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Gleichberechtigung! Aber nicht „auf Teufel komm raus“

© AdobeStock | peterschreiber.media
Stand:  12.12.2022
Lesezeit:  03:45 min
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Mitten in einer Männerdomäne: Betriebsrätin Tanja Sons

Das Thema Gleichberechtigung ist allgegenwärtig! Gender-Sternchen hier, Gender-Gap dort. Fakt ist: Noch immer müssen sich Frauen Sprüche anhören, die sprachlos machen. „Im Vergleich zu früher viel seltener, aber ich kann das natürlich nicht pauschalisieren“, sagt etwa Tanja Sons dazu. Die 45-Jährige hat Karriere gemacht und das in einer (vermeintlichen) Männerdomäne: im Finanzsektor als Portfolioberaterin. Darüber hinaus engagiert sie sich seit 16-Jahren im Betriebsrat. Wir haben mit ihr unter anderem über Schwierigkeiten im Umgang mit männlichen Kunden und eine mögliche Quotenregelung gesprochen.

Tanja Sons | © Deutsche Bank

Tanja Sons

Tanja Sons hat ihre Ausbildung zur Bankkauffrau absolviert, ehe sie 2001 als Beraterin Personal Banking zur Deutschen Bank in Köln gekommen ist. Die 45-Jährige durchlief danach mehrere Positionen bei der Deutschen Bank – seit 2017 war sie Senior-Portfolio-Beraterin und damit „Sparrings Partner“ für vermögende Privatkunden in Sachen Börse. In den Betriebsrat wurde sie erstmals 2006 als Ersatzmitglied gewählt. Ab 2010 ist sie ordentliches Mitglied, seit 2022 freigestellt.

Tanja, wie hat es Dich in die Finanzwelt verschlagen?

Tanja Sons: Das ist eigentlich ganz witzig: Die Mutter meiner ältesten Freundin hat an der Düsseldorfer Parkettbörse gearbeitet. Mein Vater hingegen im medizinischen Bereich. Es war also klar, dass sie Bankkauffrau und ich irgendwas in der Medizin werden möchte. Heute ist sie Chirurgin und ich bin bei der Deutschen Bank. Ich habe schon als Kind viel von Bank und Börse mitbekommen. Nach der Schule habe ich meine Ausbildung absolviert und dann ging es schnell in den Wertpapierbereich.

Und wie kam es zum Engagement als Betriebsrat?

Tanja Sons: 2006 wurde ich als junge Mitarbeiterin von einer Kollegin, die viele Jahre im Betriebsrat war, vorgeschlagen. Sie ging in Elternzeit und es war klar, dass sie an der bevorstehenden Wahl nicht mehr teilnehmen konnte. In der ersten Amtsperiode war ich Ersatz, ab der zweiten ordentliches Mitglied. Durch meine zwei Kinder haben sich die Funktionen immer ein bisschen verändert, mal konnte ich etwas mehr übernehmen, mal weniger.

Freistellung Betriebsrat

Mittlerweile bist Du freigestelltes Betriebsratsmitglied und mitverantwortlich für rund 900 Mitarbeiter.

Tanja Sons: Genau. Vor rund anderthalb Jahren wurde ich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Anfangs hatte ich Bedenken, weil ich gerne im Börsengeschäft tätig bin, ein tolles Team und einen tollen Chef hatte. Dann habe ich mich aber dazu entschieden, noch einmal etwas ganz Neues zu machen und es war eine gute Entscheidung. Deutschlandweit ist aus jedem Gremium ein Vertreter im Gesamtbetriebsrat, hier bin ich die Stellvertretung. Da trifft man auf ein ungeheures Netzwerk mit sehr viel Erfahrung.

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Es ist allerdings schwierig, gerade neue weibliche Gremiumsmitglieder zu finden.

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Was sind besondere Herausforderungen für die Zukunft? 

Tanja Sons: Bei uns ist der Altersdurchschnitt wie in allen Branchen relativ hoch. Die Baby-Boomer verabschieden sich sukzessive in den Ruhestand. Da gilt es für uns als 13er-Gremium, junge Menschen für die Zukunft zu finden. Es ist allerdings schwierig, gerade neue weibliche Gremiumsmitglieder zu finden.

Du sprichst es an: Das Bankwesen scheint noch immer eine Männerdomäne zu sein.

Tanja Sons: Zumindest der Wertpapier- beziehungsweise Börsenbereich ist nach wir vor Männer dominiert. Ich war beispielsweise die einzige Frau in meinem Team und wir haben keine Frau zur Nachbesetzung gefunden. Ähnlich ist es in der Betriebsratsarbeit.

Warum sind Frauen in dem Sektor nach wie vor unterrepräsentiert?

Tanja Sons: Es gibt einfach weniger Frauen, die sich das zutrauen, obwohl sie die gleiche Qualifikation haben. Ich glaube, Frauen sind in ihrem Eigenbild viel kritischer und zurückhaltender. Sie verkaufen sich eher unter als über Wert. Männer sind da oft mutiger.

