Thema Fachkräftemangel - eigentlich gibt es eine Lösung: Durch die Jahrgänge der Babyboomer, die mit 50 plus über einen großen Wissensschatz verfügen und in den Firmen noch unterwegs sind. Die werden jedoch bei Bewerbungen aufgrund ihres Alters meist abgelehnt oder gar nicht erst rekrutiert. Was läuft da schief?
Die meisten Fachkräfte fehlen in fünf Berufen: Sozialarbeit, Kinderbetreuung, Altenpflege, Bauelektrik und Gesundheitspflege.
Altersdiskriminierung ist ungerechtfertigte Benachteiligung von Personen aufgrund ihres Alters.
Altersdiskriminierung ist weit verbreitet
Altersdiskriminierung spiegelt sich gerade in der Arbeitswelt deutlich wider. Sie ist kein deutsches oder europäisches Phänomen. Die WHO hat mit ihrem „Global report on ageism“ Daten von 83.000 Befragten aus 57 Ländern analysiert. Das Ergebnis: Jeder zweite Erwachsene weltweit ist voreingenommen gegenüber älteren Menschen. In Europa berichtet ein Drittel der älteren Menschen, dass sie bereits Erfahrungen mit Altersdiskriminierung gemacht haben.
Und wie sieht es in Deutschland aus? In einer repräsentativen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) gaben ca. 10 % der Befragten an, in den letzten 24 Monaten aufgrund ihres hohen Alters diskriminiert worden zu sein. Altersdiskriminierung bildete in der Befragung von allen Diskriminierungsmerkmalen die größte Gruppe.
Quelle: Statistisches Bundesamt - interaktive Berechnungsmöglichkeiten mit verschiedenen Annahmen
Altersdiskriminierung bei der Stellenbesetzung?
Darin sind sich Arbeitgeber fast alle einig: Sobald die Sprache auf das Thema Fachkräftemangel kommt, setzt unverzüglich großes gemeinsames Wehklagen ein, wie dramatisch die Situation in der Realität schon sei. Doch dieses Gejammer steht im Gegensatz zum Alltag der Personalbüros. Laut einer Studie des Jobportals Indeed waren mehr als ein Viertel der Personaler der Meinung, dass Fachkräfte über 60 Jahre generell zu alt für ihr Unternehmen sind. Bereits 55 plus wird als zu alt empfunden. Fakt ist: Je älter jemand ist, desto geringer sind seine Chancen auf eine neue Beschäftigung. Trotz fachlicher Qualifizierung! Das hätte man vielleicht zu Zeiten nachvollziehen können, als noch sehr viele junge Menschen auf den Arbeitsmarkt drängten. Aber heute? Müssen nicht gerade jetzt Arbeitgeber massiv auch ältere Arbeitnehmer weiter qualifizieren und versuchen, den Bedarf erstmal mit deren Hilfe zu decken?
Warum bekommen ältere Fachkräfte kaum Chancen von Personalern?
In einer Zeit von New Work, Corporate Social Responsibility (CSR), Empowerment widerspricht eine ungerechtfertigte Aussortierung aus dem Jobmarkt komplett der modernen Arbeitswelt. Jeder spricht von lebenslangem Lernen und es werden längere Berufszeiten geprüft und gefordert. Gleichzeitig klagen Arbeitgeber über Fachkräftemangel.
Eigentlich können es sich Unternehmen heutzutage nicht mehr leisten, ältere Mitarbeiter zu ignorieren, intern nicht weiterzubilden und zu qualifizieren. Alle Arbeitsmarktzahlen belegen, dass es wichtig ist, in ältere Mitarbeiter genauso zu investieren wie in die jüngeren Kollegen. Bei der jetzigen Arbeitsmarktlage ist es fahrlässig, nicht vorausschauend zu denken und zu handeln. Anfang August waren in deutschen Unternehmen so viele Stellen unbesetzt wie nie zuvor. Und wenn man bedenkt, dass jetzt schon fast 40 % der Bevölkerung älter als 55 Jahren sind – wie wollen Unternehmen denn die Arbeitsplätze von morgen besetzen? Auch die Unterstellung, dass ältere Fachkräfte in der Digitalisierung und bei technischen Anforderungen nicht mithalten können, ist völlig veraltet. Schließlich gibt es das Internet, Soziale Medien & Co. inzwischen lang genug, so dass jeder Babyboomer genügend digitale Kompetenz mitbringt. Und mal ehrlich – wie viele Mittelständischen Unternehmen haben schon eine Digitalstrategie?
Die gute Mischung macht´s!
Jüngere Mitarbeiter mögen frischen Wind in ein Unternehmen bringen und durch eine ungetrübte Sichtweise interessante Fragen stellen. Sie umschwebt das Imagelüftchen der hohen Leistungsbereitschaft, der Flexibilität und der digitalen Kompetenz. Aber ihnen fehlt auch das interne Fachwissen, Gelassenheit bei Krisen und die Erfahrung zu Anforderungen aus der Vergangenheit und deren Fehlermanagement. Das Einfühlungsvermögen zur Zielgruppe und zum Markt müssen ebenfalls erst aufgebaut werden. Auch der Druck des Arbeitgebers, der oft mit unrealistischen Vorstellungen junge Mitarbeiter ohne Vorkenntnisse in den Stellen besetzt, ist hoch. Manchmal ist die Enttäuschung schon vorprogrammiert. Wie in vielen Dingen des Lebens: Die richtige Mischung in den Fach-Teams ist gefragt! Und eine gute Führung, die Kompetenzen optimal und effizient zusammenführt.
Aus dem AGG:
Pflichten des Arbeitgebers gem. § 12 AGG
Gemäß § 12 Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen aufgrund der Merkmale Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität zu treffen. Diese Verpflichtung umfasst sowohl eine Reaktion auf bereits erfolgte Diskriminierungen als auch vorbeugende Maßnahmen. Zu den vorbeugenden Maßnahmen gehört die Information der Mitarbeiter über die Unzulässigkeit von diskriminierenden Verhaltensweisen durch Aushang oder mündliche Information, insbesondere auch durch Schulungen und Fortbildungen.
Das können Sie als Betriebsrat tun:
- Regen Sie eine Beschwerdestelle im Unternehmen an (Antidiskriminierungsstelle)!
- Bieten Sie eine BR-Sprechstunde für Betroffene an!
- Achten Sie im Unternehmen auf das Durchschnittsalter. Eine ausgewogene Balance ist hier das Ziel!
- Weisen Sie den Arbeitgeber bei Einstellungen auch auf potenziell erfahrene Bewerber hin oder auf interne Fachkräfte!
- Werden Sie als Betriebsrat Lobbyist beim AG für Ihre älteren Kollegen! Für die jungen MA setzen sich Arbeitgeber und Führungskraft oft ausreichend ein.
- Achten Sie darauf, dass auch genügend ältere Mitarbeiter weitergebildet werden und bei Qualifizierungen nicht übergangen werden!
- Schließen Sie eine Betriebsvereinbarung zur Gleichbehandlung ab! Zum Beispiel kann eine Qualifizierung zur Beschäftigungssicherung aller Mitarbeiter, ob jung oder alt beitragen.
Ihre Rechte als Betriebsrat:
Aus dem Betriebsverfassungsgesetz:
§ 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.
(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.
Fazit: Ältere Mitarbeiter sind ein wichtiger Unternehmensfaktor für die Zukunft, um den Fachkräftemangel abzumildern. Helfen Sie als Betriebsrat mit, damit Ihre älteren Kollegen die Wertschätzung erhalten, die sie auch verdienen. (sw)