Einige Monate lang war es recht still um den Brexit, den Abgang Großbritanniens aus der Europäischen Union. Der formelle Austritt fand bereits zum 01. Februar 2020 statt. Damals wurde ein Austrittsvertrag geschlossen, bis Ende dieses Jahrs läuft eine Übergangsphase.
Paukenschlag vor den Verhandlungen
Was immer noch fehlt ist ein Handelsabkommen, das den „harten Brexit“ verhindert. Es wurde zwar immer wieder verhandelt, insbesondere um Zölle abzuwehren. Doch über die konkrete Umsetzung des Austrittsabkommens konnten sich London und Brüssel bisher nicht einigen.
In dieser Woche steht Runde acht der Verhandlungen auf der Agenda. Gleichzeitig kommt ein Paukenschlag aus Großbritannien: Mit einem Gesetz will der britische Premierminister Teile des gültigen Brexit-Deals ändern – einseitig.
Worum geht es bei dem Streit?
Im Zentrum der Auseinandersetzung geht es um den Warenhandel mit Nordirland. Ziel der EU war es immer, dass zwischen dem britischen Landesteil Nordirland und dem EU-Staat Irland keine feste Grenze entsteht. Und so wurde Ende 2019 ein Kompromiss gefunden, um den Handel möglichst reibungslos abzuwickeln, bei offener Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland.
Das neue britische Binnenmarktgesetz würde nicht nur einen Teil dieser Vereinbarung aushebeln, sondern Experten zufolge als Vertragsbruch sogar internationales Recht verletzen. Gestern kam er in erster Lesung im britischen Parlament damit durch. In einer Woche steht dann die entscheidende Abstimmung an. Danach muss das Gesetz allerdings noch durch das britische Oberhaus.
"No Deal" könnte die Autobranche 110 Milliarden € kosten.
Europäische Autoverbände schlagen Alarm
Das britische Vorgehen hat die Gefahr eines harten Brexit mit einem Schlag vervielfacht. Abbrechende Lieferketten und die Errichtung von Zollbarrieren werden ebenso gefürchtet wie lange Wartezeiten an den Grenzen. Angesicht dieser Aussichten schlagen europäische Autoverbände Alarm. Ihren Berechnungen zufolge würde ein „No Deal“ die Autobranche von EU und Großbritannien über die kommenden fünf Jahre insgesamt 110 Milliarden € kosten.
Zölle würde Autos teurer machen und zu einem Nachfragerückgang führen. All das würde eng verbundene Wertschöpfungsketten gefährden und möglicherweise unrentabel machen, meldete der europäische Branchenverband Acea. Denn ohne Vertrag müssten sich vom 1. Januar 2021 an beide Seiten an die Vorgaben der Welthandelsorganisation halten. Dies bedeutet Einfuhrzölle von bis zu 22 %.
1,7 Millionen Jobs stehen auf dem Spiel.
Bedroht sind viele Jobs
Am Ende bedroht ein harter Brexit Jobs auf beiden Seiten des Kanals. Insgesamt 1,7 Millionen Jobs könnten laut Statista wegfallen, sollte es zu keinem Deal zwischen Großbritannien und EU kommen. In Deutschland könnten es rund 290.000 Jobs sein, in Großbritannien sogar mehr als 520.000.
Auch für die Wirtschaft steht viel auf dem Spiel: Laut Berechnungen des IFO-Instituts aus dem vergangenen Jahr würde ein Austritt Großbritanniens ohne Deal die irische Wirtschaft am schlimmsten treffen. Das Wohlstandsniveau würde dort um 8,16 %fallen. Das Vereinigte Königreich selbst müsste mit einem Rückgang von 2,76 % rechnen, Deutschland mit minus 0,72 %. (CB)