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Fachartikel Wirtschaftsausschuss Wirtschaftsausschuss im Tendenzbetrieb

Wirtschaftsausschuss im Tendenzbetrieb

Ist in Krankenhäusern, Theatern und Zeitschriftenverlagen grundsätzlich kein Wirtschaftsausschuss möglich?

Die Bildung eines Wirtschaftsausschusses ist ausgeschlossen, wenn es sich um einen Tendenzbetrieb handelt. Da ist das Betriebsverfassungsgesetz eindeutig. Doch oft wird dieser Einwand zu schnell akzeptiert, obwohl die Einordnung eines Unternehmens als Tendenzbetrieb nicht immer so einfach ist, wie es scheint.

Martina Wendt | ifb

Stand:  24.3.2025
Lesezeit:  02:30 min
Wirtschaftsausschuss Tendenzbetrieb | © AdobeStock | stokkete

Was ist ein Tendenzbetrieb und warum gibt es dort keinen Wirtschaftsausschuss?

Ein Tendenzbetrieb ist ein Betrieb oder Unternehmen, dessen Unternehmenszweck eine bestimmte geistig-ideelle Ausrichtung hat, die vom Gesetzgeber als besonders schützenswert eingeordnet wird. Hierunter fallen z. B. Unternehmen, die eine politische, karitative oder künstlerische Bestimmung haben, aber auch Religionsgemeinschaften und Herausgeber von Zeitschriften. In solchen Unternehmen ist die Bildung eines Wirtschaftsausschusses nach § 118 Abs. 1 S. 2 BetrVG ausgeschlossen.   

Unklar ist, warum die Bildung eines solchen Ausschusses nicht gewünscht ist. Die Einschränkungen, die das Betriebsverfassungsgesetz für die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Tendenzbetrieben vorsieht, sollen verhindern, dass durch die Mitbestimmung die Tendenz des Unternehmens beeinflusst wird. Ein Wirtschaftsausschuss hat jedoch keine Mitbestimmungsrechte, sondern ist lediglich ein Gremium, das mit dem Unternehmer berät und den Betriebsrat über wirtschaftliche Angelegenheiten informiert. Der Wirtschaftsausschuss hat also keine Möglichkeit, die Tendenz des Unternehmens durch sein Tun zu beeinflussen. Durch die Nichtbildung eines Wirtschaftsausschusses wird dem Unternehmen vielmehr ein wichtiges Bindeglied zur Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vorenthalten. 

Unmittelbar und überwiegend: Wichtige Begrifflichkeiten bei der Einordnung als Tendenzbetrieb  

Umso wichtiger ist es zu prüfen, ob es sich wirklich um ein Unternehmen handelt, das tatsächlich keinen Wirtschaftsausschuss bilden kann.  

Bei der Einordnung als Tendenzbetrieb nach § 118 Abs. 1 BetrVG sind zwei Wörter im Gesetzestext von erheblicher Bedeutung: unmittelbar und überwiegend. Auf diese Formulierungen kommt es nämlich an, wenn man beurteilen soll, ob ein Betrieb oder Unternehmen als tendenzgeschützt oder tendenzneutral zu sehen ist.   

Unmittelbar auf eine geistig-ideellen Zielsetzung ist ein Unternehmen nur ausgerichtet, wenn dies ein bestimmtes Niveau aufweist, also ein ernstzunehmender Betriebszweck ist. Nicht ausschlaggebend hierfür ist eine bestimmte Rechtsform oder die persönliche Einstellung des Unternehmensinhabers. Ein Tendenzzweck kann sowohl mit und ohne Gewinnerzielungsabsicht verfolgt werden. Steht der kommerzielle Gesichtspunkt allerdings im Vordergrund, ist auch bei der Berücksichtigung von ethischen und ideellen Zielsetzungen kein Tendenzschutz mehr möglich.  

Bei der Beurteilung der überwiegenden Ausrichtung auf einen Tendenzzweck kommt es ausschließlich darauf an, wie das Unternehmen die sachlichen und personellen Mittel, die ihm zur Verfügung steht, einsetzt. Der Umsatz oder der Jahresüberschuss, der mit tendenzgeschützten oder -neutralen Tätigkeiten erzielt wird, ist dabei nicht relevant.  

In einem Unternehmen mit mehreren Betrieben ist für jeden Betrieb die Tendenzeigenschaft einzeln zu prüfen. So kann es sein, dass in ein und demselben Unternehmen Betriebe gibt, die tendenzgeschützt und tendenzneutral sind. Was aber nicht möglich ist, ist, dass ein tendenzneutrales Unternehmen einen Tendenzbetrieb unterhält. 

Aber was heißt das für die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses? 

Wirtschaftsausschuss im Tendenzunternehmen: Ausnahmen und Möglichkeiten  

Für die Frage, ob in einem Tendenzunternehmen ein Wirtschaftsausschuss errichtet werden kann, ist die Tendenz im gesamten Unternehmen ausschlaggebend, da der Wirtschaftsausschuss auf der Ebene des Unternehmens und nicht des einzelnen Betriebs gebildet werden muss. Dominieren nach der Prüfung der überwiegenden Ausrichtung die tendenzneutralen Zwecke im Unternehmen, kann und muss sogar ein Wirtschaftsausschuss gebildet werden, wenn die Mitarbeiterzahl nach § 106 Abs. 1 BetrVG erreicht ist. Der ist dann allerdings ausschließlich für die tendenzneutralen Betriebe des Unternehmens zuständig und kann deren wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer beraten.   

Tipp: Im Laufe der Jahre kann sich durch Umstrukturierungen die Tendenzeigenschaft einzelner Betriebe auch ändern. Prüfen Sie daher genau, ob tatsächlich ein Tendenzbetrieb besteht oder nicht. Diese Tendenzeigenschaft hat nicht nur Auswirkungen auf die Bildung eines Wirtschaftsausschusses, sondern auch auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.  

Das Bundesarbeitsgericht hat außerdem entschieden, dass ein Arbeitgeber auch freiwillig auf den Tendenzschutz verzichten kann, wenn sich dieser Schutz aus einer erzieherischen oder karitativen Zielsetzung des Unternehmens ergibt (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.10.2000, Az.: 1 ABR 14/00).

Mit oder ohne Wirtschaftsausschuss: Immer eine Einzelfallprüfung  

„Wir sind ein Krankenhaus, da können wir als Tendenzbetrieb keinen Wirtschaftsausschuss bilden.“ Wirklich? Die vorstehende Rechtsprechung (BAG, 1 ABR 14/00) zeigt, dass die Einordnung als Tendenzbetrieb nicht immer so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick scheint. So hat das LAG Niedersachsen erst im letzten Jahr entschieden, dass ein Unternehmen, das Wohnheime für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten betreibt, keinen Tendenzschutz genießt (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 10.06.2024, 4 TaBV 71/23 ). Eine soziale Einrichtung sei nicht automatisch karitativ tätig. Auch dem Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes wurde 2015 vom Bundesverfassungsgericht die Tendenzeigenschaft abgesprochen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 2015, 1 BvR 2274/12). Die karitativ-humanitäre Ausrichtung sei zwar vorhanden, die Grundversorgung mit Blutpräparaten stelle aber keinen sozialen Dienst dar, der leidenden Menschen direkt zugutekommt. Und auch einem kommerziell betriebenen Krankenhaus kann nicht automatisch eine Tendenzeigenschaft zugewiesen werden, nur weil es die ideelle Zielsetzung der Patientenversorgung verfolgt. 

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