Herr Dr. Volkenandt, werden wir von der künstlichen Intelligenz überrollt?
Dr. Götz Volkenandt: Nein, absolut nicht. Die neuen Technologien sind schon lange da und werden eingesetzt. Egal, ob man das schön findet oder nicht. Das gibt allein schon der globale Markt vor. Nutzen wir sie nicht, tut es die Konkurrenz. So ist der Wettbewerb. von Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber aller Branchen müssen darauf reagieren, tun es bloß häufig nicht.
Viele haben beim Begriff ´künstliche Intelligenz´ ein Heer von Robotern vor Augen. Was verstehen Sie unter künstlicher Intelligenz?
Dr. Götz Volkenandt: Künstliche Intelligenz, kurz KI, hat nichts mit Science-Fiction zu tun. Die Digitalisierung läuft seit den 1950er Jahren und schreitet immer weiter voran. Schon heute gehört KI zur täglichen Selbstverständlichkeit. Letztlich ist es im Grunde nicht wichtig, was KI ist. Was wir brauchen, ist ein Lösungsansatz für die damit verbundenen neuen Herausforderungen! Genau deshalb versuchen wir, das Thema zu entzaubern. Denn der Vorteil ist, dass wir aktuell viel gestalten können.
Zu technisch, zu weit weg. Herr Niederhaus, was kann ich als kleines Rädchen bei einem so großen Thema schon bewegen?
Dirk Niederhaus: Wichtig ist an erster Stelle, dass man sich bewegt! Jeder muss einen Blick in die Zukunft riskieren. Für den Einzelnen heißt das, sich mit der folgenden Frage auseinanderzusetzen: Was ist mein Beitrag zum Gesamterfolg des Unternehmens? Und: Muss ich künftig meine Schlüsselkompetenzen ändern oder anpassen? ´Keine Zeit für die Zukunft´, das können sich weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer leisten. Es ist für jeden Einzelnen wichtig, persönliche Klarheit über seine künftige Rolle zu bekommen.
Und was können von Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsrat und Betrieb dabei tun?
Dirk Niederhaus: Sie alle spielen bei der Umsetzung technischer Entwicklungen eine wichtige Rolle. Idealerweise helfen sie den Kollegen dabei, kreative Lösungen zu entwickeln. Denn es geht im Kern um die folgenden Fragen: Was geht mit KI und was nicht? Was sind neue Geschäftsmodelle? Wo ist Platz für Optimierung und für Vorschläge? Und, ganz wichtig: Was ist mit den Menschen, den Kollegen im Betrieb? Je früher Arbeitnehmervertreter darüber diskutieren, wie sich die Neuerungen sinnvoll in das Unternehmen integrieren lassen, desto besser.
Herr Dr. Volkenandt, haben Sie hierfür ein Beispiel?
Dr. Götz Volkenandt: Maschinen können nicht beliebig neue Mechanismen entwickeln, das ist der Knackpunkt. Der Mensch muss immer wieder eingreifen. Nehmen wir beispielsweise neuronale Netze. Wer Daten hat, der kann neuronale Netze gestalten und so Zusammenhänge großer Datenmengen herstellen. Neuronale Netze können aber nur das Handeln der Menschen aus der Vergangenheit abbilden. Man braucht also ständig neue Trainingsdaten, und damit die Erfahrungen von Menschen. Gerade ältere Mitarbeiter sind besonders wertvoll wegen ihres Wissensschatzes. Und genau da können Arbeitnehmervertreter einhaken. Der Nutzen des künstlichen Systems ist begrenzt. Maschinen haben kurze Halbwertszeiten!
Also geht es im Grunde auch im digitalen Zeitalter um Wissen und Erfahrungen?
Dr. Götz Volkenandt: Ja, denn man wird immer auf das Wissen von Menschen zurückgreifen müssen. Aus Arbeitgebersicht ist es ein großer Fehler, wenn man auf die Erfahrungen der Mitarbeiter nicht zählt. Lassen Sie mich es so ausdrücken: Der Wille zur Weiterentwicklung und zur Weiterbildung in einem sich verändernden Umfeld, das ist heute mehr denn je entscheidend für jeden einzelnen Arbeitnehmer. Kompetenzen sind entscheidend, jeder muss sich weiterbilden. Dies voranzutreiben ist auch Aufgabe von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat.
Die Angst ist trotzdem groß, auch dass neue Maschinen letztlich zu einem Kontrollverlust führen ...
Dr. Götz Volkenandt: Auch hier gilt: Es ist wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Angst resultiert aus Nichtwissen. Wissen ist ein wichtiger Hebel, mit dem man etwas bewegen kann. Arbeitgeber dürfen nicht ungestüm und unwissend handeln, Arbeitnehmervertreter dürfen nicht aus Unwissen in einer Abwehrhaltung verharren.
Wie wird die Welt in 50 Jahren aussehen? Herr Niederhaus, werden wir dann noch gebraucht?
Dirk Niederhaus: Die Welt bleibt! Auch in 50 Jahren werden Werte und Gefühle noch wichtig sein, da bin ich sicher. Auch in 50 Jahren werden wir leben und essen – und arbeiten. Die Frage ist nur, wie. Denn es wird nicht alle Jobs von heute in 50 Jahren noch geben, so viel ist sicher. Deshalb müssen wir alle an die Zukunft denken. Und das besser heute als morgen! Was ist technisch ein Wettbewerbsvorteil? Wo ist der Mensch der Wettbewerbsvorteil? KI ist kein Selbstzweck, Vorausdenken ist entscheidend. Jeder hält die Verantwortung für seine Zukunft in der Hand.
Herr Dr. Volkenandt, wie lautet Ihre Vision der Zukunft?
Dr. Götz Volkenandt: Ich wünsche mir, dass in Zukunft der Mensch mehr im Mittelpunkt steht. Dazu ein Beispiel: Heute herrscht Hektik und Stress. Die Technik gibt uns die Möglichkeit, unsere Arbeitswelt attraktiver und stressfreier zu gestalten. Auch für das Leben auf dem Planeten bieten sich Chancen, denn vielleicht kommen wir mit KI in Klima und Umweltschutz weiter? So oder so bin ich sehr optimistisch. Es liegt an uns, die Zukunft aktiv zu gestalten. Nicht immer gegen alles sein, das ist mein Tipp. Auch in den Chefetagen und Aufsichtsräten muss die Strategie für die Zukunft des Unternehmens im Mittelpunkt stehen.