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Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) ab 50 gelten als schwerbehindert. Liegt der Grad der Behinderung bei 30 oder 40, können Beschäftigte unter bestimmten Voraussetzungen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden. Voraussetzung ist, dass sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können (§ 2 SGB IX). Dabei spielen die richtige Antragstellung und die gut durchdachte Stellungnahme der SBV eine entscheidende Rolle.
Marcus Ulrich Dillmann
Fachanwalt für Arbeitsrecht
© AdobeStock | Mediaphotos
Was tun, damit ein Gleichstellungsantrag möglichst erfolgreich ist? Gestellt werden muss der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die dortigen Sachbearbeiter sind bei ihren Entscheidungen an Dienstanweisungen, die „Fachliche Weisungen“, gebunden. In diesen Weisungen ist festgeschrieben, nach welchen Kriterien ein Antrag bewilligt oder abgelehnt wird.
Mit diesen Informationen können Sie als SBV gemeinsam mit dem Antragsteller zielgerichtet die relevanten Informationen aufbereiten und so die Erfolgsaussichten erhöhen! Die richtige Antragstellung und die gut durchdachte Stellungnahme der SBV spielen für einen erfolgreichen Gleichstellungsantrag eine entscheidende Rolle.
Tipp
Auf der Homepage der Arbeitsagentur fünden Sie die Fachlichen Weisungen. Wertvolle Hinweise für die Praxis bietet vor allem die Fachliche Weisung zu § 2 SGB IX.
Die Fachlichen Weisungen zu § 2 SGB IX regeln zunächst Details zu den Antragsarten (formlos oder elektronisch) und zu den Zuständigkeitsregelungen für die Antragstellung (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthaltsort, Betriebssitz bei Grenzgängern).
Wichtig: Ein Gleichstellungsantrag kann auch parallel zu einem Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) gestellt werden (BAG, Urteil vom 31.07.2014 ,2 AZR 434/13). In diesem Fall ist in den Fachlichen Weisungen unter 2.5 geregelt, dass die Bearbeitung des Gleichstellungsantrages zurückzustellen ist. Erst nach Eingang des Nachweises über den festgestellten GdB werden weitere Schritte durch die Bundesagentur für Arbeit eingeleitet.
Sachbearbeiter der BA sind in ihren Entscheidungen „ermessensgebunden“ (2.7). Das bedeutet, dass bei Vorliegen aller Voraussetzungen die Gleichstellung in der Regel zu erteilen ist, sofern kein atypischer Fall vorliegt.
Atypische Fälle liegen vor, wenn erkennbar ist, dass der vom Antragsteller beabsichtigte Zweck mit einer Gleichstellung nicht erreicht werden kann (z.B. wegen Bezugs einer Altersrente) oder wenn Antragsteller überhaupt nicht an der Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes interessiert sind.
Die Gleichstellung kann grundsätzlich für die Erlangung oder für das Behalten eines Arbeitsplatzes ausgesprochen werden. Beide Alternativen haben verschiedene Voraussetzungen und können auch gleichzeitig vorliegen.
Wichtig: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist die Bundesagentur für Arbeit bei der Antragsprüfung nur an das gebunden, was der Antragsteller vorträgt (BSG, Urteil vom 06.08.2014, B 11 AL 16/13). Will z.B. ein Antragsteller gleichgestellt werden, um den bestehenden Arbeitsplatz zu behalten, ist die Prüfung auf die Alternative des „Behaltens“ beschränkt.
SBV-Praxistipp: Stellt sich bei der Prüfung im Laufe des Verfahrens heraus, dass der bestehende Arbeitsplatz ungeeignet ist, das Arbeitsverhältnis vielleicht bereits gekündigt wurde oder der Arbeitsplatz weggefallen ist und deshalb das bestehende Arbeitsverhältnis nicht mehr geschützt werden kann, muss der Antragsteller „argumentativ nachlegen“:
Es ist zwar dann von Amts wegen zu prüfen, ob die Gleichstellung zur Erlangung eines neuen, geeigneten Arbeitsplatzes bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber erforderlich ist, aber es müssen weitere Angaben hierzu (z.B. zum angestrebten Zielberuf oder zur Versetzungsmöglichkeit innerhalb eines Unternehmens) seitens des Antragstellers an die BA erfolgen, damit die Gleichstellung erfolgreich sein kann.
Für das „Behalten“ eines Arbeitsplatzes müssen Art und Schwere der Behinderung ursächlich dafür sein, dass der geeignete Arbeitsplatz gefährdet ist. Für die „Erlangung“ eines Arbeitsplatzes muss der behinderte Mensch in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar sein.
Wichtig! Bei beiden Alternativen müssen Antragsteller und Vertrauensperson darauf achten, dass diese Ursächlichkeit bereits aus dem Antrag hervorgeht. Hier empfiehlt sich eine ausführliche Darstellung, zum Beispiel in einem Beiblatt oder einem gesonderten Anschreiben neben dem Antragsformular.
Es reicht für die Begründung aus, wenn die Behinderung zumindest mitursächlich für die Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen ist (BSG, Urteil vom 06.08.2014, B 11 AL 16/13). Betriebliche Ursachen, wie z.B. Auftragsmangel oder Rationalisierungsmaßnahmen, werden nicht berücksichtigt, denn von diesen sind behinderte und nichtbehinderte Arbeitnehmer gleichermaßen betroffen. Die Begründung sollte auch nicht auf das fortgeschrittene Alter, mangelnde Qualifikation, fachliche Defizite oder eine allgemein ungünstige Arbeitsmarktsituation gestützt werden, weil diese Umstände nicht auf der Behinderung beruhen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.11.2011, L 13 AL 3853/10).
