Unternehmenskrisen entstehen meist schleichend und sind oft das Ergebnis fehlender strategischer Anpassungen über Jahre hinweg. Viele Unternehmen erkennen die ersten Warnsignale nicht, was zu einer besorgniserregenden Zunahme von Insolvenzen führt.
Im 1. Halbjahr 2024 registrierte die Creditreform Wirtschaftsforschung 11.000 Unternehmensinsolvenzen, was einem Anstieg von fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit 8.470 Fällen entspricht.
Unternehmenskrisen können sechs verschiedene Phasen durchlaufen:
Unternehmenskrisen erkennen und handeln
In vielen Unternehmen werden die ersten Anzeichen nicht wahrgenommen. Dabei ist die Liquiditätskrise nur noch die Endphase eines schleichenden Prozesses, der vermutlich bereits viele Jahre vorher begann. Jetzt kommt es auf Sie im Betriebsrat oder im Wirtschaftsausschuss an, die Frühwarnsignale zu erkennen und im Interesse der Belegschaft am Ball zu bleiben.
Egal ob eine falsche Markteinschätzung, die Missachtung neuer Wettbewerber oder das Versäumen technologischer Entwicklungen – frühzeitige und durchdachte Kommunikation ist für alle Beteiligten entscheidend. Hier sind sechs Schritte, die Ihnen als Betriebsrat helfen, effektiv zu kommunizieren:
1. Vorbereitung der Kommunikation
Sammeln Sie alle relevanten Informationen über die Krise, deren Ursachen und die geplanten Maßnahmen. Die Geschäftsführung ist verpflichtet, Ihnen als Betriebsrat die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Handeln Sie nicht spontan, sondern durchdenken Sie Ihre Kommunikation. So haben Sie als Betriebsrat eine Stimme! Entwickeln Sie einen Kommunikationsplan mit den wichtigsten Meilensteinen und den entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen.
2. Holen Sie sich professionelle Unterstützung als Betriebsrat
Denken Sie daran: Gerade in Krisenzeiten zieht die Geschäftsleitung oft Experten für Kommunikation und andere Herausforderungen hinzu. Führungskräfte werden professionell in sogenannten Schattenverhandlungen von Experten im Hintergrund trainiert und kommunikativ eingeschworen. Das können Sie als Betriebsrat auch: Damit Sie auf Augenhöhe verhandeln und rechtssicher agieren, sollten Sie sich ebenfalls Expertenwissen sichern.
3. Erstinformation an die Belegschaft und regelmäßige Updates
Informieren Sie die Belegschaft frühzeitig über die bevorstehenden Veränderungen. Nutzen Sie verschiedene Medien, um alle Mitarbeiter zu erreichen, egal ob intern, in verschiedenen Betriebsteilen oder im Außendienst. Kommunizieren Sie schriftlich (E-Mail, Aushang) und persönlich (Betriebsversammlung). Erklären Sie offen und ehrlich die Gründe für die Krise, die Ziele der Geschäftsleitung und die möglichen Auswirkungen auf die Belegschaft. So beugen Sie Gerüchten, Fake-News und Unruhen vor.
Halten Sie die Belegschaft regelmäßig über den aktuellen Stand der Krisensituation auf dem Laufenden. Berichten Sie über Fortschritte, Erfolge, Herausforderungen und die nächsten Schritte. Nutzen Sie dafür eigene Kanäle im Intranet, Teams oder entwickeln Sie einen speziellen Krisen-Newsletter.
4. Persönliche Kommunikation: Gespräche und Sprechstunden des BR
Bieten Sie regelmäßige Sprechstunden und individuelle Gespräche an, um Sorgen und Fragen der Mitarbeiter zu klären. Vielleicht betreffen die Veränderungen einige Abteilungen mehr als andere? Klären Sie mit den Kollegen direkt die individuellen Auswirkungen. Erarbeiten Sie mit der Geschäftsleitung Unterstützungsangebote und gehen sie auf alle offenen Fragen ein. Und achten Sie dabei vor allem auf sich selbst. Bauen Sie eine gesunde Resilienz auf.
5. Angebote zur Unterstützung
Entwickeln Sie als Betriebsrat zusammen mit der Geschäftsleitung zeitnahe Unterstützungsmaßnahmen wie Weiterbildungen, Umschulungen und psychologische Betreuung. Machen Sie deutlich, wohin sich Betroffene wenden können. Anmeldemöglichkeiten und Kontaktpersonen sollten für jeden sofort ersichtlich sein. Nutzen Sie dafür Informationsveranstaltungen, Workshops, Intranet-Artikel oder Flyer.
6. Abschluss und Nachbereitung
Wenn die Krise überstanden ist, geht die Kommunikation weiter. Reflektieren Sie die Ereignisse mit der Belegschaft und diskutieren Sie, was das Unternehmen daraus gelernt hat. Entwickeln Sie aus Sicht Ihrer Rolle als Betriebsrat oder Wirtschaftsausschuss ein Risikomanagementsystem, um zukünftige Krisen zu vermeiden.
Die Grundsätze der Kommunikation zusammengefasst
Durch eine strukturierte und empathische Kommunikation können Sie als Betriebsrat das Vertrauen und die Unterstützung der Belegschaft gewinnen und den Umstrukturierungsprozess erfolgreich begleiten.
Beachten Sie folgende Grundsätze:
Transparenz: Offen und ehrlich über alle Schritte und Entscheidungen informieren.
- Empathie: Auf die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter eingehen und Unterstützung anbieten.
- Klarheit: Verständliche und präzise Informationen vermitteln.
- Zugänglichkeit: Kommunikationswege schaffen, die für alle Mitarbeiter leicht zugänglich sind.
- Kontinuität: Regelmäßige und konsistente Kommunikation gewährleisten.
Als Betriebsrat tragen Sie eine entscheidende Verantwortung in Zeiten der Unternehmenskrise. Proaktive und transparente Kommunikation ist der Schlüssel, um Unsicherheiten abzubauen und Vertrauen innerhalb der Belegschaft zu stärken. Indem Sie frühzeitig handeln und die Belegschaft umfassend informieren, können Sie maßgeblich dazu beitragen, die Krise zu bewältigen und den Weg für eine erfolgreiche Zukunft zu ebnen. Nutzen Sie Ihre Position, um Veränderungen positiv zu begleiten. (sw)