Was für ein Tag! Das Kind hat verschlafen. Die Bahn streikt und der Ersatzbus kam zu spät. Im Job erwartet Melanie M. ein wichtiger Projektabschluss. Dazu noch die Betriebsratssitzung mit einem Beschluss zu einer unliebsamen Versetzung eines Kollegen. Als sie das Bürogebäude betritt, atmet sie tief ein, um alle negativen Emotionen abzuschütteln und mit positiven Gedanken an die Arbeit zu gehen. Aber es fällt ihr schwer. Manchmal kann sie ihre Gefühle nicht verdrängen und nur mit knirschenden Zähnen weiterlächeln. Die Konzentration und die Gedanken fahren Karussell. Was tun?
Wie viel Emotionen am Arbeitsplatz sind erlaubt?
So wie Melanie S. geht es vielen Arbeitnehmern. Wir haben gelernt, dass Emotionen und Gefühle in der Arbeit eher nichts verloren haben. Das lief lange Zeit unter dem Deckmantel der „Professionalität“! Doch die Zeiten sind vorbei. In einer modernen Arbeitskultur dürfen Gefühle endlich gelebt werden. Sie machen menschlicher, nahbarer, sympathischer. Sie sind wichtig für den Aufbau einer guten zwischenmenschlichen Beziehung. Zeigt ein Kollege seine Gefühle, heißt das, er vertraut uns und gibt uns die Chance, auf ihn zuzugehen. Durch diesen Austausch entsteht Nähe - ein Gefühl von Verbundenheit und Zugehörigkeit. Das wiederum stärkt die Bindung zwischen Teammitgliedern.
Selbst wenn mal Tränen fließen: Hilflosigkeit und Scham darüber sollten nicht mehr Teil unserer Zusammenarbeit sein. Leider ist unsere Kompetenz, mit unangenehmen Gefühlen hilfreich und unterstützend umzugehen, oft sehr schwach ausgebildet. Die gute Nachricht: Den Umgang damit kann man lernen!
Wer sich selbst gut reflektieren kann, hat auch ein höheres emotionales Empfinden für andere Menschen.
Was sind eigentlich Emotionen und Gefühle?
Um mit seinen eigenen Gefühlen und Emotionen und mit denen anderer umzugehen, ist das Wissen und die Analyse des Gemütszustands wichtig. Was sind Emotionen und Gefühle und wie reagiert der Einzelne darauf? Wir alle kennen diese gewissen Triggerpunkte, die uns an der Decke kleben oder in Tränen ausbrechen lassen. Selbstwahrnehmung ist hier das Zauberwort. Wer sich selbst gut reflektieren kann, hat auch ein höheres emotionales Empfinden für andere Menschen. Und dabei müssen wir uns immer bewusst machen: Gefühle sind etwas zutiefst Menschliches. Gute wie negative Emotionen zu verdrängen, macht unter Umständen sogar krank.
Gerade in einem Betriebsratsgremium geht es oft richtig rund!
Als Betriebsrat mit eigenen Emotionen umgehen
Gerade in einem Betriebsratsgremium geht es oft richtig rund! Hier ist es besonders wichtig, dass alle zu einem echten Team zusammenwachsen. Aber wie bekommt man die Ideen-Ingrid, den Daten-Dieter, den Besserwisser-Bernd und den Wüterich-Wolfgang unter einen Hut? Schließlich brauchen Sie als Betriebsrat Rückhalt, um gute Ergebnisse bei kniffligen Themen zu erzielen. Und an Ihren Entscheidungen als Gremium hängen oft Schicksale und Befindlichkeiten einzelner Arbeitnehmer. So wie bei der Versetzung eines Kollegen, über dessen Zukunft das BR-Gremium mit Melanie S. die Weichen legt. Bei dieser Entscheidung spielen auch die eigenen Emotionen und Gefühle eine große Rolle, je nachdem wie gut man den Kollegen kennt. Andererseits ist es auch wichtig, dass die Emotionen die Entscheidungsfindung nicht beeinträchtigt. Doch welches Maß ist richtig?
Die Grundlage für das menschliche Miteinander ist das Fühlen und Mitfühlen.