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Ist ein Mann qualifizierter, dann soll er den Job bekommen.

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Wäre eine Quote hier ein Ansatz?

Tanja Sons: Ich bin überhaupt kein Freund von Quoten. Ich möchte weder Job noch Betriebsratsmandat nur weil ich eine Frau bin, sondern mit Qualität überzeugen. Ist ein Mann qualifizierter, dann soll er den Job bekommen. Vielleicht müssen Frauen öfter mal ermutigt werden, sich zu trauen, damit ein Umdenken stattfindet und das Rollenbild reflektiert wird. Dafür sorgt dann natürlich eine Quotenregelung ein Stück weit schon.

Mit welchen Schwierigkeiten wurdest Du in Deiner beruflichen Laufbahn konfrontiert?

Tanja Sons: Das betrifft hauptsächlich die Zeit vor 20 Jahren, da war es als junge Frau schwieriger, auf Augenhöhe zu arbeiten. Meine Kunden waren hauptsächlich vermögende Männer der älteren Generation, die haben einen erstmal richtig auf die Probe gestellt. Diese Zeiten sind vorbei, zumindest was meine Person angeht. Ich kann das natürlich nicht pauschalisieren.

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Es hilft nicht, hübsch auszusehen, am Ende muss durch Qualität überzeugt werden.

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Würdest Du behaupten, Du hattest es auf Deinem Weg schwerer als die männlichen Kollegen?

Tanja Sons: Würde ich nicht sagen, weil dieses Durchbeißen mir immens viel Stärke gegeben hat. Ich habe schnell gelernt, wie man sich in bestimmten Situationen behauptet. Es hilft nicht, hübsch auszusehen, am Ende muss durch Qualität überzeugt werden.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Deinem Arbeitgeber, der Deutschen Bank?

Tanja Sons: Die Zusammenarbeit ist konstruktiv, aber selbstverständlich sind Betriebsrat und Arbeitgeber nicht immer gleicher Meinung. Es gibt aber tatsächlich viele gute Gespräche. Ich habe den Eindruck, dass der Arbeitgeber unsere Belange nicht gleich vom Tisch wischt, sondern sich die Dinge anhört. Klar gibt es eigene Interessen, wie derzeit zum Beispiel beim Inflationsausgleich. Das sind klassische Themen, bei denen man aufeinander zugeht.

Interview Betriebsrätin

Welche Termine stehen in Deinem Betriebsratskalender?

Tanja Sons: Meine Hauptaufgaben betreffen alles, was mit Personal zu tun hat: Einstellungen, Austritte, Umgruppierungen, Beratungsgespräche, Auszubildende. Über den Gesamtbetriebsrat bin ich zudem in Konzernentscheidungen mit eingebunden über diverse Ausschüsse. Das muss dann wieder in die örtlichen Gremien transportiert werden.

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Job, Betriebsrat, Mutter – man will eben alles gut machen.

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Eine durchaus zeitraubende Tätigkeit, oder?

Tanja Sons: Ja, vor allem vor der Freistellung. Die Betriebsratsarbeit ist eben ein Ehrenamt und gerade als Mutter von zwei Kindern eine zeitliche Herausforderung. Noch dazu war die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten, damals noch nicht so gegeben. Für mich gilt der Leistungsanspruch, entweder ich mache etwas richtig, oder gar nicht – da komme ich nicht aus meiner Haut. Da steht man schon mal unter Stress, vor allem wenn man eigentlich nur 60 Prozent arbeitet wie ich zu dieser Zeit. Job, Betriebsrat, Mutter, man will eben alles gut machen. Ohne die Unterstützung der Großeltern wäre es nicht möglich gewesen.

Du bist Betriebsrat bei einem Dax-Konzern: Was muss sich noch ändern auf dem Weg zur Gleichberechtigung?

Tanja Sons: Ich bin natürlich für Gleichberechtigung, aber halt nicht auf Teufel komm raus. Die Qualifikationen müssen schon nebeneinandergehalten werden. Der Punkt ist ja, dass dieses ausgeglichene Verhältnis kaum darzustellen ist. Aber da sehe ich auch die Politik in der Verpflichtung.

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Es sollte viel, viel besser für die Kinderbetreuung gesorgt werden, damit noch mehr Frauen Führungspositionen bekleiden können.

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Was forderst Du genau von der Politik?

Tanja Sons: Viele Frauen können eben nur in qualifizierten Positionen arbeiten, wenn die Kinder vernünftig betreut sind. Und da muss der Staat für bessere Schulen und Kitas sorgen. Ich habe das eben erst wieder erlebt bei der weiterführenden Schule meines Sohnes – ein Desaster! Man darf eine Frau nicht vor die Wahl stellen ob Führungsposition oder Kinder! Analog zu anderen europäischen Ländern sollte viel, viel besser für die Kinderbetreuung gesorgt werden, damit noch mehr Frauen Führungspositionen bekleiden können – wenn sie das wollen. (tis)

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