Fakten, Zahlen, Menschen: Wie viele vertreten wen?
Im Jahr 2025 zählt Spanien zwischen 21,8 und 22 Millionen Erwerbstätige. Davon sind rund 3 Millionen ausländische Beschäftigte, was ca. 14 % entspricht. Und all diese Menschen haben das Recht auf Vertretung – auch, wenn ihr Betrieb nur aus sieben Leuten besteht.
Wenn es in Spanien um Arbeitnehmerrechte geht, führt kein Weg am „Estatuto de los Trabajadores“ (ET) vorbei.
Ein Gesetz mit großer Wirkung: Das „Estatuto de los Trabajadores“
Wenn es in Spanien um Arbeitnehmerrechte geht, führt kein Weg am „Estatuto de los Trabajadores“ (ET) vorbei – dem zentralen Gesetzbuch für alles, was im Arbeitsleben wichtig ist. Besonders spannend wird es in den Artikeln 61 bis 68. Hier schlägt das Herz der betrieblichen Mitbestimmung:
- Wer darf wählen?
Das ET legt fest, wer zur Wahl berechtigt ist – Achtung: fast alle Beschäftigten, nur ganz wenige Ausnahmen. - Wie läuft die Wahl ab?
Demokratisch, geheim, direkt – ganz ohne Kaffeekränzchen oder Flurfunk. Stattdessen mit klaren Vorgaben und geregeltem Verfahren. Also ähnlich wie unsere Betriebsratswahl. - Wie viele Betriebsratsmitglieder braucht ein Unternehmen?
Auch das steht schwarz auf weiß im Gesetz: Je größer die Firma, desto mehr Vertreter. Vom Mini-Team bis zum Konzern ist alles abgedeckt. - Und was dürfen die dann überhaupt?
Die Rechte und Pflichten der gewählten Vertretung – von Anhörungsrechten bis hin zur Tarifverhandlung – sind ebenfalls im ET geregelt.
Man könnte sagen: Das „ET“ ist für Spaniens Betriebsräte das, was das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) für die deutschen Betriebsräte ist – nur mit etwas weniger Paragrafenwucht.
Die Wahl wird von der Belegschaft oder den Gewerkschaften angestoßen. Ob kleines Familienunternehmen oder großer Industriebetrieb.
Zwei Wege zur Vertretung: Komitee oder Delegierter?
Spanien unterscheidet zwei Modelle der betrieblichen Vertretung:
- Personaldelegierte (delegados de personal) – in Unternehmen mit 6 bis 49 Mitarbeitern
- Betriebskomitees (comités de empresa) – ab 50 Mitarbeitern
Die Wahl wird von der Belegschaft oder den Gewerkschaften angestoßen. Ob kleines Familienunternehmen oder großer Industriebetrieb – wer Arbeitskollegen hat, darf ab sechs Personen mitreden. Ein Unterschied zu Deutschland: Bei uns gibt’s ab fünf Wahlberechtigten die Möglichkeit zur Betriebsratsgründung – und das ist in manchen Fällen gar nicht so einfach.
Auch wenn die Mitbestimmung in Spanien anders funktioniert, sind die Arbeitnehmervertreter in unserem Lieblingsurlaubsland alles andere als zahnlose Tiger.
Rechte, Pflichten, Freistellungen – und ein bisschen Mitbestimmung
Auch wenn die Mitbestimmung in Spanien anders funktioniert, sind die Arbeitnehmervertreter in unserem Lieblingsurlaubsland alles andere als zahnlose Tiger. Sie haben durchaus Biss – und dürfen Folgendes:
- Tarifverhandlungen auf Unternehmensebene führen
- Informationen vom Arbeitgeber verlangen (z. B. zur wirtschaftlichen Lage, zu Verträgen oder zum Arbeitsschutz)
- Anhörung bei wichtigen betrieblichen Entscheidungen einfordern (etwa bei Massenentlassungen oder Betriebsänderungen)
- Arbeitszeitfreistellungen beanspruchen – je nach Größe des Betriebs
Mitbestimmungsrechte, wie sie in Deutschland etwa beim Thema Arbeitszeit oder Sozialpläne vorgesehen sind, gibt es in Spanien kaum. Wenn überhaupt, dann in Sonderfällen – etwa bei der Verwaltung von Sozialfonds.
Man könnte sagen: Während der deutsche Betriebsrat mit am Tisch sitzt, darf sein spanisches Pendant gelegentlich mal anklopfen.
In Spanien sind Gewerkschaften nicht bloß Gäste im Betrieb – sie sitzen oft direkt mit am Steuerrad. Häufig setzen sich die Listen für die Betriebsratswahl aus gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern zusammen. Zusätzlich gibt es in vielen Unternehmen gewerkschaftliche Sektionen, die parallel zur offiziellen Arbeitnehmervertretung existieren und zum Teil sogar über die gleichen Rechte verfügen.
Während in Deutschland Betriebsrat und Gewerkschaften gern mal betonen, voneinander unabhängig zu agieren, zeigt sich in Spanien ein anderes Bild: Dort arbeiten beide Seiten meist Hand in Hand – eher als eingespieltes Team. Oder um es in Fußballsprache zu sagen: ein perfekter Doppelpass. Und darin sind die Spanier ja bekanntlich Meister.
Dass spanische Betriebsräte nicht nur reden, sondern auch etwas bewegen können, zeigt ein bemerkenswerter Fall...
Fallbeispiel: Ein Urteil, das befristete Jobs gerechter machte
Dass spanische Betriebsräte nicht nur reden, sondern auch etwas bewegen können, zeigt ein bemerkenswerter Fall zur Gleichstellung von befristeten und unbefristeten Beschäftigten bei Abfindungen.
Früher bekamen befristet Beschäftigte in Spanien im Fall einer Kündigung deutlich weniger Abfindung als ihre unbefristeten Kollegen. Klingt unfair? Dachten auch die spanischen Kollegen – und zogen gemeinsam mit den Gewerkschaften vor Gericht.
Das Ganze ging hoch bis zum Europäischen Gerichtshof. Und siehe da: Der EuGH entschied, dass diese Ungleichbehandlung nicht rechtens sei (Urteil vom 14. September 2016, C-596/14). Seither haben auch befristete Beschäftigte Anspruch auf gleiche Abfindung – ein starkes Ergebnis, das europaweit Beachtung fand.
Fazit: Kein deutsches Modell, aber eine starke Stimme
Die spanischen comités de empresa sind zwar keine Betriebsräte nach deutschem Vorbild – doch sie haben sich ihren festen Platz in der Arbeitswelt erarbeitet. Ob bei Tarifverhandlungen, Unternehmensumstrukturierungen oder im Einsatz für mehr Gerechtigkeit: Die spanische Arbeitnehmervertretung wirkt – auf ihre ganz eigene Weise. Und mit diesem Wissen schmeckt uns das nächste Glas Sangria unter südlicher Sonne sicher noch besser! (sw)