Wer braucht denn eine Arbeitnehmervertretung?
Die Antwort ist simpel: Alle, die arbeiten. Oder zumindest alle, die mit mehr als 49 Kolleginnen und Kollegen in einem Betrieb sitzen. Denn ab 50 Mitarbeitern haben Beschäftigte in der Schweiz das Recht auf eine Arbeitnehmervertretung – allerdings nur, wenn mindestens ein Fünftel der Belegschaft laut und deutlich „Wir wollen mitreden!“ ruft.
Und in größeren Betrieben? Da wird’s sozusagen betriebsdemokratisch ernst: Ab 500 Mitarbeitern braucht es mindestens 100 Unterschriften, um das Thema Arbeitnehmervertretung auf den Tisch zu bringen. Oder besser gesagt: ins Wahlbüro. Das Ganze wirkt wie eine Petitionskampagne, jedoch mit wesentlich mehr rechtlicher Relevanz.
Und weil die Schweizer gründlich wählen, folgt darauf eine demokratische Abstimmung – im Zweifel geheim, wie sich das für eine echte Wahl gehört. Kein Flurfunk, sondern anonyme Zettel, klare Regeln.
Der Wahltag selbst wird vom Arbeitgeber und den Mitarbeitern gemeinsam organisiert.
Wahlverfahren und gemeinsame Organisation
Der Wahltag selbst wird übrigens vom Arbeitgeber und den Mitarbeitern gemeinsam organisiert – ja, gemeinsam! Wahlberechtigt sind alle Mitarbeiter (auch Teilzeitkräfte), das Wahlrecht ist allgemein und frei.
Und während in Deutschland bei der Betriebsratswahl immer noch Flyer durch die Büros flattern und Plakate mit kämpferischen Parolen die Meeting- und Kantinenwände tapezieren, bleibt’s in der Schweiz deutlich dezenter. Die Wahlkampfkultur ist höflich und zurückhaltend. Vielleicht gibt’s ein A4-Blatt am Schwarzen Brett und einen stillen Händedruck. Wahlkampf auf Schweizer Art!
Die Schweizer Arbeitnehmervertretung ist so etwas wie der Cousin des deutschen Betriebsrats.
Rechte und Pflichten – nicht ganz so stark wie in Deutschland
Man könnte sagen: Die Schweizer Arbeitnehmervertretung ist so etwas wie der Cousin des deutschen Betriebsrats, aber eher der höfliche, ruhige Typ – mehr Mittler als Kämpfer, mehr Diplomatie als Protest.
Tatsächlich hat die Personalkommission kein Streikrecht und sie darf auch keine Tarifverträge verhandeln. Stattdessen liegt der Fokus auf dem, was im Mitwirkungsgesetz festgelegt ist: Informations-, Konsultations- und in bestimmten Fällen Mitentscheidungsrechte. Keine Gewerkschaft im Rucksack, aber definitiv mit Sitz am Tisch, wenn es wichtig wird.
- Informationsrecht (Art. 9 MitwG)
Der Arbeitgeber muss die Vertretung rechtzeitig und umfassend informieren – etwa über die wirtschaftliche Lage, geplante Umstrukturierungen oder Personalfragen. Und das nicht irgendwann mal, sondern mindestens einmal jährlich. - Konsultationsrecht
Bei bedeutenden Veränderungen – etwa Massenentlassungen oder Betriebsübergängen – muss der Arbeitgeber die Vertretung anhören. Ob sie das dann gut findet oder nicht, steht auf einem anderen Blatt, aber: Die Meinung zählt und kann Einfluss auf das weitere Vorgehen haben. - Mitbestimmung? Ein bisschen!
In bestimmten Bereichen, beispielsweise bei Gesundheits- und Arbeitsschutzmaßnahmen, kann es sogar zu einer echten Mitentscheidung kommen. Aber: Die Schweiz kennt hier keine flächendeckenden Mitbestimmungsrechte wie in Deutschland. Ein Co-Management à la Mitbestimmungsgesetz ist eher die Ausnahme als die Regel.
In Deutschland ist der Betriebsrat ein echtes Schwergewicht
Schweiz vs. Deutschland – gleiche Idee, andere Umsetzung
In Deutschland ist der Betriebsrat ein echtes Schwergewicht: stark im Betriebsverfassungsgesetz verankert, mit weitreichenden Mitbestimmungsrechten, festen Freistellungen, Schulungsanspruch und – wenn’s sein muss – ordentlich Rückendeckung von der Gesetzgebung. Der Arbeitgeber muss hier oft fragen, bevor er handelt. Kurz gesagt: Mitreden ist Pflicht, keine Kür.
In der Schweiz hingegen gilt: Mitwirkung statt Mitbestimmung. Die Personalkommission ist gesetzlich zwar anerkannt, aber mit deutlich schlankeren Kompetenzen. Es geht um Information und Konsultation, nicht um das letzte Wort. Auch gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung – alles eine Frage der internen Absprache (und manchmal der Sympathie).
Und während sich in Deutschland die Wahl eines Betriebsrats wie ein kleiner Krimi anfühlt – mit Aushängen, Wahlvorständen und juristischen Spitzfindigkeiten –, bleibt es in der Schweiz meist leise und sachlich.
Auch wenn sie weniger Rechte hat als ihr deutscher Verwandter, steht die Schweizer Arbeitnehmervertretung nicht ungeschützt da.
Schutz und Rahmenbedingungen – Vertrauen ist gut, Gesetz ist besser
Auch wenn sie weniger Rechte hat als ihr deutscher Verwandter, steht die Schweizer Arbeitnehmervertretung nicht ungeschützt da. Die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber soll nämlich nach dem Prinzip „Treu und Glauben“ erfolgen. Das klingt zumindest so ähnlich wie „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ aus unserem Betriebsverfassungsrecht.
Und wie bei uns: Die Vertreter arbeiten während der Arbeitszeit. Heißt also: Kein Feierabend-Zusatzjob, sondern bezahltes Engagement – zumindest dann, wenn es betrieblich sinnvoll geregelt ist.
Dazu kommt eine Verschwiegenheitspflicht. Was in der Kommission besprochen wird, bleibt in der Kommission. Interna aus der Chefetage oder vertrauliche Geschäftsinfos dürfen also nicht plötzlich auf der nächsten Weihnachtsfeier in Umlauf geraten. Genauso wie in Deutschland.
Kündigungsschutz auf Schweizerisch?
Wer sich als Arbeitnehmervertreter engagiert, muss keine Angst haben, dass ihm gleich die Kündigung ins Haus flattert. Denn laut Art. 336 des Obligationenrechts (OR) gilt: Eine Entlassung aufgrund der Vertretungstätigkeit ist missbräuchlich und kann juristische Folgen für den Arbeitgeber haben.
Fazit:
Die Arbeitnehmervertretung in der Schweiz ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Belegschaft und Geschäftsleitung. Sie vermittelt, informiert, schützt – ganz ohne Kampfansage, aber mit Haltung.
Kurz gesagt: Sie ist nicht laut, aber sie wirkt. Und das – wie so oft in der Schweiz – mit Anstand, Augenmaß und vielleicht doch so präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. (sw)