Tipp 1: In Kontakt bleiben
Richten Sie Ihren Fokus auf das Wohl der Arbeitnehmer.
Der Grundsatz der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ (§ 2 Abs. 1 BetrVG) beinhaltet, dass sich Betriebsrat und Arbeitgeber nicht als Gegner verstehen, sondern gemeinsam an den Problemen arbeiten. Die Vorschrift sagt aber auch, in welche Richtung diese Zusammenarbeit gehen soll: Maßgeblich sind nicht das Interesse des Arbeitgebers und auch nicht die Wünsche des Betriebsrats. Das vom Gesetz vorgegebene Ziel ist vielmehr das „Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs“.
Es kommt also nicht nur darauf an, was einzelne Betriebsratsmitglieder aus ihrer persönlichen Perspektive wichtig oder erstrebenswert finden. Ganz entscheidend ist eine gewisse „Kundenorientierung“ an den Bedürfnissen der Belegschaft insgesamt. Dafür muss der Betriebsrat aber erst einmal herausfinden, worin das Wohl der Arbeitnehmer überhaupt besteht. Glücklicherweise gibt es hierfür viele verschiedene Ansätze, zum Beispiel:
- Suchen Sie selbst das direkte Gespräch,z. B. bei Arbeitsplatzbegehungen.
- Bieten Sie feste Sprechstunden an.
- Führen Sie die vorgeschriebenen Betriebsversammlungen auch tatsächlich durch.
- Erstellen Sie professionelle Umfragen.
- Bringen Sie einen Kummerkasten für anonyme Vorschläge an.
Verlieren Sie nicht den Kontakt zu den Menschen, die Ihnen bei der Wahl ihr Vertrauen geschenkt haben. Bevor Sie mit frischem Eifer neue „Betriebsratsware“ produzieren, sollten Sie zuerst einmal fragen, was von Ihren Kollegen überhaupt bestellt ist.
Und noch ein Tipp: Bodenhaftung behält man nicht nur dadurch, dass man nach den Problemen und Wünschen der Kollegen fragt; umgekehrt ist es genauso wichtig, dass der Betriebsrat kontinuierlich und verständlich über die eigene Arbeit informiert. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit gehört zu den meist unterschätzten Aufgaben des Betriebsrats.
Tipp 2: Ziele definieren
Definieren Sie eigene Ziele mit Blick auf die Zukunft.
Betriebsratswahlen geschafft, Vorsitz geregelt, Freistellungen organisiert – und was jetzt? Neue Betriebsräte müssen oft nicht lange überlegen, was es wohl zu tun gibt, denn die Aufgaben stürzen meist von ganz alleine auf das Gremium ein.
Viel effektiver ist es aber, sich die Aufgaben nicht durch Zuruf von außen diktieren zu lassen, sondern selbst zu bestimmen, wofür sich der Betriebsrat engagiert. Und befriedigender ist es auch: Denn wer keine Ziele definiert, verfolgt und erreicht, der hat eben auch nie das schöne Gefühl eines Zieleinlaufs und einer Siegesfeier. Machen Sie von Anfang an klar, dass Sie als Betriebsrat die Dinge auch selbst in die Hand nehmen und aktiv handeln wollen, anstatt nur auf Arbeitgebermaßnahmen zu reagieren.
Dabei ist es wichtig, mit der Zeit zu gehen. Seien Sie aufmerksam, wo vielleicht neue Problemfelder entstehen, damit Sie sich frühzeitig darauf vorbereiten können, zum Beispiel:
- Haben aktuelle Gesetzesvorhaben Einfluss auf unsere Arbeitsabläufe?
- Gibt es wirtschaftliche Entwicklungen, die zu Betriebsänderungen führen könnten?
- Ist unser Betrieb vom Trend zu „BYOD“ (Bring your own device) betroffen?
Genauso wichtig ist es aber auch, bereits in der Vergangenheit gefundene Lösungen für alte Probleme auch in der Zukunft laufend und kritisch im Auge zu behalten, zum Beispiel:
- Muss die bestehende Betriebsvereinbarung zu Arbeitszeit und Überstunden aufgrund schleichender Arbeitsverdichtung nachgebessert werden?
- Deckt die alte Reisekostenrichtlinie noch die gestiegenen Anforderungen an Mobilität und Flexibilität ab?
- Hat unser Datenschutz mit der Entwicklung unserer technischen Einrichtungen Schritt gehalten?
Planen Sie sich gleich zu Beginn Ihrer Amtsperiode Zeit ein, um in aller Ruhe eigene Ziele zu definieren. Sie werden feststellen, dass diese Investition sich lohnt!
Tipp 3: Projekte organisieren
Schützen Sie sich im Interesse aller vor Überforderung.
Wer sich in den Betriebsrat wählen lässt, übernimmt damit ein unentgeltliches Ehrenamt. Allerdings soll dafür niemand seine Freizeit opfern. Daher regelt das Gesetz, dass die Betriebsratsarbeit grundsätzlich während der Arbeitszeit, also anstelle des eigentlichen Berufs ausgeübt wird. Hierin liegen Segen und Fluch zugleich.
