Manche wollen gar nichts mehr davon hören und denken, „das geht schon wieder weg“ – andere feiern täglich die neuen Entwicklungen beim Thema Künstliche Intelligenz. Nennen wir diese Fans einfach mal „Artis“ – frei nach „artificial intelligence“, dem englischen Begriff für KI. Gerade unter den letzteren hat die Einigung für ein KI-Gesetz in der Europäischen Union wohl eher nicht für Begeisterung gesorgt. Auch von Seiten der Wirtschaft kommt Kritik: Erwartet werden hier zusätzliche Lasten und Rechtsunsicherheit für Unternehmen.
Dabei geht es der EU im Kern darum, eine „transparente und verantwortliche“ KI-Entwicklung zu gewährleisten. Was steckt den drin in den Plänen?
Es soll eine Kennzeichnungspflicht für durch Künstliche Intelligenz kreierte Texte, Bilder und Videos geben.
Grundzüge des geplanten KI-Gesetzes
Erst nach einem längeren Verhandlungsmarathon von Europäischer Kommission, Europaparlament und Ministerrat verkündete die EU eine Einigung.
Ob sie allerdings „historisch“ ist, so wie Digitalkommissar Thierry Breton es ausdrückte?
Im Kern geht es beim „AI Act“ um das Folgende:
- Verbotene Anwendungen: Sie sollen, wie der Namen schon sagt, verboten werden. Hierzu gehört die Überwachung von Menschen im öffentlichen Raum. Der Gesetzentwurf sieht vor, KI zur automatisierten Gesichtserkennung zu verbieten.
- Hochriskante Anwendungen: Hierzu zählt z.B. KI, die Bewerber für Stellen auswählt. Diese müssen Mindeststandards erfüllen und es muss immer ein Mensch die letzte Kontrolle haben.
- Außerdem soll es eine Kennzeichnungspflicht für durch Künstliche Intelligenz kreierte Texte, Bilder und Videos geben.
Auf der Zielgeraden ist das Gesetz allerdings noch nicht ganz. Es müssen noch Einzelheiten geklärt werden, bevor es verabschiedet werden kann.
Und die Praxis? Bosch und Burger der Zukunft
Während in der EU noch diskutiert wird, machen die Unternehmen bereits Riesenschritte.
Beispiel Bosch: Der Industriekonzern will mit generativer KI Millionen sparen. Wie das geht? Der Einsatz ist in der industriellen Fertigung geplant; ganz konkret geht es um Bildgeneratoren in der Qualitätskontrolle. Bereits heute wird Bilderkennungssoftware zur optischen Inspektion genutzt, also um fehlerhafte Produkte zu erkennen. Nun will der Konzern „synthetische Daten“ herstellen – Bilder von Ausschussware, die niemals produziert werden würde.
Die Einführung und Etablierung von KI-Lösungen sollen sich dank generativer KI von derzeit mehreren Monaten auf wenige Wochen reduzieren, so das Unternehmen. Nach erfolgreicher Pilotierung soll dieser Service zur Generierung synthetischer Daten allen Bosch-Standorten angeboten werden. Ein großer weiteren Schritt, schon heute nutze nahezu jedes zweite Bosch-Werk bereits KI in der Fertigung.
„KI wird die industrielle Produktion grundlegend verändern – zum Besseren“.
„KI hat hohes Innovationspotential und kann die menschliche Arbeit noch produktiver machen. Als produzierendes Unternehmen, etablierter Fabrikausrüster und Taktgeber bei Industrie 4.0 will Bosch eine führende Rolle bei Entwicklung und Anwendung industrieller KI spielen“, so Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH. Bosch-Digitalchefin Tanja Rückert setzt sogar noch obendrauf: „KI ist von epochaler Bedeutung und wird die industrielle Produktion grundlegend verändern – zum Besseren“.
Davon ist wohl auch der Fast-Food-Riese McDonalds überzeugt. Noch werden die Burger wohl von Menschen gebraten, aber das Unternehmen setzt mit Google auf KI. Ziel ist es, Bestellungen und Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Brian Rice, geschäftsführender Vizepräsident von McDonalds: „Die Verbindung unserer Restaurants weltweit mit Millionen von Datenpunkten in unserem digitalen Ökosystem bedeutet, dass die Tools schärfer werden, die Modelle intelligenter werden, die Restaurants einfacher zu bedienen sind und vor allem das Gesamterlebnis für unsere Kunden und Mitarbeiter noch besser wird.“
Vielleicht entwirft die KI ja in Kürze ein zeitgemäßes Betriebsverfassungsgesetz?
Zu wenig, zu viel?
Zurück zum Gesetz: Die Wettbewerbsfähigkeit wird unter dem Gesetz leiden, mahnen Kritiker. „Die USA erfinden, China macht und die EU reguliert“, zitiert z.B. die FAZ. Auch Bernhard Rohleder vom Branchenverband Bitkom ist alarmiert: Das Gesetz für den Einsatz Künstlicher Intelligenz sei „das strengste Regelwerk weltweit“, sagte. Jungen Firmen werde damit die Entwicklung von KI-Basistechnologie erschwert. Es sei ein „Schaufenster-Erfolg“.
Tatsächlich müssen wohl in den Köpfen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern Vorbehalte abgebaut werden. Niemand könnte KI noch aufhalten – vielleicht schafft da ein Regelwerk eine Art von Sicherheitsgefühl und bringt das Thema endlich auf den Tisch, wo es hingehört: In alle Unternehmen! Die Unterstützung von KI-Strategien ist auch der Auftrag an die Politik – und, ganz wichtig, dabei die sinnvolle Stärkung von Betriebsräten. Vielleicht entwirft die KI ja in Kürze ein zeitgemäßes Betriebsverfassungsgesetz? Wenn das so ist, werden viele Betriebsräte sicher schnell zu "Artis". (cbo)