Umgang mit den Emotionen der anderen
Die Grundlage für das menschliche Miteinander ist das Fühlen und Mitfühlen. Wer an Emotionen im beruflichen Kontext denkt, hat oft extreme Gefühlsausbrüche und Reaktionen im Kopf. Es gibt aber zwischen einem cholerischen Tobsuchtsanfall, einem eskalierten Konflikt und einem Zusammenbruch in Tränen eine riesige Bandbreite an Emotionen. Um die zu verstehen, sollte jeder zuerst seine eigene Emotionale Intelligenz entwickeln und stärken: wie entstehen Emotionen, wie beeinflussen sie das Verhalten und wie kann man sie in verschiedenen Situationen regulieren?
Egal, ob es um die eigene Gefühlswelt geht, ober die der anderen – wichtig für ein gutes Miteinander sind folgende Punkte:
- Verbessern Sie Ihre Selbstwahrnehmung: Akzeptieren Sie Ihre Emotionen und unterdrücken sie diese nicht. Reflektieren Sie, welche Gefühle wie Stress, Ärger oder Frustration oft dazu führen, dass Sie nicht so reagieren, wie Sie es möchten. Wenn Sie unsicher sind, können Sie vertraute Kollegen um Feedback bitten, um Ihre Einschätzungen zu überprüfen.
- Fördern Sie die offene Kommunikation: Ein offenes und unterstützendes Kommunikationsklima im Unternehmen ermöglicht es allen, ihre Gefühle und Bedenken frei zu äußern. Durch ehrliche Gespräche können Konflikte besser gelöst und ein tieferes Verständnis füreinander entwickelt werden.
- Zeigen Sie Empathie: Indem Mitarbeiter oder BR-Mitglieder empathisch sind und sich in die Lage ihrer Kollegen versetzen können, entsteht ein Gefühl der Verbundenheit und des gegenseitigen Vertrauens. Dies fördert ein unterstützendes Umfeld, in dem sich jeder gehört und respektiert fühlt. Eine wichtige Vorbildfunktion spielt hierbei auch die Führungskraft!
- Bauen Sie emotionale Resilienz auf: Das BR-Gremium oder Mitarbeiter in Teams sollten lernen, mit Herausforderungen und Rückschlägen umzugehen, ohne die Motivation oder den Teamgeist zu verlieren. Durch die Entwicklung von emotionaler Resilienz können sie sich schneller von Misserfolgen erholen und gestärkt aus schwierigen Situationen hervorgehen.
- Verstärken Sie positive Emotionen: Freude, Begeisterung und Dankbarkeit schaffen ein motivierendes Umfeld, das die Teamleistung und das Wohlbefinden aller BR-Mitglieder oder Mitarbeiter fördert.
- Setzen Sie klare Grenzen: Es ist wichtig zu wissen, wann und wie Sie als Betriebsrat oder Arbeitnehmer Emotionen angemessen ausdrücken. Ein respektvoller Umgang miteinander und die Berücksichtigung der Arbeitsziele helfen dabei, eine gesunde Balance zwischen Gefühl und Rationalität zu finden. Fordern Sie das auch offen von Ihren Kollegen, Führungskräften und Ihrem Arbeitgeber ein.
Fazit: Aufgrund eines Vorschlags von Melanie S. nimmt sich das Betriebsratsgremium nun mehr Zeit, um sich als Team zu stärken. Gemeinsame Frühstücke oder Mittagessen, Teamevents oder sogar zweitägige Klausurtagungen fördern die Nähe untereinander. Zudem startet jede Sitzung mit einem kurzen persönlichen Austausch, bei dem die Mitglieder ihre aktuellen Belastungen oder positiven Erlebnisse teilen. Hier ist Raum für Ärger, Wut, Trauer, aber auch Freude und Begeisterung! Das ermöglicht ein besseres Verständnis für die Meinungen innerhalb des Betriebsrats. Oftmals hilft allein schon die Anteilnahme der anderen, um gestärkt in die Arbeit zurückzukehren.
Des Weiteren hat Melanie eine Methode des Perspektivwechsels eingeführt, wodurch das Betriebsratsgremium belastende Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und somit potenzielle Aspekte oder Lösungsansätze besser identifizieren kann. Diese Vorgehensweise hat maßgeblich dazu beigetragen, dass das Team eine widerstandsfähigere Einstellung entwickelt hat. (sw)