Die Diskussionen in den Unternehmen reißen nicht ab: Präsenz oder Home-Office? Was ist für die Arbeitnehmer, den Arbeitgeber und die Produktivität des Unternehmens die beste Lösung? Die Arbeitnehmer wollen sich die gewonnene Freiheit der flexiblen Arbeitszeiten, die Zeitersparnis beim Pendeln und die bessere Organisation ihres privaten und beruflichen Lebens nicht mehr nehmen lassen. Einige Arbeitgeber plädieren auf bessere Zusammenarbeit in einer Präsenzkultur, einer optimaleren Integration der Mitarbeiter und setzen auf eine – gefühlt – intensivere Überwachung der Aufgaben und Ziele. Auf der anderen Seite klagen im Home-Office Arbeitende oft über Vereinsamung, zu wenig Kontakt und Information bei laufenden Projekten durch die Präsenzkollegen und fehlende Anbindung an das allgemeine betriebliche Geschehen. Arbeitgeber wünschen sich zudem mehr Kontrolle über den Datenschutz und Arbeits- und Gesundheitsschutz der Home-Office-Tätigen. Was also tun, um alle zufrieden zu stellen und trotz Fachkräftemangel ausreichend Fachkräfte zu akquirieren? Heißt die Lösung der Zukunft für Unternehmen: Coworking Spaces einrichten?
Was ist überhaupt ein Coworking Space?
Lange Zeit wurde der Begriff Coworking Space mit Start-ups oder Oasen für Kreative, ITler und Hacker in Verbindung gebracht. Gemietet wird in einem Büro ein Schreibtisch mit Hardwareausstattung und zugehörigem Spind. Und das flexibel oder fest für bestimmte Tage – die Mietvarianten sind vielfältig. Heute nutzen immer mehr Unternehmen diese Arbeitsplatzvariante für nicht ortsnahe Mitarbeiter oder große Projektteams.
Wie sehen Arbeitnehmer die Möglichkeit von Coworking Spaces?
Spannende Ergebnisse liefert die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beauftragte, repräsentative Befragung vom Juli 2021. Dabei wurden 669 abhängig Beschäftigte mit Bürojob vor die Wahl zwischen drei möglichen Arbeitsorten gestellt – Home-Office, Büroarbeitsplatz oder Arbeitsplatz in einer wohnortnahen Bürogemeinschaft. Insgesamt würden sich gut die Hälfte der Beschäftigten für den betrieblichen Arbeitsplatz und gut ein Drittel für das Home-Office entscheiden. Immerhin fast jeder siebte Beschäftigte mit einer Bürotätigkeit würde dagegen bevorzugt in einer wohnortnahen Bürogemeinschaft arbeiten – in einem Coworking Space. Eine große Rolle spielt bei der Wahl die Pendelzeit zum Betrieb. Ist sie höher als 20 Minuten zum betrieblichen Arbeitsplatz, dann fällt die Wahl eher auf Home-Office oder auch Coworking Spaces.
Der Trend zu Coworking Spaces ist auch in Deutschland spürbar.
Vorteile eines Coworking Spaces für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Der Trend zu Coworking Spaces ist auch in Deutschland spürbar, wenn auch noch nicht so ausgeprägt wie in anderen Ländern. Momentan beziehen sich diese Vorhaben auf die Großstadtregionen. Dort werden ganze Etagen bei den Coworking-Spaces-Betreibern von Unternehmen gemietet, die in dieser Gegend noch keinen eigenen Standort besitzen. Diese sollen den Mitarbeitern dann projekt- und standortbezogen einen Vorteil bieten. Aber auch ländliche Gebiete ziehen nach, damit Unternehmen bessere Chancen auf dem Fachkräftemarkt haben und Ballungszentren mit ihrem hohen Verkehrsaufkommen entlasten. Ein wichtiger Grund: die Feinstaubreduktion in den Städten! Nicht zu vergessen: Die Firmen sparen sich unter Umständen teure Gewerbemieten in der Großstadt und sind zeitlich flexibel.
