Knut, es kriselt in den Unternehmen, insbesondere auch in der Automotive-Branche. Wie beurteilst Du die Situation, wo liegen die Probleme?
Knut-Olav Banke: Die aktuelle Situation in der Automotive-Branche ist in der Tat herausfordernd. Es gibt mehrere Faktoren, die zu den Problemen beitragen. An vorderster Stelle ist natürlich der Umstieg auf die Elektromobilität anzuführen. Für die Zulieferer ist dies kaum aufzufangen. Im Verhältnis zum Verbrennungsmotor werden in einem Elektrofahrzeug etwa 70 Prozent weniger Komponenten verbaut. Viele Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, ihre Produktionslinien und Technologien anzupassen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dies erfordert erhebliche Investitionen. Auch das Fehlen einer klaren politischen Linie bei der Industriepolitik, zum Beispiel das schlagartige Einstellen von Förderprogrammen, hat bei den Unternehmen zu Planungsunsicherheiten und bei den Verbrauchern zur Kaufzurückhaltung geführt.
Zusätzlich gibt es steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit und Emissionsreduzierung mit steigenden Energiepreisen, die die Branche unter Druck setzen, innovative Lösungen zu finden. Die Konkurrenz im Markt ist ebenfalls intensiver geworden, da neue Akteure, insbesondere aus dem Tech-Sektor und China, in den Automobilmarkt eintreten, mit teilweise staatlich subventionierten Produkten. Insgesamt ist die Situation komplex und erfordert von den Unternehmen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, um die Herausforderungen zu meistern und sich auf die Zukunft auszurichten.
Was kann der Betriebsrat denn konkret tun, z.B. wenn der Arbeitgeber mit dem Thema Personalabbau um die Ecke kommt?
Knut-Olav Banke: Betriebsräte haben in Krisensituationen eine große Verantwortung. Sie sind die einzigen, die unternehmerische Entscheidungen hinterfragen können und eine sozialverträgliche Umsetzung gewährleisten. Betriebsräte haben vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, um die Interessen der Mitarbeiter zu vertreten und die Situation bestmöglich zu gestalten.
Die genaue Vorgehensweise hängt immer von der Art der Betriebsänderung und den spezifischen betrieblichen Gegebenheiten ab, aber eine enge Zusammenarbeit der Gremien ermöglicht es, dass Arbeitnehmerrechte gewahrt und potenzielle negative Auswirkungen gemindert werden.
Der Betriebsrat sollte gegebenenfalls über den Wirtschaftsausschuss sicherstellen, dass eine rechtzeitige Einbindung der Gremien erfolgt.
Der Betriebsrat sollte gegebenenfalls über den Wirtschaftsausschuss sicherstellen, dass eine rechtzeitige Einbindung der Gremien erfolgt, so dass in der Planungsphase bestehende Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden können. Sollten Informationsrechte des Wirtschaftsausschusses nicht beachtet werden, sollte dies im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens bereits in einer Frühphase geklärt werden.
Frühzeitig sollten externe Berater, insbesondere auch wirtschaftliche Sachverständige, hinzugezogen werden. Von Anfang an sollte eine strategische und taktische Ausrichtung der Gremien erfolgen. Hierzu empfiehlt es sich, zu Beginn entsprechende Schulungen oder Klausurtagungen zielgerichtet durchzuführen.
Erst nachdem sich die Gremien intern vorbereitet haben und ihr „Drehbuch“ verfasst haben, ist mit der Informationsphase zu beginnen. Der Betriebsrat geht in den Austausch mit dem Arbeitgeber, um die beabsichtigte Maßnahme zu verstehen und die Gründe für den Personalabbau zu hinterfragen sowie alternative Lösungen zu erarbeiten. Ziel sollte es immer sein, den Personalabbau zu minimieren oder ganz zu vermeiden sowie eine langfristige Standort- und Beschäftigungssicherung zu erwirken. Auch eine strategische Personalentwicklung mit weitreichenden Qualifizierungsmöglichkeiten, vielfach staatlich gefördert, sollte angestrebt werden.
Ist ein Personalabbau unvermeidlich, ist ein Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln. Hierbei dürfen sich die Gremien nicht zeitlich unter Druck setzen lassen. Solche Verhandlungen sind ein Marathon kein Sprint.
Wenn es noch nicht so weit gekommen ist – gibt es ein Frühwarnsystem für Beschäftigte und für Interessenvertreter?
Knut-Olav Banke: Ja, es gibt verschiedene Ansätze und Systeme, die als Frühwarnsysteme für Beschäftigte und Interessenvertreter dienen können, um frühzeitig auf mögliche Probleme wie Personalabbau oder andere Veränderungen im Unternehmen aufmerksam zu machen. In vielen Fällen werden die Entscheidungen allerdings gar nicht im eigenen Unternehmen getroffen, sondern im Konzern, oft im Ausland, hier sind die frühzeitigen Möglichkeiten eingeschränkt, weil die zuständige Geschäftsführung oft selbst keine Kenntnis hat.
Ungeachtet dessen sollte der Betriebsrat regelmäßige Gespräche mit der Unternehmensleitung führen, um Informationen über die wirtschaftliche Lage und strategische Entscheidungen des Unternehmens zu erhalten. Diese Gespräche können helfen, frühzeitig auf mögliche Risiken hinzuweisen. Hierbei sollten insbesondere auch die formalen Möglichkeiten und Rechte des Wirtschaftsausschusses genutzt werden, soweit einer gebildet ist. Die Analyse von Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn, Auftragslage und Mitarbeiterzahlen kann Hinweise auf mögliche Probleme geben. Die weitreichenden Informations- und Beratungsrechte des Wirtschaftsausschusses sind ein Frühwarnsystem der Gremien. Der Wirtschaftsausschuss sollte einen wirtschaftlichen Sachverständigen mit Branchenkenntnis hinzuziehen, nur so ist gewährleistet, dass frühzeitig die richtigen Fragen gestellt werden. Der wirtschaftliche Sachverständige liefert oft auch Einblick in die Entwicklungen in der Branche.
Ein häufiges Kommen und Gehen von Führungskräften kann auf Instabilität und strategische Unsicherheiten hinweisen.
Ein häufiges Kommen und Gehen von Führungskräften kann auf Instabilität und strategische Unsicherheiten hinweisen. Ein Betriebsrat sollte dies im Blick behalten und nach den Gründen für diese Veränderungen fragen. Wenn plötzlich und ohne erkennbare Gründe die Unternehmensstrategie geändert wird, etwa durch die Einführung neuer Geschäftsmodelle oder Märkte, kann dies ein Zeichen für eine Reaktion auf eine Krise sein. Wenn geplante Investitionen in Maschinen, Forschung oder neue Produkte verschoben oder abgesagt werden, könnte das auf finanzielle Engpässe hinweisen. Eine stagnierende oder nachlassende Innovationskraft im Unternehmen ist häufig ein Indiz für eine Krisensituation.
Der Austausch mit anderen Betriebsräten oder Gewerkschaften sollte gepflegt werden, um Informationen über branchenspezifische Entwicklungen zu erhalten und voneinander zu lernen. Branchenfachtagungen bieten hier eine gute Gelegenheit zum Bilden von Netzwerken und zum Austausch.
Durch die Implementierung solcher Frühwarnsysteme können Beschäftigte und Interessenvertreter besser auf Veränderungen reagieren und gegebenenfalls rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um die Interessen der Mitarbeiter zu schützen. (cbo)