Zentral für die beiden Alternativen ist der Arbeitsplatzbegriff aus § 156 I SGB IX. Die Tätigkeit muss mindestens 18 Wochenstunden ausgeübt werden. Der Sachbearbeiter der BA muss dem Antrag oder der Stellungnahme der Vertrauensperson entnehmen können, ob der Arbeitsplatz für den behinderten Menschen geeignet ist. Geeignet ist ein Arbeitsplatz dann, wenn der behinderte Mensch unter Berücksichtigung von Art und Schwere seiner Behinderung die Tätigkeit auf Dauer ausüben kann und grundsätzlich durch die geschuldete Arbeitsleistung nicht gesundheitlich überfordert wird.
SBV-Praxistipp: Nach den Weisungen der BA wird ein Arbeitsplatz dann nicht als geeignet angesehen, wenn sich trotz technischer Ausstattung bei einer Weiterbeschäftigung die Behinderungen zu verschlechtern drohen. Nur geringfügige, behinderungsbedingte Beeinträchtigungen in Form von kleinen „Grenzüberschreitungen“ werden toleriert.
Die Prüfung erfolgt anhand des individuell-konkreten Arbeitsplatzes, den der Betroffene innehat oder erlangen möchte und seinem Eignungs- und Leistungspotenzial für genau diese Beschäftigung (= konkreter Zielberuf). Hilfreich für die Sachbearbeiter der BA sind ausführliche oder bebilderte Schilderungen, wie sich die konkrete Behinderung auf die Tätigkeit bzw. auf den Arbeitsplatz und die Kollegen auswirkt. Lassen Sie Unbeteiligte diese Ausführungen gegenlesen, ob sie nachvollziehbar und schlüssig sind, so vermeiden Sie „Scheuklappeneffekte“.
Die BA prüft auch, ob der Arbeitsplatz mit Teilhabeleistungen behindertengerecht ausgestaltet werden kann. Hier sind Sie als Vertrauensperson besonders gefragt: Prüfen Sie die vielfältigen Möglichkeiten der Teilhabeleistungen im Vorfeld auf deren Umsetzbarkeit unter Einschaltung von inner- und außerbetrieblichen Partnern (Arbeitgeber, Inklusionsbeauftragter, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt, Integrationsfachdienste). Auch Internetrecherchen können neue Perspektiven eröffnen. Diese Informationen sind spätestens mit der Stellungnahme der Vertrauenspersonen zum Gleichstellungsantrag an die BA zu übermitteln.
Vertrauenspersonen werden in ihrer Praxis meist für Bewerber oder (betriebsintern-) jobwechselnde Kollegen tätig werden und sollten bei Antragstellung argumentativ unterstützen bzw. in ihrer Stellungnahme darlegen, warum für einen
Hierzu können Vorgaben aus Stellenausschreibungen oder Personalauswahlrichtlinien in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen hilfreich sein (z.B.: „…bei gleicher Eignung werden schwerbehinderte oder gleichgestellte Bewerber bevorzugt…“).
Ausführungen über irgendeinen „abstrakten“ Arbeitsplatz, für den der behinderte Mensch die Gleichstellung benötigt, oder allgemeine Hinweise auf eine angestrebte berufliche Verbesserung führen zur Abweisung des Gleichstellungsantrags.
Bei dieser Variante prüft die BA, ob die Befürchtung, den konkreten bestehenden Arbeitsplatz zu verlieren, zu einem wesentlichen Teil auf eine gesundheitliche Einschränkung zurückzuführen ist (behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung).
Für eine erfolgreiche Prüfung sind dabei folgende Gegebenheiten „hilfreich“:
Wichtig: Zusätzlich ist gegenüber der BA darzulegen, inwieweit diese Anhaltspunkte den Arbeitsplatz des behinderten Menschen – im Vergleich zu Nichtbehinderten – nachvollziehbar unsicherer machen: Welche Anforderungen werden an den Arbeitsplatz gestellt und warum kann der Betroffene diese nicht bzw. weniger gut erfüllen aufgrund seiner Behinderung?
Nicht hilfreich für eine Gleichstellung sind:
Oder auch:
Fehlzeiten sind nach der Fachlichen Weisung ein entscheidender Faktor, ob eine Gleichstellung positiv entschieden wird. Die BA prüft in einer Gesamtschau, ob die Zeiträume der Fehlzeiten allein für sich aussagekräftig genug sind, oder ob zu den Fehlzeiten noch ergänzende Diagnosen benötigt werden. Dann wird die BA eine entsprechende Übersicht mittels eines gesonderten Anschreibens anfordern.
Dieses Anschreiben wird an den Ärztlichen Dienst der BA geleitet. Dieser entscheidet, ob die Fehlzeiten in einem Ursachenzusammenhang mit der vom Versorgungsamt festgestellten Behinderungen stehen oder nicht. Der Ärztliche Dienst meldet sein Ergebnis dem Sachbearbeiter der BA zurück, der nach Eingang des Gutachtens über die Gleichstellung entscheidet.
Die Gleichstellung ist für Sie als SBV ein sehr wichtiges Betätigungsfeld. Hier können Sie sich mit ihrem betriebsinternen Wissen in das Verfahren aktiv einbringen und somit eine entscheidende Rolle für den positiven Ausgang eines Antragsverfahrens spielen.
Unterstützen Sie Betroffene, so präzise und detailliert wie möglich zu formulieren. Wo Worte fehlen oder es für Außenstehende zu komplex wird, helfen Schmerztagebücher, Skizzen und Fotos, die die Arbeitssituation und -bedingungen des Antragstellenden unterstützen.
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