Knapp 90 % der Beschäftigten finden berufliche Aus- und Weiterbildung wichtig. Aber die wenigsten wissen über das „Wie” Bescheid. Es fehlt die Zeit, das Geld, die Idee und vielleicht auch der Mut. Sie als Betriebsrat können über die Chancen und Möglichkeiten von betrieblichen Aus- und Weiterbildungen aufklären; und das sogenannte Weiterbildungsgesetz (Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung) bietet die Unterstützung dazu. Denn der Qualifizierungsbedarf ist hoch: Während in einigen Branchen und Regionen Arbeitsplätze abgebaut werden, suchen andere Unternehmen dringend qualifizierte Fachkräfte.
Diesen Herausforderungen will die Bundesregierung begegnen und hat Ende Juni 2023 das Aus- und Weiterbildungsgesetz verabschiedet. Am 20.07.2023 wurde es im Bundesgesetzblatt verkündet. Ziel ist es, die Förderinstrumente der Arbeitsmarktpolitik weiterzuentwickeln, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, Weiterbildung zu stärken und die Fachkräftebasis zu sichern.
Bildung für jeden: Das Aus- und Weiterbildungsgesetz
Weiterbildung soll für alle Beschäftigten leichter zugänglich werden. Hierzu werden die Angebote transparenter gestaltet und stehen künftig allen Unternehmen offen. Vorgesehen sind unter anderem folgende Neuerungen:
- ein Qualifizierungsgeld,
- eine Ausbildungsgarantie,
- Verbesserungen der bestehenden Beschäftigtenförderung.
Qualifizierungsgeld
Ein Baustein des Gesetzes sieht vor, dass Unternehmen finanzielle Unterstützung bekommen, um ihre Fachkräfte durch betriebliche Qualifizierung halten zu können. Das sogenannte Qualifizierungsgeld wird den Beschäftigten während der Weiterbildung als Entgeltersatz gezahlt und orientiert sich von der Höhe her am Kurzarbeitergeld, Arbeitgeber können es optional aufstocken. Vor allem Beschäftigte, deren Arbeitsplätze durch den Wandel in der Region oder den Strukturwandel besonders gefährdet sind, sollen von dieser Unterstützung profitieren. Dabei ist Voraussetzung, dass die Weiterbildung ihnen eine zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen ermöglicht. Die Weiterbildungskosten trägt der Arbeitgeber.
Ausbildungsgarantie
Das Gesetz enthält zudem eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Ziel ist es, die Berufsorientierung im Land zu verbessern – rund 1,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren haben aktuell keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Agentur für Arbeit soll junge Menschen verstärkt bei der beruflichen Orientierung und dem Einstieg in eine Berufsausbildung unterstützen. Teil der Ausbildungsgarantie sind auch berufsorientierende Kurzpraktika in Betrieben sowie ein Mobilitätszuschuss. Letzterer soll Auszubildenden helfen, Heimfahrten und Unterkunftskosten zu decken, wenn ihre Ausbildung in einer anderen Region stattfindet. Dies soll die Zusammenarbeit von Auszubildenden und Ausbildungsstätten erleichtern.
Weiterbildung auch während Kurzarbeit
Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass Sozialversicherungsbeiträge bei beruflicher Weiterbildung während Kurzarbeit über den 31. Juli 2023 hinaus für ein weiteres Jahr zur Hälfte und – in Abhängigkeit von der jeweiligen Betriebsgröße – die Lehrgangskosten teilweise erstattet werden.
Bezahlte Bildungszeit?
Sie war im Gespräch, wurde aber nicht umgesetzt: Die bezahlten Bildungszeit. Eine Regelung wie in Österreich, wonach sich Beschäftigte ein Jahr lang bezahlt weiterbilden können, gibt es also erstmal nicht.
Wann treten die Regelungen in Kraft?
Das Gesetz wurde am 20.07.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Bis zum Start ist trotzdem noch etwas Zeit: Die Reform der Weiterbildungsförderung, das Qualifizierungsgeld und die wesentlichen Teile der Ausbildungsgarantie werden zum 01. April 2024 in Kraft treten.
Wie können Sie als Betriebsrat unterstützen?
In diversen Umfragen wurde festgestellt, dass der Grund für die geringe Beanspruchung von Weiterbildungsmaßnahmen die fehlende Aufklärung und Transparenz ist. Hierbei können Sie als Betriebsrat mithelfen. Suchen Sie mit Ihrem Arbeitgeber das Gespräch und unterstützen Sie Ihre Kollegen mit dem Vorstoß eines Weiterbildungskonzepts. Denn nach § 96 BetrVG steht ihnen gesetzlich zu, den Weiterbildungs- und Qualifizierungsbedarf zu ermitteln und mit dem Arbeitgeber zu beraten. Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber in diesem Punkt sogar ein neues Verfahren geschaffen - nämlich die Möglichkeit einer Anrufung der "Einigungsstelle um Vermittlung" (§ 96 Abs. 1a BetrVG). Damit ist zwar kein echtes Mitbestimmungsrecht geschaffen, aber alleine die vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten einer Einigungsstelle erhöhen den Druck auf die Ernsthaftigkeit einer Beratung mit dem Betriebsrat über die Weiterbildung und Qualifizierung der Beschäftigten im Betrieb.
Und denken Sie daran: Weiterbildung ist der erste Schritt für zukunftsfähige Arbeitsplätze und Arbeitssicherung in ihrem Betrieb. (sw)