Es klingt fast schon zu absurd, um wahr zu sein: Während Top-Spieler wie Manuel Neuer oder Thomas Müller beim deutschen Rekordmeister angeblich über 20 Millionen Euro im Jahr kassieren, hat der Verein Mitarbeiter seines Nachwuchsleistungszentrums wohl jahrelang nicht anständig entlohnt und auch noch Sozialleistungen unterschlagen. Deshalb hat das Hauptzollamt München gegen den FC Bayern einen Einziehungsbescheid in Höhe von rund 200.000 Euro erlassen. Hinzu kommen rund 45.000 Euro Strafe für die hinterzogenen Sozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge. Überspitzt formuliert muss der FC Bayern also rund viereinhalb Tagesgehälter seiner Spitzenspieler dem Zollamt überweisen. Wie passt das zusammen?
Vergehen im Nachwuchsleistungszentrum des Vereins
Der FC Bayern soll in seinem „FC Bayern Campus“, dem Nachwuchsleistungszentrum des Vereins, zwischen 2016 und 2021 Mitarbeiter auf 450-Euro-Basis beschäftigt haben. Die Tätigkeiten haben sich hinterher wohl als deutlich umfangreicher herausgestellt, Arbeitszeiten sollen von den Mitarbeitern nicht richtig und unvollständig aufgezeichnet worden sein. Die geleisteten Stunden stimmten folglich nicht mehr mit den vertraglich vereinbarten überein.
Den Ermittlungen vorausgegangen war ein Bericht des WDR-Magazins „Sport inside“, in dem Mindestlohn-Vergehen im Nachwuchsleistungszentren von Fußball-Bundesligisten aufgedeckt wurden. Unter anderem äußerte sich darin ein ehemaliger Jugendtrainer des FC Bayern anonym zu den Praktiken beim Rekordmeister. Trainer durften beispielsweise nur die Nettospielzeit, also die Zeit, in der das Spiel faktisch läuft, als Arbeitszeit angeben – selbst bei Punktspielen mit weiten Anfahrten oder mehrtägigen Turnierreisen.
Allein die Tatsache, dass es im leistungsorientieren Nachwuchsfußball überhaupt Trainer oder Trainerassistenten gibt, die auf geringfügiger Basis beschäftigt sind, verwundert doch sehr. Schließlich kommen zu den drei bis fünf wöchentlichen Trainingseinheiten Spiele, Turniere, Elterngespräche, Scouting und – nicht zu vergessen – die Vor- und Nachbereitungszeit hinzu. Das summiert sich entsprechend und steht im krassen Gegensatz zu den allerhöchstens 43,3 Stunden im Monat, die aufgrund des Mindestlohns in einer Anstellung auf geringfügiger Basis gearbeitet werden darf.
FC Bayern beteuert Kooperation mit Behörden
In einer Pressemitteilung teilte der FC Bayern nach rechtskräftigem Abschluss des Ordnungswidrigkeitenverfahren mit, man habe von Beginn an vollumfänglich mit den Behörden kooperiert, speziell mit dem Hauptzollamt München, um den Fall aufzuarbeiten. Bereits im Herbst 2020 habe man am Campus außerdem strukturelle Veränderungen getroffen, um Mindestlohnunterschreitungen in Zukunft zu vermeiden. So seien Stundenlöhne angepasst und ein engmaschiges Monitoring zur Beibehaltung der strukturellen Vorkehrungen eingeführt worden. Seit 2021 gebe es im Mannschaftsbereich bei den Jugendteams keine geringfügig Beschäftigten mehr. Außerdem bedauere der Verein die Vorfälle: „Es lag nie in der Absicht der FC Bayern München AG, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern berechtigten Lohn vorzuenthalten.“
Beobachter sprechen davon, dass der FC Bayern mit der Entscheidung noch mit einem blauen Auge davongekommen ist, da das Vergehen als Ordnungswidrigkeit eingestuft wurde.
Weitere Clubs im Visier
Die WDR-Reportage zeigte allerdings auch, dass das Mindestlohnvergehen im Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern kein Einzelfall ist. Neben dem FC Augsburg steht auch der kürzlich aus der Bundesliga abgestiegene FC Schalke 04 im Fokus. Auch hier meldete sich ein ehemals betroffener Jugendtrainer der sogenannten „Knappenschmiede“ zu Wort. Das überrascht umso mehr, weil der Revierclub einer der ganz wenigen Vereine in Deutschland ist, die einen Betriebsrat haben. Denn gemäß § 80 Abs. 1 BetrVG muss der Betriebsrat darüber wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Dazu zählt selbstverständlich auch der Mindestlohn. Insofern könnte sich so mancher Verein durchaus Ärger sparen, würde er über einen engagierten Betriebsrat verfügen – nicht nur der FC Bayern. (tis)