Coworking Spaces sind häufig cool und modern eingerichtet. Sie bieten oft auch Ausgleichsmöglichkeiten wie Kicker, Tischtennisplatten und Terrassen mit Grillplätzen. Der Kontakt zu Beschäftigten der anderen Unternehmen und Freelancern wirkt nachweislich bereichernd auf die Innovationskultur des eigenen Unternehmens. Auch die Kostenersparnis für Miete und Energiekosten, sowie die Flexibilität der Mietverträge spielen eine große Rolle für die Entscheidung einer Bereitstellung eines solchen Arbeitsplatzes. Die Arbeitnehmer können Arbeit und Privatleben hier gut trennen, haben oft kürzere Arbeitswege und fühlen sich nicht allein. Networking und das Wir-Gefühl werden gestärkt.
Coworking-Spaces-Standorte des Unternehmens – eine Sache des Betriebsrats?
Zunächst gilt es festzuhalten, dass das Betriebsverfassungsrecht kein spezielles „Coworking-Beteiligungsrecht“ kennt. Selbst der neue § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG zur Mitbestimmung bei mobiler Arbeit (als deren Unterfall man Coworking auffassen könnte) ist nicht mehr als eine Art Bekräftigung der einzelnen Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten. Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Beteiligungsrechte konkret in Betracht kommen. Im Einzelnen ist zu denken an:
- Die erzwingbare Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Sie ist gegeben im Hinblick auf die Ordnung des Betriebs (Nr.1), ggf. auch im Hinblick mit Coworking verbundene flexible Arbeitszeiten (Nr. 2,3), die technischen Einrichtungen und den Arbeitsschutz (Nr. 6,7).
- Das Zustimmungserfordernis bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 Abs. 1 BetrVG, sofern es sich bei der Verlagerung des Arbeitsplatzes um eine Versetzung gem. § 95 Abs. 3 BetrVG handelt.
- Die Unterrichts- und Beratungsrechte bei der Planung von Arbeitsplätzen nach § 90 BetrVG, im Falle besonderer Belastung mit echter Mitbestimmung nach § 91 BetrVG.
- Die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten bei Betriebsänderung, sofern es sich um nach § 111 Satz 3 Nr. 4 und 5 BetrVG, grundlegenden Veränderungen der Betriebsorganisation oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden handelt.
In jedem Fall muss der Arbeitgeber sich mit Ihnen bereits beraten, wenn er Coworking-Space-Standorte für das Unternehmen anmietet. Schon beim Mietvertrag sollte klar geregelt werden, dass die Arbeitsplätze dem Unternehmensstandard des Arbeits- und Gesundheitsschutzes entsprechen. Zudem brauchen die Mitarbeiter klare Verhaltensregeln, denn oft ist ja gerade das Netzwerken in den Bürogemeinschaften der Vorteil. Aber inwieweit werden durch den Austausch sensible Informationen des Unternehmens ausgeplaudert? Auch das Nutzen der IT-Struktur – beispielsweise Drucker oder WLAN – wirft Fragen zum Datenschutz und der Speicherung von firmeneigenen Daten auf. Und wie sieht es mit den Arbeitszeiten aus? Die Coworking Spaces sind vom Betreiber oft 24 Stunden geöffnet. Aufgepasst, dass aus einem „Arbeiten, egal wann“ nicht ein „Arbeiten, ewig lang“ wird, denn das Arbeitszeitgesetz gilt auch für Coworking Spaces – und auch die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung.
Achtung: Werden ganze Büroetagen von Ihrem Unternehmen dauerhaft an einem entfernten Ort angemietet, sollten Sie als Betriebsrat prüfen, ob es sich um eine separate Betriebsstätte handelt. Evtl. kann hier sogar ein eigenständiger Betriebsrat gewählt werden.
Was ist ein selbstständiger Betriebsteil?
Um als selbstständiger Betrieb nach § 4 BetrVG zu gelten, müssen Betriebsteile zwei Voraussetzungen erfüllen:
- Der Betriebsteil selbst muss betriebsratsfähig sein. Das bedeutet, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorliegen müssen: Es müssen im Betriebsteil in der Regel mindestens fünf ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sein, wobei von diesen wiederum drei auch zum Betriebsrat wählbar sein müssen.
- Der Betriebsteil muss räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sein oder er muss alternativ durch Aufgabenbereiche und Organisation als eigenständig angesehen werden.