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Nach schwerem Schicksalsschlag selbst stellvertretende SBV und Betriebsrat: Stephan Klimke von Infineon
Stephan Klimke sagt, es sei von Vorteil, selbst schon „Kämpfe“ zur Feststellung der Schwerbehinderung und mit der Rentenversicherung geführt zu haben – umso besser könne man seine Arbeitskollegen unterstützen. Seit 2022 ist der 51-Jährige stellvertretende Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat beim Halbleitunternehmen Infineon. Eine plötzlich aufgetretene Sehbehinderung hatte den IT-Mitarbeiter dazu bewogen, sich selbst zu engagieren. Er sagt: „Meinen Job kann ich heute nahezu so ausführen wie zuvor – auch dank der SBV.“
Stephan Klimke: Ich habe quasi auf einen Schlag auf einem Auge nichts mehr gesehen, nur noch schwarz. Schuld war eine Netzhautablösung. In mehreren operativen Eingriffen wurde versucht, das wieder zu reparieren – aber so hundertprozentig hat das nicht geklappt. Deswegen habe ich jetzt eine Sehbehinderung auf einem Auge.
Stephan Klimke: Durch die Behinderung habe ich natürlich mehrere Nachteilsausgleiche und ich sage bewusst Nachteilsausgleiche, weil das keine Vorteile sind. Einer davon ist die Teilhabe am Arbeitsleben – der Arbeitgeber sollte einen nach Möglichkeit mit technischen Hilfsmitteln unterstützen. Nach einer Belastungsprobe in der Blindenschule vom Berufsförderwerk Würzburg wurde mir gezeigt, welche Tastaturen, Bildschirme, Vorlese- und Kamerasysteme es gibt. Da wurde schließlich individuell für mich ein Paket zusammengestellt und es hat sich ergeben, dass ich seither 50 Prozent von zu Hause und 50 Prozent im Büro arbeite.
Stephan Klimke: Die war enorm groß, allein in den Gesprächen mit meiner Führungskraft. Die SBV hat es mit angeleitet, dass die richtigen Maßnahmen getroffen wurden und ich die gleiche IT-Ausstattung für das Büro bekomme wie zuhause. Das hat alles problemlos funktioniert.
Stephan Klimke: Das kann man so sagen! Wenn du als Mitarbeiter in der IT plötzlich blind bist, hinterfragst du erstmal alles. Das ist so ziemlich der „Worst Case“; als hätte der Klavierspieler plötzlich die Finger gebrochen. Es war unheimlich belastend, ich hatte einfach keine Idee, wie meine Zukunft aussieht. Und dann ist es eben wichtig, Leute zu haben, die verstehen, was das Problem ist und dir die Hand reichen. Also habe ich gesagt, ich möchte den Leuten gerne selbst meine Erfahrungen weitergeben. Jemand, der diesen Kampf mit der Feststellung der Behinderung oder der Rentenversicherung selbst geführt hat, kann auch andere gut unterstützen.
Stephan Klimke: Das Wording in unseren Stellenausschreibungen wurde beispielsweise dahin verändert, dass die Bewerbung von Menschen mit Behinderung ausdrücklich begrüßt wird. Das ist zwar ein kleiner, aber aus meiner Sicht wichtiger Schritt. Außerdem werden die sehbehinderten Kollegen hinsichtlich ihrer Ausstattung – ähnlich wie bei mir – unterstützt. Darüber hinaus gibt es die Dauerbrennerthemen wie etwa Schwerbehindertenparkplätze in der Tiefgarage – sind die an der richtigen Stelle? Und wir haben eine mobile Rollstuhlrampe für eine Treppe auf die Dachterrasse besorgt. Außerdem gilt es, ganz viel Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben in Bezug auf „Destigmatisierung“ …
Stephan Klimke: Schwerbehinderte Menschen werden immer noch als „eingeschränkt“ im Arbeitsalltag angesehen, das ist aber einfach nicht der Fall. Wir haben eine einbeinige Ingenieurin, wir haben Leute mit Sehbehinderung, die voll arbeiten, und wir haben Menschen mit psychischen Erkrankungen, die trotz ihrer Schwierigkeiten da sind und arbeiten.