Natürlich ist es prima, nicht den wohlverdienten Feierabend opfern zu müssen und noch immer genügend Raum für Familie, Freizeit und Erholung zu haben. Umgekehrt bedeutet dies für fast alle Betriebsratsmitglieder aber auch, dass sie innerhalb der regulären Arbeitszeiten einen sehr schwierigen Spagat zwischen dem eigenen Job und dem BR-Mandat vollziehen müssen.
Wer sein Engagement im Beruf unverändert zu 100 % fortsetzen will und zugleich das Betriebsratsmandat ernst nimmt, der steht unter einer großen Doppelbelastung. Die Gefahr von Überlastung, Selbstausbeute und schlimmstenfalls Burn-out steht dann im Raum. Hier gibt es gute Methoden, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, zum Beispiel:
- Schöpfen Sie die Anzahl der Freistellungen des § 38 BetrVG auch wirklich aus.
- Verteilen Sie die Freistellungen (ggf. als Teilfreistellungen) auf mehrere Mitglieder.
- Sorgen Sie durch sinnvolle Ausschussbildung und konsequente Aufgabenverteilung innerhalb des BR dafür, dass die Arbeit nicht an einer zu kleinen Minderheit hängen bleibt.
- Definieren Sie mit Ihrem Vorgesetzten, bei welchen beruflichen Aufgaben Sie in welchem Umfang entlastet werden. Sie können nicht einfach die gleiche Arbeit in weniger Zeit schaffen.
- Verweisen Sie grundsätzlich auf Ihre Arbeitszeiten, wenn jemand versucht, Sie während Ihrer Freizeit in BR-Angelegenheiten zu kontaktieren – egal ob Chef, BR-Mitglied oder Arbeitskollege.
Vor allem bei dem letzten Punkt müssen Sie sich vielleicht erst von Ihrem schlechten Gewissen befreien: „Immer ein offenes Ohr für die Kollegen“ klingt zwar toll, sollte aber Grenzen kennen. Es ist niemandem geholfen, wenn Sie 24 Stunden am Tag erreichbar sind, aber zwei Wochen später aus Überanstrengung arbeitsunfähig werden.
Tipp 4: Führungskompetenz aneignen
Finden Sie Ihre Rolle als Führungspersönlichkeit im Team.
Sie sind Vorsitzende/r eines demokratischen Gremiums. Das Mandat dazu haben Sie in der konstituierenden Sitzung vom Gremium erhalten. Was heißt das nun? Welchen Auftrag hat Ihnen das Gremium denn jetzt eigentlich gegeben? Sind Sie Sprachrohr, Erster unter Gleichen oder fungieren Sie als Macher, Team-Player, Papiertiger oder Alleinentscheider? Und überhaupt: Sind Sie Mitmensch oder Übermensch?
Ihre Rolle als BRV wird einmal durch die formalen Aufgaben und zum anderen durch die Erwartungen der Betriebsratsmitglieder bestimmt. Diese Erwartungen sollten Sie kennen und für sich selbst festlegen, welche Sie erfüllen können oder wollen und welche nicht. Das bezeichnet man als Rollenklarheit.
Wenn Sie sich nicht sicher sind, was Ihr Gremium genau von Ihnen erwartet, dann fragen Sie es. Zum Beispiel in einer Teambildungsklausur. Klar ist, dass Sie sich nicht nach allen Wünschen richten können. Sagen Sie das vorher! Natürlich sollten Sie dann auch Ihrem Gremium mitteilen, welche der Erwartungen Sie erfüllen werden und welche nicht.
Je größer das Gremium, desto höher wird der Organisationsaufwand. Das ist Leitungsaufgabe. Die bekommen Sie nur hin, wenn Sie die Arbeit delegieren und gut organisieren. Natürlich unterstützt Sie dabei der Betriebsausschuss. Letztlich lassen sich Leitungsaufgaben auch so zusammenfassen:
- Kommunizieren: Austausch im Gremium ermöglichen.Kommunikation nach außen ist Aufgabe der Führung. Sorgen Sie dafür, dass Sie wissen, wer was kommuniziert! Es gilt: Wissen ist das wichtigste Gut eines Betriebsratsgremiums!
- Organisieren: Arbeitsverhältnisse für alle Gremiumsmitglieder schaffen, die eine effektive und effiziente Arbeit ermöglichen.
- Delegieren: Die inhaltliche Arbeit steuern, aber nicht selbst erledigen Dafür ist das ganze Gremium da!
Sie bereiten Entscheidungen zwar vor, fällen diese aber nicht. Das macht das Gremium als Ganzes. Außerdem gilt: Je mehr Sie delegieren, desto mehr Zeit haben Sie für die Aufgabe, die Ihnen per Mandat vom Gremium übertragen wurde, nämlich die Leitungsaufgabe.
Tipp 5: Ein schlagkräftiges Team bilden
Stärken Sie Ihr Gremium, indem Sie den Einzelnen fördern.
