Nehmen wir an: Ein Unternehmen hat zwanzig Produkte oder Dienstleistungen; ein mittleres Unternehmen also. Dort arbeiten etwa 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Welche Nachrichten stürzen täglich auf das Unternehmen ein?
Die beiden wichtigsten Konkurrenten entwickeln für drei der Produkte neue Varianten, die deutlich weniger Energie und Material benötigen. Bei zwei anderen werden die Preise um 15 Prozent gesenkt. Für vier der zehn benötigten Vorprodukte steigen die Preise wegen der gestiegenen Rohstoffpreise. Die Deckungsbeiträge von vier Produkten lassen zu wünschen übrig. Die Entwicklung der beiden neuen Produkte braucht bei den Funktionstests mehr Zeit als erwartet. Zwei Kunden stecken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und bitten um Zahlungsaufschub.
Die Krankheitsquote in der Werkstatt schnellt im Februar und März auf fast 10 Prozent hoch. Zwei Entwicklungsingenieure verlassen das Unternehmen. Die Einarbeitung der drei neuen Mitarbeiter der IT-Abteilung braucht länger als erwartet. Sie sind für die Arbeit beim Kunden noch nicht einsetzbar. Zwei der LKWs müssen dringend aufgerüstet werden.
Kurz: Der ganz normale tägliche Wahnsinn schlägt zu.
Auf welche Produkte können wir morgen setzen? Benötigen wir neue Ausrüstungen? Können wir die Arbeitsprozesse weniger störanfällig machen? Welche Spezialqualifikationen brauchen die neuen Ingenieure? Wer kann sie ausbilden? Oder müssen wir das selbst organisieren?
Unternehmen sind störanfällig – weil sie von vielen Faktoren ihrer Umwelt abhängen. Ständig sind Materialflüsse neu zu ordnen, Arbeitsprozesse anzupassen; nichts ist heute so, wie es vor drei Jahren noch selbstverständlich war. Und in weiteren drei Jahren wird nichts mehr so sein wie heute. Das Unternehmen – jedes Unternehmen – befindet sich permanent in Veränderungsprozessen. Umstrukturierung gehört zum täglichen Geschäft; für die Geschäftsführung ebenso wie für die Betriebsräte. Und die damit zusammenhängenden Einzelentscheidungen sind manchmal versteckt im Wust der täglich anfallenden und zu lösenden Probleme.
Dringend notwendig sind deshalb klare Orientierungen für die Weiterentwicklung des Unternehmens. Wie können sonst belanglose von strategischen Entscheidungen unterschieden werden? Wie sind sonst vernünftige, zivilisierte Diskussionen zwischen Vorstand und Betriebsrat möglich? Wie kann ohne strategische Orientierung ein gutes Betriebsklima aufrecht erhalten werden? Und wie wird die hohe Produktivität der Belegschaft sichergestellt?
Ohne eine klar formulierte – und laufend überdachte – Strategie schwankt das Unternehmen wie Schilfrohr im Wind. Und daran hat niemand Interesse – weder die Belegschaft, noch die Eigentümer. Der Vorstand hat kein Interesse, als Prügelknabe zwischen beiden zu stehen. Strategien zu entwickeln und sie im Wirtschaftsausschuss mit den Vertretern der Belegschaft zu diskutieren und zu überprüfen, hilft allen – auch wenn das noch nicht alle Vorstände verstanden haben.