oft Änderungen gegenüber dem bisherigen Tätigkeitsbild. Faktisch findet z. B. oft keine Schichtarbeit mehr statt, es gibt keine Überstundenanordnungen mehr und es werden keine „Leistungen“ für leistungsabhängige Lohnbestandteile mehr erbracht.

Daher ist nach vergleichbaren Arbeitnehmern zu suchen, die als Maßstab dienen können. Deren Status sowie deren betriebsübliche Entwicklung geben an, welche Entgeltbestandteile in welcher Höhe auch an das freigestellte Betriebsratsmitglied gezahlt werden müssen. Diejenigen Entgeltbestandteile allerdings, die ausschließlich als Ersatz für arbeitsbedingte Aufwendungen gezahlt werden, kann ein freigestelltes Betriebsratsmitglied nicht für sich beanspruchen. Wird z. B. bei schmutzintensiver Arbeit eine Zulage gewährt, um besonders hohe Reinigungskosten eigener Kleidung aufzufangen, so muss diese Zulage an die freigestellten Betriebsräte – die diese Kosten aufgrund der Arbeitsbefreiung nicht mehr haben – nicht gezahlt werden.

Soweit möglich, wird für die Feststellung der Vergleichbarkeit nach tatsächlich existierenden, anderen Mitarbeitern Ausschau gehalten. Dabei muss auf objektive Kriterien, wie z. B. die berufliche Qualifikation, genauso geachtet werden wie auf subjektive Faktoren, wie z. B. Lebensalter und Berufserfahrung. Der Zeitpunkt der Vergleichsbetrachtung findet nicht nur einmal bei Beginn der Freistellung statt. Vielmehr muss eine laufende Anpassung der Rechtsstellung des freigestellten Betriebsrats vorgenommen werden. Auch bei dieser Anpassung orientiert man sich an der tatsächlichen, betriebsüblichen Entwicklung der Vergleichsgruppe. Anders gesagt: Es kommt nicht auf die hypothetische Entwicklung des konkret freigestellten Betriebsratsmitglieds an, sondern auf die konkrete Entwicklung der Vergleichsgruppe.

Wenn direkte Vergleichspersonen fehlen, ist zunächst nach konkreten Personen zu suchen, deren Positionen dem freigestellten Betriebsratsmitglied am nächstliegenden sind. Die Suche kann unter Umständen vom konkreten Betrieb auf das gesamte Unternehmen ausgeweitet werden. Kommt man auch damit nicht weiter, so kann nach branchenüblichen Vergleichsgruppen Ausschau gehalten werden. Fehlt es schließlich auch an einer branchenüblichen Vergleichsgruppe, können die maßgeblichen Vergleichskriterien auch fiktiv bestimmt werden.

Für Zweifelsfälle der Vergleichbarkeit – insbesondere, wenn eine fiktive Bestimmung der Kriterien erforderlich wird – hat es sich in der Praxis bewährt, mit dem Arbeitgeber eine (schriftliche) Regelung darüber zu treffen, wer Vergleichsperson für das freigestellte Betriebsratsmitglied sein soll, bzw. welche fiktiven Kriterien als Maßstab zugrunde gelegt werden sollen. Diese Vereinbarung sollte wiederum nicht nur eine statische Definition, sondern auch eine Fortentwicklung über die Zeit beinhalten.

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