Das Wort „Betriebsrat“ findet sich genau einmal in den 144 Seiten des druckfrischen Koalitionsvertrages – aber der Inhalt lässt aufhorchen: „Wir werden die Mitbestimmung weiterentwickeln. Wir ermöglichen Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen zusätzlich als gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten. Zusätzlich soll die Option, online zu wählen, im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden.“ Online-Betriebsversammlungen, Online-Betriebsratssitzungen und Online-Wahlen als gleichwertige Alternativen? All das wären Riesenschritte für eine modernere BR-Arbeit.
Aber auch an anderen Stellschrauben soll kräftig gedreht werden. Es fallen gleich mehrere Passagen ins Auge, die für Betriebsräte und Arbeitnehmer interessant sind.
Digitale Erfassung der Arbeitszeit
Wie zu erwarten hat das Thema Arbeitszeiterfassung Einzug gehalten in den Koalitionsvertrag. „Wir werden die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten unbürokratisch regeln und dabei für kleine und mittlere Unternehmen angemessene Übergangsregeln vorsehen. Die Vertrauensarbeitszeit bleibt ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich.“
Die Vertrauensarbeitszeit bleibt ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich.
Abkehr von der täglichen Höchstarbeitszeit
Der Koalitionsvertrag sieht vor, die tägliche Höchstarbeitszeit zugunsten einer wöchentlichen Arbeitszeit zu flexibilisieren: „Deshalb wollen wir im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen – auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Die bisherigen Regelungen in § 3 ArbZG sehen eine Begrenzung von acht bzw. zehn Stunden pro Tag vor. Die Koalition plant, die konkrete Ausgestaltung „im Dialog mit den Sozialpartnern“ zu entwickeln.
Gewerkschaftsarbeit
Gewerkschaften sollen ein digitales Zugangsrecht zu Betrieben erhalten, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften soll durch steuerliche Anreize attraktiver werden.
Tariftreue
Es ist ein Bundestariftreuegesetz vorgesehen, das öffentliche Aufträge des Bundes ab einem Auftragswert von 50.000 Euro an die Einhaltung tarifvertraglicher Arbeitsbedingungen koppelt. Die Unternehmen sollen nachweislich Löhne mindestens auf Branchentarifniveau zahlen.
Steuerfreie Überstunden
Der Koalitionsvertrag sieht außerdem vor, Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei zu stellen, sofern sie über die tariflich vereinbarte oder an Tarifverträge orientierte Vollzeit (34 bzw. ohne Tarif 40 Wochenstunden) hinaus geleistet wird: „Damit sich Mehrarbeit auszahlt, werden Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei gestellt.“
Mindestlohn: 15 Euro bis 2026
Dass der Mindestlohn von 15 Euro bis 2026 „erreichbar“ sei, hat bereits zu vielen Diskussionen geführt. Im Koalitionsvertrag ist es nun so vorgesehen.
Weniger Bürokratie – mehr Digitalisierung
Laut Koalitionsvertrag ist außerdem die Reduzierung gesetzlicher Schriftformerfordernisse geplant, z.B. bei Befristungen nach § 14 Abs. 4 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG). An der Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung soll festgehalten werden, aber: private Online-Plattformen sollen ausgeschlossen werden.
Wie es nun weitergeht? Das wird sich erst zeigen. Ein Blick zurück zeigt, dass es einige der Vorhaben der vorherigen Koalition nie raus aus dem Papier geschafft hatten. Ob das jetzt anders wird? Wir werden sehen. Friedrich Merz hatte zumindest bereits angekündigt, die parlamentarische Sommerpause verkürzen zu wollen.