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Zu spät für die Mitbestimmung? Gründung eines Betriebsrats bei anstehender Betriebsänderung

Die Gründung eines Betriebsrats, nachdem der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung begonnen hat, kommt zu spät, um das Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans durchzusetzen.

BAG, Beschluss vom 8. Februar 2022, 1 ABR 2/21

Stand:  19.7.2022
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Das ist passiert

Der Betriebsrat streitet mit der Arbeitsgeberin über ein Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans. Nachdem die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern im Juni 2018 ihre Absicht mitgeteilt hatte, den Betrieb Ende August stillzulegen, begann sie mit der Durchführung der Betriebsänderung und kündigte drei Tage später den überwiegenden Teil der Arbeitsverhältnisse. Im Juli 2018 wurde daraufhin im Betrieb die Wahl eines Betriebsrats eingeleitet. Der noch im Juli 2018 gewählte – antragstellende – Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin in der Folgezeit erfolglos auf, Sozialplanverhandlungen aufzunehmen. Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, ihm stehe im Zusammenhang mit der Betriebsstilllegung ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans zu und versuchte letztendlich die Mitbestimmung auf dem Gerichtsweg durchzusetzen.

Das entschied das Gericht

Dem Betriebsrat steht kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans zu. Der Betriebsrat eines bislang betriebsratslosen Betriebs, der erst nach Beginn der Durchführung der Betriebsänderung gewählt wird, könne nicht die Aufstellung eines Sozialplans verlangen, so das Gericht.  

Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats und damit verbunden die Verpflichtung des Arbeitgebers, ihn zu beteiligen, entstünden in dem Moment, in dem sich derjenige Tatbestand verwirklicht, an den das jeweilige Recht anknüpft. Dies sei bei den Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats nach §§ 111 ff. BetrVG die beabsichtigte und damit noch in der Zukunft liegende Betriebsänderung. Sie bilde sowohl bei einem Interessenausgleich als auch – bezogen auf ihre Folgen – bei einem Sozialplan den Gegenstand der Mitbestimmung. Grundsätzlich solle die Beteiligung des Betriebsrats stattfinden, bevor die Betriebsänderung durchgeführt ist. Daher könne ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf Abschluss eines Sozialplans nicht mehr entstehen, wenn dieser zu dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung begonnen hat, noch nicht gebildet war.

Für diese Auslegung spräche schon der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen, wenn in den maßgeblichen Vorschriften stets von der „geplanten” Betriebsänderung die Rede sei.  

Um eine Planung im Sinne der §§ 111 ff. BetrVG handle es sich – wie der allgemeine Sprachgebrauch dieses Begriffs erkennen lässt -, wenn der Arbeitgeber aufgrund abgeschlossener Prüfungen und Vorüberlegungen grundsätzlich zu einer Betriebsänderung entschlossen ist. Gegenstand der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte bilde allerdings nicht die Planung des Arbeitgebers als solche, sondern die „geplante Betriebsänderung“. Die von §§ 111 ff. BetrVG erfassten unternehmerischen Maßnahmen sind so lange (lediglich) „geplant“, wie der Arbeitgeber noch nicht mit der Umsetzung seiner Planung begonnen hat. Solange er noch nicht damit angefangen habe, die Betriebsänderung auch tatsächlich durchzuführen, bestünde noch die Möglichkeit des Betriebsrats, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen.

Zu unterscheiden sei dabei auch nicht zwischen den Verhandlungen der Betriebsparteien über einen (vorgelagerten) Interessenausgleich und dem Abschluss eines Sozialplans. Auch für das Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung eines Sozialplans sei nach der Konzeption der gesetzlichen Regelungen davon auszugehen, dass dieser regelmäßig bereits vor Durchführung der Betriebsänderung verhandelt und vereinbart werden solle, weil er nur dann seiner Befriedungs- und Ausgleichsfunktion in vollem Umfang gerecht werden könne.

Die Möglichkeit des Betriebsrats, auch gegen den Willen des Arbeitgebers einen Sozialplan erzwingen zu können, solle auch dazu beitragen, dass der Arbeitgeber die Betriebsänderung in einer möglichst schonenden Form durchführt. Diese gesetzlich vorgesehene Funktion des Sozialplans als Instrument auch zur mittelbaren Einflussnahme auf den unternehmerischen Prozess der Willensbildung und Entscheidung über die Betriebsänderung beruhe allerdings auf der Prämisse, dass schon dann ein Betriebsrat besteht, wenn die Maßnahme noch nicht vom Arbeitgeber umgesetzt worden ist. Nur dann könne und müsste der Arbeitgeber etwaige finanzielle Belastungen durch einen Sozialplan in seine Entscheidung einbeziehen. Der Umstand, dass ein Sozialplan auch noch nach erfolgter Betriebsänderung abgeschlossen werden könne und der Arbeitgeber entsprechende Kosten – vorsorglich – einkalkulieren könnte, ändere an dieser gesetzlichen Konzeption nichts.

Bedeutung für die Praxis  

Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes entspricht der schon bisherigen Rechtsprechung. Einmal mehr führt sie vor Augen, wie wichtig die Gründung eines Betriebsrats ist. Zum Zeitpunkt einer anstehenden Betriebsschließung kommt diese Einsicht sehr spät. Zwar ist der Versuch der Kollegen ehrbar, noch auf den letzten Metern mit allen Mitteln zumindest drohende Nachteile für die Kollegen abzumildern, allerdings ist der Betriebsrat seinem Sinn nach nicht nur als „Feuerwehr“ im Einsatz.   Die Aufgaben und Mitbestimmungsrechte eines Betriebsrats sind vielfältig. Die Möglichkeit, zum Wohle der Arbeitnehmer Einfluss auf den Arbeitsalltag zu nehmen, sollte daher genutzt werden, wo immer es geht. (sf)

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