Liebe Nutzer,

für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.

Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team

Der Anscheinsbeweis beim Einwurf-Einschreiben

Nicht selten kommt die Kündigung durch den Arbeitgeber per Einwurf-Einschreiben nach Hause. Der Nachweis des Zugangs einer Kündigung ist nicht nur für die Berechnung der Kündigungsfrist entscheidend. Erst mit dem Zugang der Kündigung beginnt auch die Dreiwochenfrist zu laufen, innerhalb derer der Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage erheben muss. Der Arbeitgeber muss den Zugang der Kündigung beweisen. Das ist nicht immer leicht – so auch nicht in diesem Fall. 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.01.2025, 2 AZR 68/24

ifb-Logo
Redaktion
Stand:  1.4.2025
Lesezeit:  02:15 min
Teilen: 

Das ist passiert

Die Arbeitnehmerin streitet mit der Arbeitgeberin darüber, ob die Kündigung der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 26. Juli 2022 das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat.

Die Arbeitgeberin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft von Augenärzten. Die Arbeitnehmerin war dort als medizinische Fachangestellte beschäftigt. Da die Arbeitnehmerin verdächtigt wurde, eine Patientenakte manipuliert zu haben, wurde ihr mehrfach sowohl fristlos als auch hilfsweise ordentlich gekündigt. Die erste Kündigung vom 14. März 2022 wurde während ihrer Schwangerschaft ausgesprochen und war letztendlich unwirksam. Nach der Entbindung wurde die Kündigung mit demselben Kündigungsgrund mit Schreiben vom 26. Juli 2022 wiederholt. Die Arbeitnehmerin erhob auch hier Kündigungsschutzklage und bestritt unter anderem den Zugang der Kündigung. 

Die Arbeitgeberin hatte diese Kündigung per Einwurf-Einschreiben verschickt. Dem Arbeitsgericht legte sie zum Beweis des Zugangs lediglich den Einlieferungsbeleg und den Sendestatus der Deutschen Post vor. Dazu trug sie vor, die Mitarbeiterinnen U und K hätten das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt. Danach habe Frau U. den Umschlag zur Post gebracht und dort am 26. Juli 2022 um 15:35 Uhr als Einwurf-Einschreiben zur Sendungsnummer RT persönlich aufgegeben. Ausweislich des im Internet abrufbaren sogenannten Sendungsstatus sei das Schreiben mit der entsprechenden Sendungsnummer der Arbeitnehmerin am 28. Juli 2022 zugestellt worden. Insoweit bestehe ein Anscheinsbeweis, der durch das pauschale Bestreiten der Arbeitnehmerin nicht erschüttert werde, auch wenn sie – die Arbeitgeberin – wegen des zwischenzeitlichen Ablaufs der Frist, innerhalb derer die Deutsche Post AG die Kopie eines Auslieferungsbelegs erteilt, einen solchen nicht vorlegen könne.

Das entschied das Gericht

Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei nicht durch eine Kündigung vom 26. Juli 2022 außerordentlich fristlos oder hilfsweise ordentlich aufgelöst worden, so das Gericht. 

Eine verkörperte Willenserklärung – so auch eine Kündigung – unter Abwesenden im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB gehe zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelange und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehe, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers würde zum Beispiel auch ein Briefkasten gehören.

Die Arbeitgeberin hätte diesen Zugang des Kündigungsschreibens beweisen müssen. Dies sei ihr nicht gelungen. Sie hätte für den von ihr behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten der Arbeitnehmerin keinen Beweis angeboten, insbesondere keinen Zeugenbeweis der Person, die den Einwurf vorgenommen haben soll.

Es bestehe auch kein Anscheinsbeweis zugunsten der Arbeitgeberin, dass ein Zugang des Kündigungsschreibens bei der Arbeitnehmerin erfolgt sei.

Der von der Arbeitgeberin vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung die jeweilige Postfiliale und die Sendungsnummer ersichtlich sind, zusammen mit einem von der Arbeitgeberin im Internet abgefragten Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) genüge nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Arbeitnehmerin tatsächlich zugegangen sei.

Der Beweis des ersten Anscheins greife bei typischen Geschehensabläufen, also in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststehe, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweise. 

Der Bundesgerichtshof hätte in verschiedenen Entscheidungen angenommen, dass für den Absender eines Einwurf-Einschreibens bei Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins greife, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten bzw. das Postfach zugegangen sei, wenn ein näher beschriebenes Verfahren eingehalten wurde. 

Das Gericht müsse vorliegend schon nicht entscheiden, ob er dieser Rechtsprechung folge. Denn es sei weder von der Arbeitgeberin vorgetragen noch vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden, welches Verfahren der Deutschen Post AG für die Zustellung des Einwurf-Einschreibens angewendet worden sei. Die Arbeitgeberin hätte den Auslieferungsbeleg für die von ihr eingelieferte Postsendung nicht vorgelegt und sei hierzu wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Fristablaufs nicht mehr in der Lage. 

Die Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurf-Einschreibens und die Darstellung seines Sendungsverlaufs begründen ohne die Vorlage einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Es fehle an Angaben über die Person des den Einwurf bewirkenden Postbediensteten sowie über weitere Einzelheiten der Zustellung.
Da durch die Absendung eines Schreibens nicht der Nachweis seines Zugangs erbracht werden könne, sei der Einlieferungsbeleg für die Frage des Zugangs ohne Bedeutung.

Der Ausdruck mit dem Sendungsstatus, auf dem dieselbe Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg sowie das Zustelldatum vermerkt seien, biete ebenfalls keine ausreichende Gewähr für einen Zugang. In diesem Fall lasse sich weder feststellen, wer die Sendung zugestellt habe noch gebe es ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein gültiges Verfahren der Deutschen Post AG für die Zustellung der eingelieferten Postsendung tatsächlich eingehalten worden sei. 

Der vorgelegte Sendungsstatus lasse weder erkennen, an wen die Zustellung erfolgt sein soll (persönlich an den Empfänger, an eine andere Person in dessen Haushalt oder Einwurf in den Hausbriefkasten), noch zu welcher Uhrzeit, unter welcher Adresse oder zumindest in welchem Zustellbezirk. Würde ein solcher Sendungsstatus für einen Anscheinsbeweis genügen, hätte der vermeintliche Empfänger der Sendung praktisch keine Möglichkeit, ihn zu erschüttern oder gar einen Gegenbeweis anzutreten. 

Die Arbeitgeberin dagegen hätte die Möglichkeit gehabt, die Reproduktion eines Auslieferungsbelegs innerhalb der von ihr angegebenen Frist von 15 Monaten, in denen die Deutsche Post AG die Kopien speichert, anzufordern.

Hinweise aus der Redaktion

Das Bundesarbeitsgericht folgte im Ergebnis der Vorinstanz, dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil, 12.12.2023 – 15 Sa 20/23). Auch darüber haben wir bereits berichtet Einwurf-Einschreiben als Nachweis für den Zugang einer Kündigung.

Das Arbeitsverhältnis zwischen der Arbeitgeberin und der Arbeitnehmerin endete letztlich doch. Allerdings erst durch eine vierte ordentliche Kündigung, die dann endlich formwirksam erfolgte. 
Der Zugang einer Kündigungserklärung kann durchaus bei einem Einwurf-Einschreiben im Wege des Anscheinsbeweises bewiesen werden. Auch ein solcher Fall landete bereits vor dem Bundesarbeitsgericht und wurde von uns vorgestellt. Wer die Entscheidung nachlesen möchte, findet sie hier: Streit um den Einwurf einer Kündigung in den Hausbriefkasten. (sf)

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Seminarvorschlag