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Christos Kalpakidis, Betriebsrat des Logistikzentrums Pforzheim, im Gespräch
Immer wieder tauchen Medienberichte auf, die von Schwierigkeiten an verschiedenen Amazon-Standorten berichten: Es geht um schlechte Arbeitsbedingungen oder Kündigungen von Betriebsräten. Christos Kalpakidis kann die negativen Schlagzeilen nicht bestätigen, auch wenn er nur für „sein“ Logistikzentrum in Pforzheim spricht. Der 44-Jährige sitzt seit Gründung des Betriebsrats dort im Gremium und berichtet von einigen positiven Entwicklungen: „Das Unternehmen ist erwachsen geworden.“ Aber, klar: Auch er sieht noch Verbesserungspotenzial.
Christos Kalpakidis: Wir fragen natürlich nach, aber es ist situationsabhängig. Mal ist man auf der Seite des Betriebsrats, mal kann man Entscheidungen nachvollziehen. In jedem Fall sollte sich kein Betriebsrat mehr erlauben als andere Mitarbeiter. Ich bin jetzt elf Jahre dabei, bei uns wurde jedenfalls noch kein Betriebsrat gekündigt.
Christos Kalpakidis: Es ist wie überall, der eine Standort hat sicherlich mehr Probleme, der andere weniger. Die Aktivitäten bei Amazon sind halt weitaus mehr als bei kleineren Firmen. Das sehen wir beispielsweise bei Kündigungen. Aber im Großen und Ganzen gibt es meiner Meinung nach bei Amazon keine Probleme mit Betriebsräten. Es ist nicht immer alles so, wie es in der Presse dargestellt wird. Das zeigen unsere Netzwerktreffen, bei denen wir alle zusammenkommen.
Christos Kalpakidis: Das haben wir häufiger versucht, anzustoßen – es gab sogar einen gerichtlichen Versuch. Aber das gibt das Gesetz leider nicht her, da wir in einzelne GmbHs aufgeteilt sind und die „Mutter“ in Luxemburg sitzt. Dennoch haben wir uns vernetzt und der Arbeitgeber akzeptiert das. Wir tauschen uns aus, treffen uns zweimal im Jahr. Es ist der Versuch, vieles zu vereinfachen, jedoch ohne gesetzlichen Rückhalt.
Christos Kalpakidis: Sie bringen auf jeden Fall etwas. Wir können Ideen klauen, wenn ein anderes Betriebsratsgremium beispielsweise eine bestimmte Betriebsvereinbarung ausgehandelt hat. Es ist außerdem von Vorteil für unsere Verhandlungen, wenn wir sagen können, dass dies oder jenes anderswo bereits umgesetzt wurde. Und natürlich gibt es gemeinsame Interessen. Stehen bei den anderen Lohnerhöhungen an? Gibt es Personalabbau oder Personalaufbau? Wir bekommen dadurch Infos, die wir sonst vielleicht nicht bekämen.
Christos Kalpakidis: Das stimmt, aber das Unternehmen wird auch erwachsen. Es hat gemerkt, dass es in Europa und vor allem in Deutschland gesetzlich anders ist als in den USA. Und daran halten sie sich auch.
© BR Amazon-Logistikzentrum Pforzheim
Christos Kalpakidis: Im Laufe der Zeit konnten wir viele Dinge verbessern. Angefangen bei der Lohnentwicklung. Außerdem wird die Arbeit durch entsprechende Automatisierung immer weiter erleichtert. Da ist das Unternehmen sehr aktiv. Ist ein Kollege mal im Urlaub, gibt es nach seiner Rückkehr sicherlich wieder etwas Neues. Ganz davon abgesehen kennen wir es im Betriebsrat eigentlich nicht, dass Seminare abgelehnt werden. Vielleicht, wenn ich einen Töpferkurs beantragen würde. (lacht)
Christos Kalpakidis: Es gibt eine Betriebsvereinbarung, auf die wir besonders stolz sind: und zwar zur AU-Auflage. Es geht darum, dass jeder Mitarbeiter dreimal im Jahr drei Tage ohne Krankenschein krank zuhause bleiben kann. Wenn jemand beispielsweise Migräne hat und weiß, dass er nur ein, zwei Tage Ruhe braucht, dann muss er sich nicht extra ins Wartezimmer hocken, um den Krankenschein zu holen. Das haben nicht viele Standorte.