Stephan Klimke: Es ist nun mal eine ganz normale Sache. Wir haben in Deutschland ganz, ganz viele Menschen mit Behinderungen und es gibt in nahezu jedem Unternehmen fähigkeitsgerechte Arbeitsplätze. Im Grunde genommen ist es überhaupt kein Ausschlusskriterium, eine Behinderung zu haben. Da wünsche ich mir auf der einen Seite von Arbeitgebern eine noch größere Offenheit, wenn jemand etwas Unterstützung braucht, etwa die Behindertentoilette in der Nähe oder einen Vorhang um den Arbeitsplatz rum. Auf der anderen Seite sollten Arbeitnehmer eben offener mit ihrer Behinderung umgehen.
Stephan Klimke: Ja, ich habe eine kleine Selbsthilfegruppe gegründet bei mir in der Firma, da sind mehrere Sehbehinderte unterschiedlicher Couleur dabei. Und allein dieser Austausch ist enorm wertvoll, weil du den Leuten Hilfsmittel anbieten kannst. Wir nennen uns die „Infineon-Maulwürfe“ – ein bisschen Selbstironie gehört immer dazu.
Stephan Klimke: Ich hatte mir gedacht, dass ich da meine Energie gut einbringen kann. Ich möchte individuell auf die Leute eingehen und nicht nur mit dem Standardrezept nach Hause schicken. Sondern den Leuten die Hand ausstrecken, um zu zeigen, ich bin für dich da, ich steh dir bei.
Stephan Klimke: Die Mischung ist ab und zu ein bisschen anstrengend, aber man muss sich über seine Rollen im Klaren sein. Es ist auch sehr gewinnbringend, weil man viel mitbekommt: Von den Betriebsratssitzungen, den Ausschusssitzungen und so weiter, was ich dann wiederum als SBV einsetzen kann.
Stephan Klimke: Mir gefällt es als SBV, den Leuten etwas Hoffnung zu geben und zu zeigen, hier geht die Reise hin. Gemeinsam einen Plan aufzustellen und zu sagen, so bringen wir dich wieder zurück in Lohn und Brot. Als Betriebsrat ist die Beratung in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten total wertvoll. Und dann sind es Themen wie Digitalisierung und Agilität, bei denen ein paar Betriebsratskollegen ihre Schwierigkeiten haben, ich als gelernter IT’ler jedoch ganz gut mitsteuern kann.
Stephan Klimke: Ich habe einen Aufhebungsvertrag unterschrieben, weil ich in einen deutlich stärker sozial engagierten Bereich wechseln möchte. In die Teilhabeberatung zu gehen ist mein Ziel. Nach 25 Jahren möchte ich nochmal was Neues machen und habe gemerkt, wie viel es mir bedeutet, mit Menschen mit Behinderung zusammenzuarbeiten. Auch, weil ich da überhaupt keine Berührungsängste habe.
Stephan Klimke: Der Respekt ist selbstverständlich groß, denn auch hier hatte ich schon Fälle, bei denen ich mir dachte: „Boah, das ist schon eine Nummer, da geht es um die persönliche Existenz.“ Mir hilft in dem Zusammenhang der Satz einer ifb-Referentin, die bei einem SBV-Seminar sagte: „Wirf einen Rettungsring, aber spring nicht hinterher!“ Das ist es, woran ich mich halte. Ich spreche mit den Leuten, echauffiere mich gemeinsam mit ihnen, wenn es was zum Aufregen gibt, aber am Ende des Tages muss ich auch ein bisschen auf meine Seelenhygiene achten. (tis)
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