Nach der Wahl ist vor der Wahl: Eine Amtsperiode als Betriebsrat vergeht oft wie im Flug. Das liegt an der Fülle an Aufgaben, die Tag für Tag anfallen. Außerdem kostet es als BRV viel Zeit und Energie, das Gremium mitzunehmen und mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe zu verhandeln. Auf diese Weise vergehen die Wochen und Monate. Und plötzlich steht Blick auf die kommende BR-Wahl die Frage im Raum, wie es weitergehen soll. Und mit dieser Frage sind Sie nicht allein.
Soll ich wieder antreten?
Viele Fragen zum Ende der Amtszeit
In den vergangenen Monaten hat oft Corona das Denken und Handeln der BR-Gremien bestimmt. Nach und nach rückt nun das Ende der laufenden Amtsperiode in den Mittelpunkt. Damit sind viele Fragen verbunden: Wie zufrieden bin ich mit der Arbeit unseres Betriebsrats? Haben wir unsere Ziele erreicht und die Versprechen gegenüber der Belegschaft eingelöst? Was bringt die nächste Amtszeit? Und, ganz wichtig: Soll ich wieder antreten?
Es ist Zeit für einen persönlichen Boxenstopp.
Ein Rückblick ist nötig
Die Antworten darauf brauchen Geduld, ein sorgfältiges Abwägen und nicht zuletzt eine ehrliche und realistische Einschätzung. Daher ist es Zeit für einen persönlichen Boxenstopp. Dies bedeutet, sich die Zeit zu nehmen, um mit einem gewissen emotionalen Abstand die bisher vergangene Amtsperiode zu betrachten. Außerdem geht es darum, eine Strategie für die Zukunft festzulegen – auch mit Blick auf die Wiederwahl.
Was ist Ihnen geglückt – trotz oft widriger Umstände?
Drei Tipps zur Selbstreflexion
Folgende drei Punkte unterstützen Sie bei ihrer Selbstreflexion:
1. Dafür bin ich angetreten
Machen Sie sich bewusst, mit welchen Ambitionen Sie in diese laufende Amtszeit gestartet sind. Wofür sind Sie angetreten? Welche Ziele hatten Sie sich – mit Blick auf sich selbst, das Gremium, die Belegschaft und dem Arbeitgeber – gesetzt? Was hatten Sie anderen versprochen?
2. Blick auf persönliche Erfolge und Misserfolge
Ziehen Sie eine Zwischenbilanz. Beginnen Sie dabei mit Ihren Erfolgen. Was ist Ihnen geglückt – trotz oft widriger Umstände? Was haben Sie erreicht? Was freut Sie und erfüllt Sie mit Stolz? Wir neigen intuitiv dazu, uns zunächst auf das Nicht-Erreichte zu fokussieren. Allerdings ist es enorm wichtig, ohne der BR-typischen Bescheidenheit die Dinge wahrzunehmen, die geglückt sind. Und dies müssen nicht immer die großen Dinge des Lebens sein! Sie werden feststellen, wie viel plötzlich zusammenkommt, an das Sie vielleicht schon gar nicht mehr gedacht haben: Die vielen Gespräche, in denen Sie Kollegen mit Rat und Tat zur Seite standen, Ihr gelungenes Krisenmanagement in der Pandemie, die Leitung Ihres Gremiums, Verhandlungen mit dem Arbeitgeber, Ihre persönliches Weiterentwicklung, usw. Erlauben Sie es sich an dieser Stelle, sich selbst einmal auf die Schulter zu klopfen.
Welche Steine wurden Ihnen in den Weg gelegt?
Und dann denken Sie auch über die Misserfolge nach. Was ist nicht geglückt? Welche Versprechen konnten Sie nicht einhalten? Wo sind Sie persönlich gescheitert? Mit einem gewissen Abstand erkennt man allerdings manchmal auch, warum Ziele nicht erreicht wurden bzw. erreicht werden konnten. Welche Steine wurden Ihnen in den Weg gelegt? Welche unvorhersehbaren Ereignisse (wie z.B. Corona) haben eine Neu-Priorisierung erforderlich gemacht? Und stellen Sie sich unbedingt die wichtigste Frage für jeden Misserfolg: „Was habe ich daraus für die Zukunft gelernt?“.
3. Was macht Spaß – was kostet Kraft
Der Schlüssel zur persönlichen Zufriedenheit und zu einer dauerhaften Motivation liegt darin, genau zu wissen, wie man seine Talente, Stärken und Werte im Alltag nutzen kann. Überlegen Sie sich daher für die Zukunft, welche Aufgaben und Tätigkeiten Sie mit besonderer Zufriedenheit erfüllen und welche nicht.
Jeder ist für seine eigene Motivation verantwortlich.
Als Vorsitzende müssen Sie nicht alles alleine machen! Binden Sie Ihr Gremium ein und delegieren Sie Aufgaben. Nur dann können Sie mehr von dem machen, was Sie mit großer Zufriedenheit erfüllt. Auch wenn Sie nicht für die Motivation jedes BR-Mitglieds verantwortlich sind – jeder ist für seine eigene Motivation verantwortlich – können Sie dennoch positiv auf die Leistungsbereitschaft einwirken. Vermitteln Sie den Sinn der Betriebsratsarbeit, Verknüpfen Sie Aufgaben mit den Werten und Motiven der Kollegen und pflegen Sie die zwischenmenschlichen Beziehungen. Aber scheuen Sie sich auch nicht, an das Pflichtbewusstsein zu appellieren!
Der Boxenstopp hilft
Der persönliche Boxenstopp hilft Ihnen dabei, Erreichtes zu bewerten, Ihre individuelle Strategie anzupassen und den eigenen Tank aufzufüllen – und Ihnen Klarheit und Zuversicht für die kommende Amtszeit zu verschaffen.
Mein Tipp:
Das Antreten für eine neue Amtsperiode lohnt sich fast immer. Auch wenn man sich im Rückblick über manche Situationen und auch über Menschen geärgert hat – nur als Betriebsrat sitzt man am richtigen Hebel, um etwas zu bewirken. Und lernt auch neue Stärken kennen!