Christos Kalpakidis: Ändern kann man immer etwas! Ich würde vielleicht bei der Lohnstruktur ansetzen. Da gibt es eine Lücke zwischen zwei Levels, allerdings Aufgaben, die dazwischen liegen. Da sind wir immer wieder dran, stoßen bisher nicht auf den ganz großen Änderungswillen. Wobei die örtlichen Verantwortlichen durchaus zustimmen. Aber darüber gibt es ja noch jemanden.
Christos Kalpakidis: Bei uns am Standort haben über 95 Prozent einen Festvertrag. Die Gerüchte, die da gelegentlich aufkommen, stimmen nicht. Wir sind Mitarbeiter aus etwa 70 Nationen, das ist also eine kleine Welt für sich. Im Grunde arbeiten alle gut miteinander, egal ob sehr jung oder älter. In der Kantine gibt es subventioniertes Essen, die Getränke sind umsonst. Außerdem kann man sich gut weiterentwickeln, zum Vorarbeiter, zur Führungskraft oder zum Trainer. Ich habe da alles schon miterlebt: Einfache Versandmitarbeiter, die mittlerweile Operations Manager sind, was für einen externen Bewerber ohne Studium unmöglich wäre. Der Vorteil an der Größe des Unternehmens ist, dass es keine Vetternwirtschaft gibt. Da wird nicht der Cousin oder Freund genommen. Hier kann sich jeder intern bewerben und der Beste wird genommen.
Christos Kalpakidis: Wir haben hilfsbereite Kollegen, da finden wir im Zweifel immer einen Dolmetscher. Aber das kommt gar nicht so oft vor, da Englisch- oder Deutschkenntnisse Voraussetzung sind. Hauptsächlich wegen des Sicherheitsaspektes. Hier fahren 350 Stapler durch die Gegend, da sollten die Hinweise verstanden werden.
Christos Kalpakidis: Wir sind stolz, dass bei dieser Größe in all den Jahren kein größerer Unfall passiert ist. Gott sei Dank! Das Unternehmen ist ja weltweit tätig und wenn irgendwo was passiert, werden überall sofort Maßnahmen ergriffen. Unsere Eingangsdrehtore sind alle gepolstert – wahrscheinlich hat sich jemand mal verletzt.
Christos Kalpakidis: Ich habe öfters Streitigkeiten geschlichtet, ohne den Arbeitgeber involvieren zu müssen. Das habe ich ein paar Mal ganz gut gelöst, auch mal innerhalb einer Abteilung. Dann bin ich mit dem Vorschlag, eine Ausbildung zu machen, zu den Geschäftsführern – und die haben eingewilligt. Die Ausbildung hat sehr viel Spaß gemacht und wirklich etwas gebracht. Und es hat jeder was davon: ich, der Betriebsrat, die Mitarbeiter und Amazon.
Christos Kalpakidis: Es gibt mehrere Gründe: Ich habe einfach ein ausgeprägtes Helfersyndrom und einen großen Gerechtigkeitssinn. Ich gehe leidenschaftlich gerne Themen an und versuche, diese zu klären, bevor sie größer werden. In den elf Jahren habe ich viele Betriebsräte kommen und gehen sehen. Von den Gründungsmitgliedern bin nur noch ich dabei und es ist der klare Anspruch, bei der nächsten Wahl wieder dabei zu sein. Aber vom Nichtstun ist noch nie einer wiedergewählt worden. Man muss aktiv sein, nur so klappt es. (tis)
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