„Teamentwicklung ist Aufgabe der Leitung.“ Was heißt dieser Satz für Betriebsratsvorsitzende und deren Stellvertreter? Teamentwicklung betrifft alles, was das reibungslose Arbeiten des Gremiums unterstützt. Das ist nicht immer einfach. Vor allem, weil so viele Einzelinteressen und Fraktionsinteressen unter einen Hut zu bringen sind.
Die Idee ist einfach: Ein Gremium arbeitet gut, wenn jeder Einzelne gerne mitarbeitet und sich wohl fühlt; wenn klar ist, wie in der Gruppe miteinander umgegangen wird; und wenn klar ist, wer welche Aufgaben erledigt und wie. Das ist natürlich der Idealfall, der kaum zu erreichen ist.
Teamentwicklung bedeutet, das Gremium zu unterstützen:
- Regeln auszuarbeiten, wie Sie miteinander umgehen wollen,
- Aufgaben zu klären und zu verteilen,
- Konflikte zu lösen und Unstimmigkeiten auszuräumen.
Miteinander statt gegeneinander: Gerade nach den BR-Wahlen gibt es für die Gremien eine Menge zu tun. Damit das Miteinander gut klappen kann, muss sich das Gremium am Anfang zusammenfinden und sich in den ersten Monaten zusammenraufen, damit es anschließend besonders gut zusammenarbeiten kann.
„Wer sitzt im neuen Gremium?“
„Wie gut kennen sich die einzelnen Betriebsräte bereits?“
„Was erwarten sich die Gremiums-Mitglieder selbst von ihrer BR-Arbeit und was vom Vorsitzenden oder von der Vorsitzenden?“
„Wofür sind die einzelnen bereit, sich als BR zu engagieren
Die Antwort auf diese Fragen ist der erste Schritt auf dem Weg zum gemeinsamen Erfolg. Denn: Je besser man sich kennt und einschätzen kann, je klarer die Erwartungen der einzelnen Betriebsräte ist, desto verlässlicher und tragfähiger ist der Zusammenhalt, auch wenn’s mal richtig schwierig wird.
Tipp 6: Das Verhältnis zum Arbeitgeber verbessern
Zur vertrauensvollen Zusammenarbeit gehören immer zwei.
Das kleine Einmaleins der Betriebsratsarbeit ist in Wahrheit ein Zweimalzwei: In § 2 Absatz 1 BetrVG ist geregelt, dass „Arbeitgeber und Betriebsrat“ vertrauensvoll zum „Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs“ zusammenarbeiten sollen. Beide Begriffspaare sind wichtig für eine gut funktionierende Betriebsratsarbeit.
Für ein Team aus „Arbeitgeber und Betriebsrat“ müssen Sie mit gutem Beispiel voran gehen. Hier macht der Ton die Musik. In der Art und Weise der Zusammenarbeit sollten Sie dem Arbeitgeber immer eine offene Hand anbieten.
- Vertiefen Sie nicht ohne Not die Kluft zwischen BR und Arbeitgeber! So ist zum Beispiel die Betriebsversammlung nicht dafür da, den Arbeitgeber vor versammelter Belegschaft schlecht aussehen zu lassen.
- Lassen Sie sich aber auch nicht die Butter vom Brot nehmen! Vereinbarungen zwischen BR und Arbeitgeber muss zwar grundsätzlich der Arbeitgeber durchführen, das heißt aber nicht, dass er alleine dafür die Lorbeeren ernten darf. Passen Sie auf, dass gemeinsame Verhandlungsergebnisse auch als gemeinsame Erfolge dargestellt werden.
„Wohl der Arbeitnehmer und Wohl des Betriebs“ soll nicht heißen, dass sich der Betriebsrat um das eine und der Arbeitgeber um das andere kümmern. Vielmehr sind beide Seiten jeweils beiden Interessen verpflichtet. Das kann als Betriebsrat auch mal bedeuten, harte Entscheidungen mittragen zu müssen.
- Verschließen Sie nicht die Augen vor unangenehmen Wahrheiten. Was die Wahrheit ist, das dürfen Sie allerdings sehr kritisch hinterfragen.
- Geben Sie Acht, dass eine Maximal-Forderung für die Belegschaft nicht wie eine minimale Wertschätzung gegenüber dem Arbeitgeber wirkt.
- Berücksichtigen Sie stets das Pro und Kontra Ihrer eigenen Standpunkte. Wenn Sie sich nur auf einer Seite des Problems bewegen, kann der Arbeitgeber die andere Seite als Anlaufstrecke nutzen und Sie mit viel Schwung überrollen.
Ihr Verständnis für wirtschaftliche Zwänge und für die Gewinnorientierung des Arbeitgebers bedeutet nicht, dass Sie sich auch den Arbeitgeber-Positionen anschließen müssen. Eine „vertrauensvolle“ Zusammenarbeit können Sie Ihrem Chef nicht abzwingen. Sie können es ihm nur vorleben und hoffen, dass er diese Einladung zu einem konstruktiven Miteinander annimmt und erwidert – auch zu seinem eigenen Nutzen.